Erziehungs- und Sprachwissenschafter können kaum Gutes an den geplanten Deutschförderklassen finden.

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Wien – Zweifel an der Sinnhaftigkeit der von der Regierung geplanten Deutschförderklassen meldet neben Germanisten die deutsche Erziehungswissenschafterin Anja Wildemann an. Das Modell sei ohne fachwissenschaftliche Expertise entworfen worden und entspreche nicht dem aktuellen Forschungsstand, so Wildemann Mittwochabend bei einer Veranstaltung des Arbeitsbereichs Deutsch als Zweitsprache der Uni Wien.

"Es gibt eine Tendenz, dass integrierende Sprachförderung zielführender ist als segregierende", betonte die Professorin für Grundschulpädagogik und Erziehungswissenschafts-Dekanin der Uni Koblenz. Allerdings sei dies für den Schulbereich noch nicht ausreichend empirisch belegt. Für den Kindergartenbereich gebe es diese Einschränkung aber nicht: "Dort können wir sagen, dass integrierende Förderung zu besseren Ergebnissen führt."

Auswirkungen auf Lernmotivation und Selbstbild

"Ich fördere nicht, wenn ich Sprachkontakt entziehe", so Wildemann. Jene Gruppe, die Deutschförderklassen besuchen soll, sei aber eben selbst nicht gut in Deutsch, die Kinder könnten sich nicht gegenseitig mitziehen. Man müsse außerdem auch berücksichtigen, was diese Situation bei den Kindern in Bezug auf ihre Lernmotivation und ihr Selbstbild auslöse.

"Am meisten erschüttert" hätten sie die geplanten gesetzlichen Ausführungen zur Sprachdiagnostik – durch einen Test soll darüber entschieden werden, ob Kinder eine Deutschförderklasse besuchen müssen oder nicht beziehungsweise ob sie diese wieder in Richtung Regelklasse verlassen dürfen. "Pädagogische Diagnostik führen wir nicht durch, um Schüler zu verurteilen, sondern um zu sehen, wie wirkt mein Unterricht, wie kann ich den verbessern? Diagnostik mache ich für mich." Sie könne auch nicht nachvollziehen, dass bereits in den nächsten Monaten ein aussagekräftiger Test entwickelt werden soll – sie arbeite selbst auf dem Gebiet der Testentwicklung: "Unter drei Jahren geht da gar nichts."

Kritik an der Berufung von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) auf ein ähnliches Modell in Berlin übte Beatrice Müller, Senior Lecturer am Institut für Germanistik der Uni Wien im Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Die dortigen "Willkommensklassen" hätten zehn bis zwölf Schüler umfasst und nicht im Schnitt 17 wie in Österreich geplant. Die Lehrkräfte seien dort durch Sozialarbeiter und ehrenamtliche Helfer unterstützt worden, allerdings seien die Klassen oft nicht im Schulgebäude untergebracht gewesen. Man habe so Parallelstrukturen geschaffen und nichts zur Lösung des Problems beigetragen. "Sie wurden nicht eingerichtet, weil sie ein sinnvolles Modell darstellen, sondern weil Ressourcen für Maßnahmen im Regelschulsystem fehlten."

Für Verschränkung

Auch Hannes Schweiger, Assistenzprofessor im gleichen Fachbereich, meinte: "Allein aus sprachdidaktischer Sicht sind separierende Maßnahmen wenig zielführend. Sprache wird durch soziale Interaktion mit Sprechern der Zweisprache erworben." Das sei bei Kindern etwa durch Kommunikation oder Spielen mit Gleichaltrigen. "Ein segregativer Förderunterricht entzieht positiver Sprachlernmotivation die Grundlage." Entscheidend sei außerdem die Verknüpfung von sprachlichem und fachlichem Lernen: Sprachunterricht sei daher mit dem Fachunterricht zu verschränken. (APA, 26.4.2018)