Totgesagte leben länger: Die von Reinhard Mey 1974 in Es gibt keine Maikäfer mehr beklagten Insekten geben immer heftigere Lebenszeichen von sich: In den Donau-Auen nahe Tulln hängen sie seit Mitte April zu Tausenden in den Bäumen und stärken sich an den jungen Trieben, um genügend Energie für die Fortpflanzung zu haben.

Maikäfer gehören zur Familie der Blatthornkäfer (Scarabaeidae), und es gibt insgesamt drei Arten in Österreich: den "gewöhnlichen" oder Feldmaikäfer, der auf den wissenschaftlichen Namen Melolontha melolontha hört, den ganz ähnlich aussehenden, aber viel selteneren Waldmaikäfer Melolontha hippocastani und dann noch Melolontha pectoralis, der so selten ist, dass er nicht einmal einen deutschen Namen hat. Die Larven des Feldmaikäfers findet man am ehesten in Feldern, auf Wiesen und in Gärten, während die Nachkommenschaft des Waldmaikäfers vorwiegend im Waldboden anzutreffen ist. Der Waldmaikäfer kommt in Zentraleuropa vor; die Verbreitung des Feldmaikäfers geht bis nach Skandinavien und Sibirien.

Maikäfer in der Tullner Au: Ein Melolontha-hippocastani-Weibchen hängt am Baum. Sie ist an der kurzen, gefächerten Fühlerkeule gut erkennbar.
Foto: Dostal

Davon abgesehen unterscheiden sich die Lebensweisen der beiden Arten nicht wesentlich: Aus rund 30 Zentimeter tief im Boden abgelegten Eiern schlüpfen nach etwa einem Monat die typischen Blatthornkäferlarven, besser bekannt als Engerlinge: Bis auf die braune Kopfkapsel und die sechs Beine am vorderen Körperende sind sie weiß und weisen eine auffällige Körperkrümmung auf. Je nach Witterung brauchen die Engerlinge drei bis vier Jahre, um sich zum erwachsenen Käfer zu entwickeln. In dieser Zeit häuten sie sich mehrmals und ernähren sich von immer dickeren Wurzeln.

Am Ende dieser Entwicklung sind sie immerhin vier Zentimeter lang. Im Spätsommer legen sie eine kleine Höhlung im Boden an und verpuppen sich dort. Drei Wochen später schlüpft aus der Puppe der fertige Käfer, der jedoch noch im schützenden Boden überwintert und erst im Frühjahr an die Oberfläche kommt.

Ende der Männchen

Alle Maikäfer eines Gebietes durchlaufen diese Entwicklung so gut wie gleichzeitig, das heißt, innerhalb weniger Wochen sind alle Tiere geschlüpft und machen sich dann zu Zehntausenden über die jungen Triebe von Bäumen her. In der Folge kommt es zur Paarung. Diese kann mehrere Stunden dauern, doch dann haben die Männchen ausgedient: Sie sterben direkt danach.

Die Weibchen hingegen fliegen vorher noch zu der Stelle, wo sie aus dem Boden geschlüpft sind, und legen dort ihre Eier ab, womit der Kreislauf des Maikäferlebens von neuem beginnt.

In Trauben an den Bäumen: die Maikäfer.
Foto: Dostal

Drei bis vier Jahre als Larve für einige Tage als Erwachsener und eine einzige Paarung mag uns Menschen viel Aufwand für relativ wenig Ergebnis scheinen, aber das ist eben nur unsere Sicht: "Bei vielen Käfern dient das Adult-Stadium nur der Fortpflanzung", wie Biologe Harald Schillhammer vom Naturhistorischen Museum Wien erklärt, "manche haben auch gar keine funktionierenden Mundwerkzeuge. Das eigentliche Leben spielt sich als Larve ab."

Perspektivenwechsel

Auch der adulte Maikäfer machte über die Jahrhunderte einen Perspektivenwechsel durch. So wurde er in früheren Zeiten nicht nur als Frühlings- und Fruchtbarkeitssymbol verehrt, sondern auch gerne gegessen: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts soll Maikäfersuppe vor allem in Deutschland und Frankreich ein gängiges Rezept gewesen sein – ebenso wie kandierte Maikäfer.

Lerche48 al. Werner S.

In den 1950er-Jahren war er so häufig, dass er als Plage gesehen wurde: In Österreich gab es Sammelaktionen, an denen besonders Schulkinder teilnahmen, wobei der Preis für ein Kilo Käfer 75 Groschen bis ein Schilling betrug. Die Insekten wurden dann zu Tierfutter verarbeitet: So berichtet die Wiener Rathauskorrespondenz vom 8. Mai 1951, dass in Simmering innerhalb weniger Tage 70.000 Kilo Käfer zu 20.000 Kilo eiweißreichem Schweine- und Geflügelfutter verarbeitet wurden. Heute scheint das kaum noch vorstellbar.

Dezimiert durch DDT

Dann jedoch kamen neue Insektenvertilgungsmittel – allen voran DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) – auf den Markt, die neben vielen anderen Insekten auch den Maikäfer massiv dezimierten. Erst im Laufe der 1980er-Jahre fing er an, wieder häufiger zu werden. Was für die Erholung verantwortlich war bzw. ist, ist noch unklar. Fest steht, dass es mittlerweile sogar wieder Massenauftreten wie derzeit in der Tullner Au gibt, wenn auch nicht annähernd so üppig wie 1951.

Allerdings ist es in Tulln nicht der so häufige Feldmaikäfer, der die Bäume überzieht, sondern sein bislang seltener Waldverwandter. "Seit 2006 haben wir erstmals wieder nachweislich ein Massenauftreten des Waldmaikäfers, und zwar in den Donau-Auen zwischen Wien und Tulln als einzigem Gebiet in Österreich", wie Bernhard Perny vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) ausführt. Mittlerweile hat sich die Fläche, auf der die Tiere auftreten, auch merklich vergrößert.

Profitieren von ausbleibenden Überschwemmungen

Woher die vielen Käfer gekommen sind, ist unklar, allerdings hält Perny es für wahrscheinlich, dass die relativ trockenen letzten Jahre damit zu tun haben: "Die Larven sind empfindlich gegenüber Nässe: Hoch anstehendes Grundwasser wie auch Überschwemmungen können sie in ihrer Entwicklung behindern und für hohe Ausfälle sorgen", erläutert er. "Die Engerlinge profitieren also von ausbleibenden Überschwemmungen." Für diese Theorie sprechen auch schlechte Erfahrungen in Deutschland, wo im Gefolge massiver Entwässerungen der Maikäfer zu einer echten Bedrohung für die Waldverjüngung wurde.

Und wie sieht es mit seinem Schadpotenzial hierzulande aus? "Waldbäume halten einen Kahlfraß einmal alle drei bis vier Jahre problemlos aus", wie Perny versichert, "bis Juli sind sie wieder grün." Die Notwendigkeit einer chemischen Bekämpfung der Käfer sieht der Forstwirt daher nicht: "Dafür sind die Schäden einfach zu gering." (Susanne Strnadl, 2.5.2018)

Wie sich Maikäfer unterscheiden: links der Waldmaikäfer, rechts der Feldmaikäfer.
Foto: BFW

Das Bundesforschungszentrum für Wald ist sehr interessiert an Maikäfersichtungen und bittet um Zusendungen. Dem Zentrum ist vor allem wichtig, um welche der beiden Arten es sich handelt. Beim Feldmaikäfer ist das Hinterleibsende (Pygidium) länger ausgezogen und breiter als beim Waldmaikäfer. (Susanne Strnadl, 2.5.2018)