Protestveranstaltung der Belegschaft des Unfallkrankenhauses Meidling gegen die Pläne von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein: Sie erhalten Rückendeckung von Verfassungsrichtern.

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Wien – Die Pläne der Bundesregierung zur Reduktion der 21 Sozialversicherungsträger auf fünf und zur möglichen Auflösung oder maßgeblichen Änderung der Aufgaben der Allgemeinen Unfall-Versicherungsanstalt (AUVA) berühren den Kern der beruflichen und der sozialen Selbstverwaltung, die verfassungsgesetzlich geschützt und seit 1848 gesetzlich umgesetzt ist.

Das gilt auch für die Überlegungen, an der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern zu rütteln oder zumindest die Beiträge deutlich zu reduzieren. All diese Pläne stoßen gleich mehrfach an die Grenzen der Bundesverfassung.

Hier geht es einerseits um die seit 2008 im Bundesverfassungsgesetz festgeschriebene Anerkennung der Sozialpartner durch die Republik (Art 120a B-VG) sowie die Grundsätze der Autonomie in der "sonstigen" Selbstverwaltung – in Abgrenzung zu Gemeinden und Universitäten, für die andere Regeln gelten. Aber verfassungsrechtlich sind auch die existierenden Strukturen der Kammern und deren Organisationsmodell vor Eingriffen des einfachen Gesetzgebers geschützt (VfGH 23. 6. 2014, G 87/2013).

Demokratisch und verfassungskonform

Es spricht zwar nichts gegen sachlich begründete Reformen, die zu mehr Effizienz führen, aber sehr wohl gegen allzu radikale Umbaupläne. Explizit steht im B-VG, dass der Bestellungsmodus der Organe demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Das derzeitige, indirekte Modell der Sozialversicherungsträger – gewählte Organe der Arbeiterkammern und Wirtschaftskammern bestellen die SV-Organe – ist zwar nicht in Stein gemeißelt, wurde aber vom Verfassungsgerichtshof als demokratisch und verfassungskonform anerkannt.

Möglich wäre auch eine Direktwahl der Organe, wie sie etwa der Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal vorgeschlagen hat; hingegen wäre ein Wechsel zu autokratischer Besetzung verfassungswidrig. Es ist nach geltender Rechtslage ausreichend, wenn Verfassung und Gesetze die SV-Träger zu Sparsamkeit anhalten und der Bund eine Rechtsaufsicht hat.

Wenn Regierungsmitglieder selbst Organe ernennen oder von weisungsgebundenen Gremien bestellen lassen bzw. auf Einrichtungen oder konkrete Maßnahmen der SV-Träger durchgreifen, wäre dies ein Eingriff in die Autonomie und daher verfassungswidrig.

Auch die Zusammenlegung ist nicht unbegrenzt möglich. In der sozialen Selbstverwaltung hat ein einzelner SV-Träger zwar keine explizite Bestandsgarantie, aber das System insgesamt ist abgesichert. Zudem müssen Neuverteilungen der Aufgaben dem Gleichheitssatz entsprechen. Angesichts der Grundsätze der VfGH-Rechtsprechung sind nur sachkonforme Zusammenlegungen gestattet, so 2002 die Verschmelzung der Pensionsversicherungsträger der Arbeiter und Angestellten.

Aber ob es sachlich gerechtfertigt ist, Beamte und Bauern sowie Vorarlberger und Burgenländer in einem bundesweiten Krankenversicherungsträger zu vereinen, ist höchst fraglich – da auch die Steigerung der Effizienz angezweifelt wird. Westösterreich lebt gesünder und vorsorgeorientiert, daher wäre die Zusammenlegung in regionaler Hinsicht kein Vorteil.

Kein Grund für AUVA-Umbau

Dasselbe gilt für die AUVA mit ihrer 130-jährigen Tradition. Es gibt keinen sachlichen Grund, gerade diese Einrichtung, die ja bei der betrieblichen Unfallversicherung ein Alleinstellungsmerkmal hat, zu eliminieren. Zu erklären, wie dies die Sozialministerin mehrmals getan hat, dass die Unfallkrankenanstalten ja ohnehin erhalten bleiben, genügt nicht.

Wenn der Staat der AUVA die Krankenhäuser wegnimmt, wäre dies ein Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie. Und die Aufgaben der AUVA an einen anderen Träger zu übertragen oder einen neuen Träger zu gründen wäre ebenfalls unberechtigt. Eine effiziente Erfüllung der betrieblichen Unfallversicherung wird nach allen Erfahrungen am besten von der AUVA geleistet. Das sichert sie verfassungsrechtlich ab. (Gerhard Strejcek, 30.4.2018)