Wien – Die Arbeitnehmervertreter der Sozialversicherung drohen nun im Ringen mit der Regierung offen mit Streik. "Es reicht", lautete die Botschaft am Freitag bei einer Betriebsräteversammlung in Wien. ÖVP und FPÖ agierten in der Diskussion über geplante Reformen mit "Fake-News". Kanzler Sebastian Kurz reagierte jedoch ungerührt. Wenn man 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduzieren wolle, gebe es natürlich auch Menschen, die sich aufregen: "Die Streikdrohungen, die schockieren uns daher nicht."

"Bis zum Streik sind die Kolleginnen und Kollegen dahinter, dass wir Widerstand leisten werden", sagte Michael Aichinger, oberster Betriebsrat der Wiener Gebietskrankenkasse und sozialdemokratischer Gewerkschafter. "Wir werden gegen jede völlig sinnlose und zerstörende Reform auftreten und Widerstand leisten." Bei den Regierungsplänen handle es sich um "Lohndiebstahl" und letztlich um "Pensionsdiebstahl".

Ärger über Unwahrheiten, Lob für die Medien

Besonders ärgert die Arbeitnehmervertreter, dass die Koalitionsparteien in der Debatte mit Unwahrheiten agierten. Lob gab es für die "große Anzahl an seriösen Medien", die das entkräfteten. Das System der Sozialversicherung hat sich laut Aichinger bewährt und greift "wie ein Zahnrad ins andere". 90 Prozent der Leistungen seien zudem schon harmonisiert. Regionale Unterschiede müssten auch hier Platz finden, die Autonomie der Länder gewahrt bleiben.

Der FPÖ gehe es nur darum, Macht und Einfluss zu gewinnen, was man in demokratischen Wahlen in der Sozialversicherung nicht geschafft habe, wetterte Willibald Steinkellner, stellvertretender Chef der Gewerkschaft Vida. Kurz gehe es als "Helfershelfer" hingegen um anderes: Geschenke an ein paar Unternehmen zu verteilen. Grundsätzlich wehre man sich nicht gegen Reformen im Sinne der Versicherten, gaben sich die Arbeitnehmervertreter aber auch diplomatisch. "Natürlich sind wir bereit für Diskussionen und Verbesserungen", so Steinkellner – nicht aber für "Veränderungen" im Sinne der Regierung. Gegen derartige "Schweinereien" werde man notfalls "alle Register ziehen".

Kritik an "selbsternannten Gesundheitsökonomen"

Kritik gab es auch an "selbsternannten Gesundheitsökonomen", die "mit Halbwissen Meinung bilden wollen" – wobei sich wohl etwa Ernest Pichlbauer angesprochen fühlen darf. Der Gesundheitsökonom hält die von der Regierung geplante Reform der Sozialversicherung und die Zusammenlegung der Krankenkassen für den richtigen Weg: "Ich persönlich würde noch viel weiter gehen." Alle Studien zum österreichischen Gesundheitssystem besagen laut Pichlbauer, dass dieses nicht zu dem Ergebnis führt, das man erreichen könnte, und zwar seit Jahrzehnten. "Das österreichische Gesundheitswesen zeigt das Bild beachtlicher Verschiedenheit durch unterschiedlichste Träger, wodurch eine überregionale Zusammenarbeit zugunsten von 'Eigeninteressen' behindert wird." (APA, 27.4.2017)