Kim Jong-un sucht Erleichterung von den Sanktionen. Echte Zugeständnisse kann er dafür gar nicht machen.

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Die Nachrichten vom als historisch gefeierten Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea sind in Wirklichkeit beunruhigend: Es gibt keinen Grund zu glauben, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un tatsächlich an einem nachhaltigen Frieden interessiert ist und dafür echte Zugeständnisse machen wird.

Das liegt nicht nur an der Persönlichkeit Kims, der seinen Onkel und seinen Bruder töten ließ, Dutzende andere Parteigänger auf dem Gewissen hat und die grausamste Diktatur der Welt betreibt. Kim ist ein loyaler Erbe seines Großvaters und Vaters, die ebenfalls atomare Abrüstung versprochen und dann all diese Versprechen kaltblütig gebrochen haben. Und in allen Erklärungen, die Kim rund um sein Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in gemacht hat, ist kein einziges Zugeständnis, das ihn etwas kosten und oder ihn zu etwas verpflichten würde.

Kims Zugeständnisse sind Augenauswischerei

Kim ist ein hervorragender Taschenspieler. Die Schließung eines Atomtestareals zu verkünden, das ohnehin nicht mehr benötigt wird, während zwei weitere offen bleiben, ist reine Augenauswischerei.

Aber selbst wenn man an Kims Friedenswillen glauben will, muss man verstehen, dass ein Frieden, ja sogar auch nur ein anhaltendes Tauwetter zwischen Nord- und Südkorea nicht möglich ist. Das Regime der Kim-Dynastie würden eine solche Entspannung nicht überleben. Und Kim weiß das nur zu gut.

Er braucht die Abschottung

Denn die brutale Diktatur in Nordkorea, die die Bevölkerung in bitterer Armut hält, braucht die Abschottung vom Süden. Je mehr die Menschen über den Wohlstand und die Freiheiten in Südkorea erfahren, desto weniger werden sie das eigene Elend akzeptieren. Das war schon das Dilemma der DDR während der der Ostpolitik, die deshalb trotz sanfter Öffnung ab den 1970er-Jahren besonders repressiv blieb. Doch das Regime von Erich Honecker hatte die Sowjetunion im Rücken. Kim steht allein da.

Er kann auch nicht das chinesische Modell mit marktwirtschaftlicher Öffnung und politischer Unterdrückung übernehmen. Denn dieses funktioniert nur, indem der chinesische Nationalismus ständig beschworen wird. Es gibt allerdings keine nordkoreanische Nation. Der einigende Mythos des Kim-Regimes ist der der ständigen Bedrohung durch die USA und seiner südkoreanischen Vasallen. Ohne diesen bricht die psychologische Basis der Herrschaft im Norden zusammen.

Trumps Eitelkeit ist Kims Trumpf

Kims Verhalten ist offensichtlich taktisch bedingt. Er braucht rasche Erleichterung bei den Sanktionen, die den Wohlstand der Parteielite bedrohen, und hofft die von einem pazifistisch gesinnten Staatschef in Südkorea und einem eitlen Präsidenten in den USA zu erhalten. Und die Rechnung könnte aufgehen, denn Donald Trump hat so viel persönliches Prestige in das Treffen mit Kim bereits investiert, dass er es wohl nicht scheitern lassen wird.

Vielleicht stimmt er sogar einem Rückzug der US-Armee von Südkorea zu. Dies entspricht ja seinen isolationistischen Instinkten. Dann blieben auch Japan und die anderen US-Verbündeten ohne den glaubwürdigen Schutz der Supermacht zurück; zumindest Tokio würde dann die eigene nukleare Aufrüstung betreiben.

Atomwaffen sind die Lebensversicherung

Und Kim wird im Gegenzug sicher nicht auf seine Atomwaffen verzichten, denn die sind die Lebensversicherung seines Regimes. Und beim ersten Zeichen des Widerstands unter seinen gequälten Untertanen würde er diesen brutal niederschlagen und damit die Entspannung mit dem Süden wieder zunichte machen. Er kann gar nicht anders, denn seine Herrschaft steht auf viel zu brüchigen Beinen.

Diese Friedensepisode kann nur mit einer Enttäuschung oder einer Katastrophe enden. Dass die USA dieses Risiko eingehen, ist erschreckend, und zeigt, wie gefährlich die Trump-Präsidentschaft für Asien und die Welt ist. Als verbaler Säbelrassler war Trump irritierend; als dilettantischer Diplomat ist er eine echte Bedrohung. (Eric Frey, 29.4.2018)