Wie schnell doch die Zeit vergeht: Im Jahr 2010, als viele Konzerne mit der Entwicklung von neuen autonomen Fahrzeugen begonnen hatten, hat noch kaum jemand von den gesellschaftlichen Umwälzungen gesprochen, die diese Technologie mit sich bringt, wenn uns fahrerlose Autos abholen und am Zielort in zweiter Spur kurz parken, um uns aussteigen zu lassen. Heute vergeht kaum ein Tag, an dem auf Technologiekonferenzen das Thema nicht besprochen wird – wohl auch deshalb, weil die Automatisierung insgesamt zur großen Frage für die Zukunft der Gesellschaft geworden ist. Wie wird künstliche Intelligenz unsere Arbeitsprozesse beeinflussen, sind wir im Berufsleben durch einen Algorithmus ersetzbar?

Allerorts ist zu hören: Man könne die Automatisierung nicht aufhalten, sondern nur bestmöglich für die eigenen Zwecke nutzen. Und: Alles wird eine Spur bequemer, vielleicht umweltschonender, in jedem Fall werden wir uns besser qualifizieren müssen, um Jobs zu bekommen. Anders gesagt: Ein autonomes Fahrzeug braucht keinen Fahrer, sondern einen Supervisor, der die Fahrt kontrolliert und Kenntnisse in IT und Datensicherheit hat.

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Autoverkehr auf dem Highway Richtung Downtown Los Angeles: Experten halten es für falsch, von der Einführung des autonomen Fahrens allein eine Reduktion des Straßenverkehrs zu erwarten.
Foto: Reuters/Blake

Auch bei der zuletzt in Wien stattgefundenen Großkonferenz Transport Research Arena (TRA) 2018 ging es natürlich um diese Themen. Die Veranstalter – das Verkehrsministerium, der Austriatech, ein Tochterunternehmen des Ministeriums, und das Austrian Institute of Technology (AIT) – legten Wert auf diesen Fokus. So prophezeite Karl-Heinz Leitner, Senior Scientist am AIT, große Veränderungen an jenem Arbeitsmarkt, der Berufe aus dem weiten Feld der Mobilität betrifft. Es werde vor allem Berufe geben, die höhere Qualifikationen erfordern, meint der Innovationsexperte, neue Jobs, die man sich heute noch nicht wirklich vorstellen kann. Gut ausgebildete Automechaniker hätten heute schon Kenntnisse über die Bedienung von Kleincomputern im Fahrzeug. In Zukunft würden sich die Schwerpunkte ihrer Arbeit auf die Instandhaltung der Automatisierung verlegen. Laut Leitner wird es auch Manager des Verkehrsflusses geben müssen, die Fachwissen über Data und Cyber Security brauchen, die wissen müssen, wie das allerorts integrierte Internet of Things funktioniert und welche Grenzen bei seiner Nutzung zu beachten sind.

Studie über Mobilität

Leitner und sein Forscherteam arbeiten gerade an einer Studie im Auftrag des Verkehrsministeriums über Berufsbilder und Chancen für Beschäftigung in der automatisierten Mobilität. Im Juni wird die Studie fertiggestellt, die Forscher beschreiben das Zukunftsszenario von 2040. Eines ist für Leitner sicher: "Man wird neue Curricula brauchen, um neuen Anforderungen gerecht zu werden." 2040 ist ein ganz bewusst gewählter Zeitpunkt: Einerseits werde die Technologie in einem rasanten Tempo Fortschritte machen, ist Leitner überzeugt, andererseits brauche die Gesellschaft Zeit, um sich an geänderte Bedingungen für die Mobilität zu gewöhnen, um diese auch als Vorteil anzunehmen. Denn derzeit kann man sich einen funktionierenden Stadtverkehr mit autonomen Autos nicht wirklich vorstellen, würde einen solchen als "unsicher" bezeichnen, weil die Kontrolle über das Fahren aufseiten einer Technologie liegt und nicht beim Menschen selbst. Und das, obwohl bekannt ist, dass der Fahrer und das menschliche Versagen die größte Gefahrenquelle sind. Leitner: "Um das zu begreifen, wird sich die Wahrnehmung von Risiko ändern müssen."

Interview der "Autogazette" mit Barbara Lenz.
Autogazette.de

2040 wird ein Taxi also ohne menschlichen Fahrer unterwegs sein und seine Gäste zum Beispiel von Wien zum Flughafen Schwechat bringen. Wie aber wird sich der öffentliche Verkehr ändern? Fragt dann ein Roboter in einem von Algorithmen gelenkten Zug nach dem Ticket? Leitner glaubt, dass sich hier mehr Dienstleistung durchsetzen muss. "Weil die Menschen nicht nur von Maschinen bedient werden wollen." Technisch gesehen könnte es den Roboter als Schaffner und Bordrestaurant-Kellner schon geben, sagt der Experte. Aber das, so seine Überzeugung, würden die Fahrgäste nicht akzeptieren.

Wobei es nach Ansicht vieler Forscher fast unmöglich sein dürfte, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wie wir uns in 30 Jahren in Verbindung mit dem autonomen Fahren verhalten, kann man heute beim besten Willen nicht feststellen. Vor 20, 25 Jahren dachte auch niemand, dass heute kaum jemand ohne Smartphone auskommen wird. Oft gäbe es Überraschungen, man traue den Menschen nur wenig Offenheit gegenüber neuen Technologien zu, sagt dazu die Verkehrsforscherin Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie verweist auf die zum Flughafen führende Nürnberger U-Bahn, die seit Jahren fahrerlos unterwegs ist. "Da hatte man anfangs große Sorge um die Akzeptanz, was sich als grundlos erwiesen hat."

Haltung wird optimistischer

Die Haltung der Menschen zu einer neuen Technologie würde sich selbstverständlich weiterentwickeln, sagt Lenz: Als die Forscher an ihrem Institut vor sechs Jahren begannen, sich mit autonomen Fahren zu beschäftigen, war die Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit der Technik von selbstfahrenden Auto. Leser reagierten in Foren recht skeptisch. Als es Ende März dieses Jahres zu einem Unfall mit Todesopfer kam, zeigten die Poster mit ihren Beiträgen unter den entsprechenden Artikeln immerhin Verständnis für die in Entwicklung befindliche Technologie.

Zu viele Hoffnungen sollte man nie in neue Technologien setzen: Lenz warnt davor, von der Automatisierung allein eine Reduktion des Stadtverkehrs zu erwarten. "Die wird es nicht geben, wenn man nicht gleichzeitig den öffentlichen Verkehr und auch Car-Sharing ausbaut und attraktiver macht." Sie erwähnt auch die drohende Zersiedelung von Städten. Denn: Da autonome Fahrzeuge zum Arbeiten während der Fahrt einladen, könnten vor allem Familien ins Grüne vor der Stadtgrenze ziehen. Auch damit müsste man sich dringend beschäftigen.

Auf Autobahnen schon vor 2040

Für Lenz ist noch nicht klar, ab wann die autonomen Fahrzeuge das Stadtbild prägen werden. "Auf der Autobahn werden wir das lange vor 2040 sehen", sagt die Wissenschafterin mit Bezug auf die von Leitner genannte Jahreszahl. In der Stadt selbst wird es wohl auch stark vom Preis der Autos abhängen. Wie alle Innovationen würden nämlich auch roboterbetriebene Fahrzeuge von der Oberklasse in den Markt stoßen.

Davor müsse man Klarheit über die für diese Autos nötige Infrastruktur schaffen, um, so Lenz, "nicht in die gleiche Falle wie im Falle von Elektroautos zu tappen". Es gebe heute noch relativ wenige öffentliche Ladestationen. Da mehr als die Hälfte aller Kfz-Besitzer in größeren Städten ihr Fahrzeug auf der Straße und nicht in Garagen parken, müsste ein entsprechendes Netz für das Aufladen der Batterien bereit stehen. Das gebe es aber nicht. Noch diskutiert man, welche Art von Infrastruktur autonome Fahrzeuge bräuchten. (Peter Illetschko, 28.4.2018)