Schwarzes Selbstbewusstsein klingt verdammt gut: Janelle Monáe vermischt in ihrer Musik Politik und Hedonismus.

Foto: Warner Music

Wien – Nasenbohrer verwenden Auto-Tune. Also dieses elektronische Korrekturspielzeug für bescheidene Stimmchen, das sich im Dauereinsatz zu einer eigenen Ästhetik im Mainstreampop ausgewachsen hat – Stichwort: Justin Bieber.

Wenn Janelle Monáe ein Falsett braucht, wirft sie nicht Auto-Tune an, sie wählt die Nummer von Brian Wilson. Das hat Klasse. Und Brian kommt natürlich. Im Opener ihres heute erscheinenden Albums Dirty Computer jubiliert also der oberste Beach Boy selbst.

Janelle Monáe

Man mag das als gimmickhaft denunzieren, denn eine illustre Gästeliste gilt im Hip-Hop und R'n'B seit langem schon als unumgänglich. Doch Janelle Monáe tickt anders. Sie tut so etwas aus Ehrfurcht und Bewunderung. Dieser Zugang zeichnet ihre Musik aus. Zu jedem ihrer 14 neuen Songs gibt sie im Booklet der CD an, wer und was sie inspiriert hat, vergibt also ohne Not Credits für Menschen, die sie ihrer Einschätzung nach verdienen. Man kann das Demut nennen.

Dabei ist Janelle Monáe einer der schwarzen Shooting- und Superstars. Als solcher kontrolliert sie penibel ihr Image, überwacht, welche Bilder von ihr gezeigt und gesendet werden. Ansonsten scheint die 32-jährige US-Amerikanerin aus einem Scherbenviertel von Kansas City aber Bodenhaftung zu besitzen: Armut bewegt sie, Diskriminierung beschäftigt sie, Ungerechtigkeit erzürnt sie.

Kein Blatt vor den Mund

Ob dieser Wesenszüge zählt sie heute zur Speerspitze des schwarzen liberalen Amerikas. Dort nimmt sie sich kein Blatt vor den Mund, sondern nutzt jede Auszeichnung als Podium für ihre Agenda. Und Podien bieten sich ihr reichlich. Denn Monáe ist nicht bloß Musikerin, sie arbeitet ebenso erfolgreich als Schauspielerin und hat in zwei wichtigen Filmen der letzten Jahre Hauptrollen gespielt: in Moonlight und Hidden Figures – beides vielfach ausgezeichnete Filme.

Janelle Monáe

Für ihr drittes Album verschränkte sie ihre Power im Unterhaltungsbusiness. Ein Teaservideo für Dirty Computer lief in den USA als Vorprogramm zum Film Black Panther - eine klare Positionierung.

Ihre Musik ist ein federnder Hybrid aus R'n'B und technoidem Funk. Dabei ist ihr vor zwei Jahren ihr größter Förderer und Ratgeber abhandengekommen: Prince. Monáe war mit Prince Rogers Nelson befreundet. Vor jedem Album ging sie mit ihren Ideen zu ihm, doch er wollte im Hintergrund bleiben, um nicht den Eindruck zu erwecken, Monáe hänge an seinen Strippen. Vor dem 2016 verstorbenen Großmeister verneigt sie sich mit dem Song Make Me Feel, das nahe an Prince' Hit Kiss gebaut ist. Eine hübsche Hommage, fett und funky.

Janelle Monáe

Female Power bedeutet bei Monáe aber nicht bloß Politik, sondern auch Hedonismus. Dazu gehört eine befriedigende körperliche Vereinigung, die sie im Song Screwed besingt. Es ist ja stimmig: Zufriedene Menschen sind bessere Menschen. Monáes Agenda ist die alte Botschaft der Liebe ohne Grenzen außer denen, die man für sich selbst zieht. "Let's get screwed!" Alles cool, bloß kein Machtmissbrauch.

Wer möchte dem schon widersprechen? (Karl Fluch, 27.4.2018)