Die Terrormiliz IS habe zwar mit ihrer militärischen Niederlage in Syrien und Irak 80 Prozent ihrer Einnahmen verloren, schätzt der französische Staatsanwalt François Molins, vor allem die von der Bevölkerung erpressten Abgaben im Kriegsgebiet seien weitgehend zum Erliegen gekommen. Doch die Organisation sei keineswegs erledigt, sagte der Terror-Chefermittler am Donnerstag in Paris. Sie passe sich an und suche neue Wege, ihre Finanzierung sicherzustellen.

Aus diesem Grund hat das terrorversehrte Frankreich am Mittwoch und Donnerstag eine internationale Konferenz zum Kampf gegen die Terrorfinanzierung einberufen. Regierungsvertreter von 70 Staaten einschließlich Österreichs, 20 Organisationen und mehrere Hundert Antiterrorexperten waren anwesend, um sich besser abzusprechen.

Spenden aus Frankreich

Molins teilte mit, dass seine Beamten schon 416 IS-Spender in Frankreich ermittelt hätten. Die Spenden erfolgten oft über humanitäre Tarnorganisationen oder eigentliche "Geldsammler". 320 habe die französische Justiz vorab im Libanon und in der Türkei ausfindig gemacht. Sie leiteten die Gelder an die IS-Truppen in Syrien oder der Sahelzone weiter.

Auch wenn die direkten Geldquellen – Raub und Erpressung im Kriegsgebiet – weitgehend ausgetrocknet wurden, kommen die Jihadisten nach wie vor auf beträchtliche Einnahmen. Der irakische Antiterrorspezialist Hicham Al-Hachemi berichtete in Paris, dass der IS das frühere "Geschäftsmodell" des Terrornetzwerkes Al-Kaida kopiert habe. In der Großregion von Bagdad finanziere die Miliz ganze Wirtschaftssektoren wie etwa die Fischzucht. Daraus ziehe sie weiterhin hohe, aber verdeckte Abgaben, die über eigene Wechselstuben weißgewaschen würden. Aus dieser zivilen Aktivität hat der IS im Jahr 2016 nach offiziellen Schätzungen 56 Millionen Dollar bezogen.

Skepsis der Experten

Auch Konferenzgastgeber Emmanuel Macron setzte sich in seiner Schlussrede für die weltweit koordinierte Bekämpfung des Terrorismusgeldes ein.

Namhafte Experten sind allerdings skeptisch ob der Erfolgschancen. Der deutsche Politologe Peter Neumann erklärte in Interviews, seit 2001 seien nur 60 Millionen Dollar an Terrorgeldern konfisziert worden – ein Bruchteil des IS-Budgets von zeitweise bis zu drei Milliarden Dollar. Gerade in Europa, so Neumann, seien die Attentäter nicht auf Überweisungen der "Organisation" angewiesen, sondern handelten auf eigene Faust. Für den Lastwagenanschlag von Nizza im Jahr 2016 seien kaum 1000 Euro nötig gewesen.

Wenig Geld für Anschläge

Auch Molins räumte ein, die schweren Anschläge von 2015 hätten nur 25.000 Euro (gegen Charlie Hebdo) und 80.000 Euro (gegen das Bataclan-Lokal) "gekostet". Solche Beträge hätten die kleinkriminellen Attentäter durch Drogenhandel rasch zusammengebracht – gemäß der neuen, zum Teil auch der Not gehorchenden "Philosophie" von IS, dass ihre schlafenden Agenten und Mitläufer in westlichen Ländern zunehmend selbstständig handeln sollten.

Weniger offen kam in Paris die Terrorfinanzierung aus den Golfstaaten zur Sprache. Die Anwesenheit von Delegationen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Konferenz wurde von französischen Diplomaten als Beleg dafür gewertet, dass sie gewillt sind, die Geldflüsse über saudische und andere Banken noch stärker als bisher zu kontrollieren und einzudämmen. (Stefan Brändle aus Paris, 26.4.2018)