Schaut diabolisch aus, soll aber das Gegenteil bedeuten: der bayrische Ministerpräsident Markus Söder mit einem "Amtskreuz".

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Auch wenn die Präambel des deutschen Grundgesetzes "im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen" formuliert ist, hat Deutschland spätestens mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 die institutionelle Trennung von Staat und Religion vollzogen. Der Staat mischt sich nicht in die Angelegenheiten der Kirchen und umgekehrt. Das Recht geht vom Volk aus; der Staat verzichtet auf religiöse Legitimation und auch auf jegliche andere Legitimation durch eine nichtreligiöse Weltanschauung. Umgekehrt sollte der Staat selbst auch keine Religion als Staatsreligion legitimieren, sondern sich neutral verhalten.

"Abendland in Christenhand"

Das hindert Bayern ein Jahrhundert später nicht daran, sich dem Mainstream der Säkularisierung zu entziehen und einen Fuß hinter die Startlinie der Aufklärung zu setzen. In den Dienstgebäuden bayrischer Behörden müssen ab 1. Juni 2018 Kreuze montiert (oder erst gar nicht abgenommen) werden, um zu verdeutlichen, wer der Herr im Haus ist. Diese Geste ist so unmissverständlich wie einst jene von Heinz-Christian Strache, der Muslimen mit dem Slogan "Abendland in Christenhand" ein Kreuz entgegenstreckte, das den Kontinent (wohl den österreichischen) als einen christlichen markieren sollte.

Das Kreuz wird auch im Freistaat als religiöse Marke eingesetzt, selbst wenn es im aktuellen Beschluss des Landtages als ein "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" bezeichnet wird. Jetzt kann natürlich ein religiöses Symbol gleichzeitig auch ein kulturelles Symbol sein, das auf eine geschichtliche Prägung hinweist, aber das ist ein zusätzlicher, kein optionaler Aggregatzustand – religiöses Symbol bleibt religiöses Symbol -, und die christlichen Kirchen sind durchaus nicht damit einverstanden, wenn ihr Merkmal nur und ausschließlich zum nichtreligiösen Ausdruck eingesetzt wird – in diesem Fall als Bayern-Kreuz.

Bliebe man in dieser Logik, wäre das Kreuz übrigens als nichtreligiöses Symbol auch nicht mehr durch den anachronistischen, aber doch angewendeten "Blasphemie"-Paragrafen (in Deutschland: § 166 StGB, in Österreich: § 188 StGB) geschützt.

Ein Verweis Bayerns auf die vorhandene institutionelle Trennung von Staat und Religion reicht an dieser Stelle nicht aus, weil sich diese Trennung auch auf der sachlichen Ebene fortsetzen muss. Indem der Staat allen Weltanschauungen gegenüber einen indifferenzialistischen Standpunkt einnimmt, lässt er Religion Privatsache sein. Das ist keine Verdrängung aus dem öffentlichen Raum, sondern einfach nur die Enthaltung einer Bewertung. Es bedeutet auch nicht, dass der Staat keine Möglichkeit mehr hat, mit Kirchen zu kooperieren oder deren Tätigkeiten zu reglementieren. Diese Behandlung darf allerdings nur im Rahmen von Regeln und Gesetzen geschehen, die für alle gleich gültig sind. Diese Gleichgültigkeit bedeutet in der Praxis nichts weiter als eine Gleichbehandlung aller Weltanschauungen und Religionen. Der Staat unterliegt hier einem Diskriminierungsverbot, das (auch sprachlich) ein Privilegierungsverbot miteinschließt.

Identifikationsverbot

Mit diesem Beschluss des Landtags verletzt Bayern weiters nicht nur das Gebot, sich gegenüber Weltanschauung und Religion neutral zu verhalten, sondern auch das Identifikationsverbot. Der deutsche Jurist und Rechtsphilosoph Horst Dreier meint dazu: "Er (der Staat, Anm.) darf insbesondere nicht Partei ergreifen, sich weder inhaltlich mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung identifizieren noch den Anschein dazu erwecken, was etwa für die staatliche Präsentation religiöser Symbole Bedeutung erlangt."

Doch genau das passiert in Bayern. Der Freistaat wird zum Werbeträger für ein Bündel christlicher Konfessionen. Vor ein paar Tagen meinte Christoph Schönborn, dem Islam stehe die Aufklärung noch bevor. In diese paternalistische Geste darf er nun nicht nur Bayern miteinschließen, sondern auch Österreich nicht vergessen.

16 Staatsreligionen

Gerade hierzulande ist die Verdrillung von Staat und Religion eine, die institutionell getrennte Fäden in einem Strang abbildet, an dem beide ziehen. In Österreich wird Religion grundsätzlich gegenüber jeder Form der nichtreligiösen Weltanschauung bevorzugt. Der Staat versucht seine Scheinneutralität dadurch aufrechtzuerhalten, dass viele Religionsgesellschaften in den privilegierten Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts gehoben werden. Damit lebt Österreich ein synkretistisches Staatsreligionenmodell aus 16 Kirchen und Religionsgesellschaften mit ganz unterschiedlichen Rechten und Pflichten.

Auch hier findet man Kreuze (und keine anderen religiösen Symbole) in den Schwurgarnituren der Gerichtssäle und an Wänden öffentlicher Schulen und Kindergärten, während gleichzeitig vielleicht ein Verbot eines islamischen Kopftuches beschlossen wird. Ein wirklich weltanschaulich-religiös neutraler Staat würde Menschen nicht aufgrund ihrer Religion bewerten, sondern integrativ wirken. Und das ist freilich nur mit Laizität zu erreichen. (Niko Alm, 26.4.2018)