Für Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (rechts) war es der erste Maiaufmarsch als Wiener SPÖ-Chef, für Michael Häupl der letzte als Bürgermeister.

Foto: Robert Newald

"Danke Michl, Hoppauf Michi", las man auf den Schildern der SPÖ Ottakring.

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Per Bimmelzug ging es für die betagteren SPÖ-Anhänger von Ottakring zum Rathausplatz.

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Musikalisch wurde der Zug der SPÖ Ottakring etwa von der MusikarbeiterInnenkapelle begleitet.

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Protestiert wurde für den Erhalt der AUVA ...

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... und gegen die Bundesregierung.

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DER STANDARD

Wien – "Das mit der Zugabe funktioniert nicht. Ich bin kein Kabarettist und auch ganz sicher kein Pop-Sänger", sagte Wiens Bürgermeister Michael Häupl am Dienstag sichtlich gerührt auf dem Rathausplatz. Für Häupl war es der letzte Maiaufmarsch der SPÖ, bei dem er von der Festbühne aus mit rotem Winktuch die einziehenden Bezirke begrüßte. Am 24. Mai übergibt er das Bürgermeisteramt an Michael Ludwig.

Häupls Abschiedsrede folgten minutenlanger Applaus und Zugaberufe von den – laut Angaben der SPÖ – rund 120.000 Besuchern der Abschlusskundgebung zum Tag der Arbeit. Die Folge: Häupl musste zweimal ans Rednerpult zurückkehren und erklärte dort, er fühle sich, als stehe er "knapp vor der sozialdemokratischen Seligsprechung".

Häupls Rückzug aus der Stadtregierung dominierte die Maifeiern. Dieser wollte jedoch nichts von Abschied hören: "Ich übergebe in drei Wochen meine Funktion, und das ist gut so. Aber ich verabschiede mich nicht, ich werde immer politisch bleiben." Zwar werde er nicht "Balkonmuppet spielen", aber sich zeitlebens "Tag und Nacht" für die politischen Grundsätze einsetzen, die er auch als Bürgermeister vertreten habe. "Ich bin bei euch, und ihr seid in meinem Herzen", versprach Häupl.

Michael Häupls Abschiedsrede.
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Dafür wurde er gefeiert. Auf den Schildern seiner Bezirksorganisation Ottakring war "Danke Michl" zu lesen. Auf einem Plakat im Zug des 16. Bezirks fand sich Häupls Abbild gar neben den Konterfeis von Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir Iljitsch Lenin mit dem Satz "Antifa Häupl Ultras Wien".

"Niemand kann von mir verlangen, dass ich mich plötzlich aus der Politik völlig absentiere", sagt Michael Häupl vor 120.000 Menschen zum Abschied.
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Huldigung einer "Legende"

Auch der SPÖ-Bundesparteichef Christian Kern würdigte den scheidenden Bürgermeister. Dieser sei "schon zu Lebzeiten eine Legende", habe eine "Ära in der Stadt geprägt" und sei für gleich mehrere Generationen politischer Aktivisten und SPÖ-Mitglieder ein Vorbild gewesen. "Du hast vielen gezeigt, wofür es sich auszahlt aufzustehen", betonte Kern.

Neben der Huldigung Häupls dominierte die Kritik an der türkis-blauen Bundesregierung den Maiaufmarsch. Derzeit wehe Österreich ein "sehr kalter Wind" aus dem Kanzleramt entgegen, sagte Häupl. Dem "Gespenst des Neonationalismus und Populismus, welches durch Europa zieht", müsse die Partei entschieden entgegentreten. Denn die SPÖ sei ein Garant für eine Gesellschaft des Zusammenhalts und Miteinanders.

Kritik an ÖVP und FPÖ

Laut Kern kann die SPÖ "nicht wegschauen", wenn in Österreich Antisemitismus wieder Auftrieb habe: "Wir müssen der Fratze des Antisemitismus entgegentreten." Dank sprach Kern dem Mauthausen-Komitee aus, das keine FPÖ-Politiker zur Befreiungsfeier eingeladen hatte. Die Blauen hätten "sich selbst ausgeladen, indem sie rechtsradikale Zeitungen finanzieren, die KZ-Insassen als Landplage bezeichnet haben".

Christian Kern kritisiert die Regierung.
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Kern gelobte Besserung. Er bekomme oft den Rat, über die Regierung nicht immer nur herzuziehen, weshalb er sich bei der Regierung "in aller Form für die Rekordbeteiligung hier am Rathausplatz" bedankte, bevor er gegen Kürzungen im Sozial- und Gesundheitssystem wetterte: "Ich will nicht, dass man künftig beim Besuch eines Krankenhauses statt der E-Card eine Kreditkarte braucht." Auch "Verschlechterungen in der Arbeitswelt" wolle man nicht hinnehmen. Auch nicht, dass die Regierung versuche, den Achtstundentag zu "schreddern" und die Sozialversicherung zu "verschrotten".

Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig schlug in eine ähnliche Kerbe: "Der 1. Mai ist ein Kampftag. Wir müssen eng zusammenrücken. Es braucht mehr gelebte Solidarität", erklärte der designierte Bürgermeister. Die Bundesregierung habe "es auf Wien abgesehen". Doch: "Wir lassen uns unsere Stadt nicht kaputtmachen."

Kritik von Ludwig

Die SPÖ befinde sich an der Seite der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft, wenn es darum gehe, "die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten". Wien stehe vor "starken Herausforderungen" und "großen Umwälzungen in der Arbeitswelt", denen er sich widmen werde, um Wien zur "Digitalisierungshauptstadt Europas" zu machen. Ludwigs Anhänger aus seinem Bezirk Floridsdorf kamen in roten Fußballdressen mit der Aufschrift "Michi 2.0".

Michael Ludwig feierte Premiere.
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Für Ludwig war es der erste Auftritt bei den Maifeiern als SPÖ-Chef. Er hatte Ende Jänner die Kampfabstimmung für sich entschieden, weshalb am Rathausplatz auch immer wieder betont wurde, die SPÖ stehe nun geeint hinter dem gemeinsamen Vorsitzenden.

"Wie die Sonne heute scheint, scheint auch unser Herz", freute sich die Wiener Parteisekretärin Barbara Novak. In der SPÖ gebe es auch nach dem 27. Jänner "ganz viel Solidarität", die Partei stehe "gemeinsam" und solidarisch zusammen.

Unruhige Zeiten in der SPÖ

Wie immer bei Übergangssituationen sei es unruhig gewesen, das werde sich ändern, wenn "der neue Michael sein Team zusammen hat. Ich bin zufrieden", beurteilte die Ottakringerin Ilse die Situation in der Wiener SPÖ. Ludwig wurde auf Ottakring-Plakaten mit "Hoppauf Michi" begrüßt. "Michael Ludwig ist der Einzige, der die SPÖ zusammenhalten kann und keineswegs eine rechte Politik macht", sagte der Historiker Gerhard Botz von der Uni Wien.

Kritik kam von der Sektion 11 in Neubau: "Wir meißeln's euch in Stein: 50 Prozent Frauenquote", stand auf ihrem Transparent als Anspielung auf Ludwigs Aussage, es sei nicht in Stein gemeißelt, dass die Hälfte der Stadträte weiblich sein wird.

"Wir haben in den vergangenen Jahren schon genug reaktionäre SPÖ erlebt und erleben gerade in Wien wieder solche Tendenzen", kritisierte Max Wehsely vom Verband Sozialistischer Studenten. Die SPÖ-Jugend marschierte mit einem Transparent mit dem Slogan "Statt Alkoholverbot und Mehrzweckhalle ein Wien für alle". Denn ein "Alkoholverbot ist keine solidarische Politik für die Stadt", so Wehsely: "Auch Mehrzweckhallen und Supergreißler werden die sozialen Fragen in der Stadt nicht lösen."

Zeichen der Unzufriedenheit

Für Altkanzler Franz Vranitzky geht es in erster Linie darum, "ein Zeichen für die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung" zu setzen. "Für die SPÖ ist der Schritt von der Regierung in die Opposition ein wichtiger Schritt, ein nicht einfacher, den wir in vieler Hinsicht erst lernen müssen. Aber mit ist lieber, eine Partei stellt sich um und modernisiert sich, als jemand, der vom Boulevard und von Fernsehauftritten lebt", kritisierte Vranitzky am Rande des Maiaufmarschs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Es sei wichtig, dass sich die SPÖ sage: "So sind wir nicht. So werden wir nie sein. Ich gehe davon aus, dass viele Bürger sich auf das Fundament Sozialdemokratie eher verlassen als die vom Verzückungsparolen des Boulevards für den Bundeskanzler." (Oona Kroisleitner, 1.5.2018)