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Mit seinem ironisch-überspitzten Gemälde "Der arme Poet" (1839) wies der Maler Carl Spitzweg früh auf die Existenz eines Kulturprekariats hin.

A. Koch/Interfoto/Picturedesk

Mit seinem Bild Der arme Poet stieß der Maler Carl Spitzweg bei seinen Zeitgenossen auf Unverständnis. Einem Künstler, dachte man 1839, gebühre nur dann ein öffentlicher Platz, wenn er triumphierend vom Marmorsockel herabblicke. Die ironische Darstellung vom erfolglosen Literaten, der in seiner schäbigen Dachstube einen Schirm braucht, um nicht nass zu werden, schien unwürdig. Bis heute hat sich an diesem Blick auf den Berufsstand wenig geändert. Das geflügelte Wort von der brotlosen Kunst wurde allenfalls romantisiert.

Als "arm, aber sexy" tituliert sich etwa gern die Stadt Berlin, Mekka für bildende Künstler aus aller Welt. Rund 8.000 sind es laut einer aktuellen Studie. Wenig sexy: Nur jeder zehnte Kunstschaffende kann von seiner Arbeit leben. Bei 80 Prozent reichen die Einkünfte nicht einmal, um die Materialkosten zu decken.

Im Durchschnitt verdienen Berliner Künstler 11.600 Euro im Jahr, Frauen deutlich weniger: 8.400 Euro. Dieser "Gender-Pay-Gap" ist im Unterschied zu 2011 sogar noch größer geworden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind im Kulturbetrieb keine Ausnahme, sondern die Regel. Das zeigen auch Studien aus Österreich.

Leben an der Armutsgrenze

Die Einkommen der Künstler, darunter Musiker, Schriftsteller, Schauspieler, wurden hierzulande zuletzt 2008 erhoben. Damals verdiente der Durchschnitt gerade einmal 4.500 Euro pro Jahr aus künstlerischer Tätigkeit. Drei Viertel der Befragten müssen daher durch weitere Jobs aufstocken. Im Schnitt schaffen es die Künstler so auf knapp 1.000 Euro monatlich – ein Leben an der Armutsgrenze, trotz statistischer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden.

"Im Vergleich zu anderen Branchen gibt es im Kulturbereich ein extremes Einkommensgefälle zwischen einzelnen Topstars und der breiten Mehrheit", sagt Clemens Christl, der im Auftrag der Arbeiterkammer die jüngste Untersuchung zum Thema durchgeführt hat. Ein großes Problem bestehe darin, dass sich bei Künstlern kurze Anstellungsverhältnisse und Engagements in (Schein-)Selbstständigkeit permanent abwechseln. Durch diese Diskontinuität kämen viele nicht auf die erforderlichen Beschäftigungszeiten, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. Das sei nur ein Problem unter vielen.

Betrachtet man die gesamte Branche, so zieht vor allem die fehlende Inflationsanpassung von öffentlichen Förderungen dramatische Folgen nach sich. Wenn die Subvention von Jahr zu Jahr weniger wert ist, wird das vielfach auf dem Rücken der Künstler ausgetragen. Hart trifft das auch jene Kulturarbeiter, die nicht selbst Kunst schaffen, aber abseits der großen_Show für das Funktionieren der Branche sorgen.

"Die Diskrepanz wird immer drastischer", meint Wolfgang Zinggl von der Liste Pilz. Es sei nicht nachvollziehbar, dass etwa die Direktorin des Technischen Museums "mehr verdient als der Bundeskanzler, doppelt so viel wie der Direktor des Louvre und dreimal so viel wie der Direktor des Deutschen Museums, während die restlichen Museumsmitarbeiter Reallohnbußen hinnehmen müssen und seit 17 Jahren auf einen Kollektivvertrag warten."

Offener Brief als Kampfmaßnahme

In einem offenen Brief, der dem STANDARD übermittelt wurde, fordern die Betriebsräte der Albertina, des Belvedere, des Mumok, des Mak, der Nationalbibliothek und des Technischen Museums "anlässlich des ersten Mai" die Politik zu Verhandlungen auf. Medien, heißt es in dem Schreiben außerdem, würden sich für die Bundesmuseen einzig zur Event- und Wohlfühlberichterstattung" interessieren.

Dass der ausschließliche Blick auf die Stars der Kunstwelt so manchen Missstand verdeckt, hätte seinerzeit vielleicht auch Carl Spitzweg unterschrieben. (Stefan Weiss, 27.4.2018)