Direktorin Karin Bergmann und der kaufmännische Geschäftsführer Thomas Königstorfer bei der Pressekonferenz am Freitag.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Bergmann: Man blicke heute auf wohlgefüllte Bankkonten.

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Wien – Für ihre unwiderruflich letzte Spielzeit 2018/19 hat Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann sich ihr Motto bei Autorin Miroslava Svolikova ausgeborgt. "Karneval der Wirklichkeit" meint eine politische Situation, in der "die Perspektive sich gedreht hat" (Bergmann).

Wer in Österreich "die Republik" bilde, das habe der Wähler im Herbst 2017 an den Urnen entschieden. Ein Theaterhaus wie die "Burg" könne auf komplizierte Fragen bloß "komplexe Antworten" liefern, hieß es auf der Programmpressekonferenz.

Und so ließ sich Bergmann den Hinweis nicht nehmen, dass sie ihre politische Privatmeinung nicht "auf die Bühne" gebracht wissen wolle. Was eine aufrechte Haltung, ohne Rücksicht auf populistische Simplifikationen, naturgemäß nicht ausschließt.

Überrascht von "Dimension"

Als sie vor vier Jahren das Amt der Burgtheater-Direktorin übernommen hatte, sei sie von der "Dimension" des Postens überrascht worden. Heute, vor Absolvierung ihrer Schluss- und Ehrenrunde, zieht Bergmann gemeinsam mit Geschäftsführer Thomas Königstorfer rundum zufrieden Bilanz.

Von den vorgefundenen sechs Millionen Euro Schulden sei nichts mehr übrig; man blicke heute auf wohlgefüllte Bankkonten. Die Ticketeinnahmen beliefen sich zuletzt auf 9,4 Millionen Euro. Die Auslastung betrug im Vorjahr 77 Prozent, was einer Besucherzahl von 390.000 Menschen entspricht.

Die Abschiedssaison 2018/19 gleicht einer selbstbewussten Engführung der erarbeiteten Schwerpunkte und Vorlieben. Zum Spielzeitauftakt entreißt man nicht nur Bernard-Marie Koltès' "Kampf des Negers und der Hunde" dem langsam einsetzenden Vergessen. Nach der Übernahme der Romandramatisierung von David Grossmanns "Kommt ein Pferd in die Bar" (aus Salzburg) wird Bastian Kraft den von Klaus Mann als Künstlerroman getarnten Warnhinweis "Mephisto" auf die Burg-Bühne bringen.

Horváths "Glaube Liebe Hoffnung"

Michael Thalheimer verabschiedet sich mit Horváths vielgespieltem Volksstück "Glaube Liebe Hoffnung" aus Wien. Regisseur Georg Schmiedleitner bürstet die Politfarce "Der Kandidat" (Carl Sternheim nach Flaubert) im Akademietheater gegen den Strich.

Pünktlich zu Weihnachten kredenzt Barbara Frey die Ayckbourn-Komödie "Schöne Bescherungen" im Haupthaus. Bereits im November erinnert Puppenmagier Nikolaus Habjan an Werner Schwabs Fäkaliendrama "Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos" (Akademietheater).

Simon Stone überschreibt diesmal "Medea" nach Euripides im Großen Haus. Claus Peymann, der im Herbst seiner tumultuösen Karriere nunmehr als freier Regisseur arbeitet, nimmt sich Ionescos "Die Stühle" vor (Akademietheater). Nach dem exzentrischen Jazz-und-Bar-Drama "Zu der Zeit der Königinmutter" des aus dem Kongo gebürtigen Grazers Fiston Mwanza Mujila liefert Andrea Breth eine Inszenierung des groß dimensionierten Naturalismus-Klassikers "Die Ratten" von Gerhart Hauptmann (Burgtheater, März 2019).

"Indigo" und "Woyzeck"

Jan Bosse übersetzt Clemens J. Setz für das Theater ("Indigo", Akademietheater), ehe dann Johan Simons den Büchner'schen "Woyzeck" inszeniert. Herbert Fritschs Projekt "Das Zelt" soll die "wahnwitzige Reise auf einen temporären Campingplatz" simulieren. Die letzten Worte auf der Bühne gehören dann Diskurs-Dompteur René Pollesch ("Deponie Highfield (AT)", Mai 2019, Akademietheater).

Karin Bergmanns trockenes Understatement löste schon jetzt leise nostalgische Gefühle aus. Von einer "Ära" möchte sie mit Blick auf Wirken eher nicht sprechen. Prachtjubelbände und andere Formen der Selbstbeweihräucherung scheint sie überhaupt vermeiden zu wollen.

Erste Absprachen mit Nachfolger

Eher schon freut sich Bergmann über die Früchte erster Absprachen mit Nachfolger Martin Kušej. Eine Reihe von Arbeiten dürfte dieser, aus München kommend, in sein Repertoire übernehmen. Und wer kommende Saison an einem der unvermeidlichen Schließtage trotzdem noch Lust auf die Burg verspürt, der wird zu Doppelconférencen eingeladen. Harald Schmidt und Michael Niavarani bewerfen einander mit Pointen. (Ronald Pohl, 27.4.2018)