Südkoreas Präsident Moon Jae-in (links) und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un in der demilitarisierten Zone.

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Moon Jae-in und Kim Jong-un umarmten sich nach dem Treffen.

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Der erste innerkoreanische Gipfel seit elf Jahren ging mit einem gehörigen Paukenschlag zu Ende: Beide Seiten erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme ihren Willen zur vollständigen nuklearen Abrüstung auf der Koreanischen Halbinsel. Militärische Feindseligkeiten und Propaganda an der Grenze sollen mit 1. Mai eingestellt, humanitäre Austauschprojekte wiederaufgenommen werden. "Es gibt jetzt kein Zurück mehr, eine neue Ära des Friedens hat begonnen", sagte Südkoreas Präsident Moon Jae-in. Dann wurde er von einem lächelnden Kim Jong-un umarmt – ein ikonisches Bild, das wohl in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Überhaupt war das Aufeinandertreffen der beiden im Grenzort Panmunjeom symbolisch aufgeladen. Als sich beide Staatschefs in der Zwischenpause zum Tee auf einer Bank trafen, lauschte ein geradezu bescheiden wirkender Kim aufmerksam den Ausführungen des nahezu doppelt so alten Moons. Überhaupt wurde seine Stimme von den meisten Südkoreanern noch nie vernommen: "Kim Jong-un ist so alt wie ich, aber er klingt wie mein alter Onkel", schreibt eine Twitter-Userin.

Fast einhellige Freude

Einige NGOs bedauerten zwar, dass das Thema Menschenrechte bei dem achteinhalbstündigen Treffen nicht zur Sprache kam. Andere kritisierten, dass die Stellungnahme von Kim und Moon bei der Abrüstungsfrage nicht konkret genug wurde. Doch war der Tag für die beiden Koreas zweifelsohne ein historischer.

"Als ich den gemeinsamen Handschlag zwischen Moon und Kim gesehen habe, hat mich das zutiefst gerührt", sagt Kim Yeon-gyeong. Die 52-jährige bei einer Marketingfirma Angestellte hat sich an diesem frühlingshaften Morgen von ihrem Chef freistellen lassen, ihr Auto in der Garage der Seouler Innenstadt geparkt und ist auf den Rathausplatz gerannt. Dort wurde das Gipfeltreffen auf einem riesigen Bildschirm gezeigt.

Und dann spricht sie, die bekennende Linke, Lob für einen US-Präsidenten aus, den sie kürzlich noch zutiefst abgelehnt hat. "So sehr ich Barack Obama ansonsten respektiere, für Korea hat er acht Jahre lang nichts gemacht. Donald Trump hingegen ist kein typischer Imperialist, sondern ein pragmatischer Geschäftsmann. Wenn er mit Kim einen Deal herausschlagen kann, dann wird er das tun". Ohne Frage trägt Trumps Sanktionspolitik dazu bei, dass Nordkorea sich nun an den Verhandlungstisch bewegt. Kim hat – im Gegensatz zu seinem Vater Kim Jong-il oder Großvater Kim Il-sung – seiner Bevölkerung früh wirtschaftlichen Aufschwung versprochen. Dieses Versprechen kann er nur einlösen, wenn die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Ohne Abrüstung wird dies jedoch nicht geschehen.

Diplomatisches Geschick

Vor allem aber ist das innerkoreanische Tauwetter dem diplomatischen Geschick des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in zu verdanken. Der 65-Jährige hat als Vermittler zwischen den zwei ideologischen Feinden in Washington und Pjöngjang fungiert – ohne ihn wären die jüngsten Entwicklungen nicht denkbar. Vor allem auch, weil er mit seiner konsequenten Haltung – Gesprächsbereitschaft, aber Festhalten an Sanktionen – das Vertrauen der Nordkoreaner erhielt.

Doch nicht jeder Südkoreaner ist über das Gipfeltreffen erfreut. "Ich habe all das schon einmal erlebt, die letzte Annäherung endete in einem Desaster. Nordkorea kann ich nicht mehr über den Weg trauen", sagt Lee A-hyeon, eine Hausfrau Anfang 50. Wie sie sind hunderte Südkoreaner ins Stadtzentrum gezogen, um gegen das Gipfeltreffen zu demonstrieren.

Lee Bum-ki (51), Angestellte, sagt: "Heute gibt es nichts anderes zu sagen, als dass es ein guter Tag war." Ob er sogar von einer Wiedervereinigung träumt? "Das wird wohl erst die nächste Generation erleben. Heute sind die Unterschiede noch zu stark." (Fabian Kretschmer aus Seoul, 27.4.2018)