Plastik im Meer: eine Umweltbombe, die erst nach 300 bis 400 Jahren abgebaut werden kann.

Foto: imago

Es war eine Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Internationale Medien wie CNN oder der Guardian und auch die meisten österreichischen Zeitungen berichteten über Forscher an der University of Portsmouth, die angeblich erstmals ein Enzym kreiert hatten, das in der Lage sei, Plastik effektiv abzubauen. Das Enzym, das von dem Mikroorganismus Ideonella sakaiensi produziert wird, wurde 2016 von einem japanischen Team entdeckt. Die englischen Wissenschafter wollten die Struktur erkunden und hatten das Enzym zufällig so optimiert, dass es die komplizierten und langen Polyethylenterephtalat-(PET-)Ketten schneller und besser herunterbrechen konnte.

"Was uns verwundert hat, ist, dass es in der Presse so präsentiert wurde, als wäre das eine neue Sensation, die es vorher nicht gegeben hätte", sagt Doris Ribitsch, die in Tulln für das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (kurz ACIB) an plastikabbauenden Enzymen forscht. Schon 2001 hatte ihre Forschungsgruppe im Bereich Umwelttechnologie als Erste die Aktivität von Bakterien und Pilzarten beschrieben, solche natürlichen Enzyme zu produzieren. Seither versuchen die österreichischen Wissenschafter, den Prozess gezielt auf den Abbau synthetischer PET-Moleküle umzulegen.

Nützliche Pflanzenschädlinge

Im Labor in Tulln werden dabei sogenannte Cutinasen verwendet. Enzyme, die von Pflanzenschädlingen gebildet und auch im Kompost gefunden werden können. Polymere sind lange Ketten, die aus vielen einzelnen Molekülen zusammengesetzt sind. In ihrer natürlichen Funktion brechen Cutinasen solche Polymerketten zu kürzeren Molekülen herunter. So können die Enzyme beispielsweise die dicke Pflanzenhaut namens Cuticula durchbrechen und in die Pflanzen eindringen.

Die Forscher des Comet-Zentrums, das unter anderem vom Wirtschafts- und vom Verkehrsministerium finanziert wird, entschlüsselten schon 2011 die Struktur des Cutinase-Enzyms und entwickelten eine Methode, es durch Mutationen gezielt an die abzubauende Substanz anzupassen. "Ein Enzym stellt gewisse Voraussetzungen an das Substrat. Wenn jetzt der sprichwörtliche Schlüssel nicht zur Substratoberfläche passt, weil er zu einem anderen Enzym gehört oder es noch gar kein Schloss gibt, dann muss man eines finden und bauen", so Doris Ribitsch.

Neben der passenden Schlüssel-Schloss-Optimierung arbeitet sie außerdem an der Verweilzeit der Enzyme am entsprechenden Substrat. Nimmt man beispielsweise Plastikpolymere, dann bietet deren wasserabweisende Oberfläche keine optimalen Bedingungen, lang genug daran zu binden, um das Substrat zufriedenstellend abzubauen.

Studie mit Zukunftspotenzial

Die Forscher rund um Ribitsch setzen auf Zurückhaltung. "Viele dieser äußerst interessanten und wichtigen Studien haben Zukunftspotenzial, sind jedoch noch zu weit von einer Anwendbarkeit entfernt, um zu viel versprechen zu dürfen", warnte Georg Gübitz, Leiter des Instituts, in einer Presseaussendung. Eine industrielle Umsetzung in der Zukunft sei jedoch realistisch, sobald die Geschwindigkeit des Prozesses weiter beschleunigt wird.

Die Verwendung von Plastik hat heute enorme Ausmaße angenommen: 400 Millionen Tonnen wurden im Jahre 2015 weltweit produziert. Seit der Erfindung in den 1950er-Jahren sind es insgesamt bereits 8,3 Milliarden Tonnen. Das entspricht dem Gewicht von 822.000 Eiffeltürmen.

Die Problematik hinter der Plastikkultur ergibt sich einerseits durch die langsame Abbauzeit, die Schätzungen zufolge zwischen 300 und 400 Jahren dauert, der anhaltenden Nutzung von fossilen Brennstoffen wie Erdöl in der Erzeugung und der Menge an Kunststoffen, die nicht auf Deponien, sondern in der Umwelt endet. So sollen laut Bayerischem Landesamt für Umwelt täglich über vier Tonnen Plastik in der Donau landen. Insbesondere mikroskopisch kleines Mikroplastik, das aus Alltagsprodukten wie Zahnpasta, Kleidung oder durch die Abreibung von Autoreifen ins Wasser gelangt, stellt ein großes Problem dar, weil es nicht einfach rausgefiltert werden kann und Wasserorganismen große Probleme bereitet.

Produkte niedriger Qualität

Selbst wenn das Plastik recycelt wird, wie es im Moment mit etwa 20 Prozent der Produktion geschieht, können die daraus gewonnen Stoffe nur für Produkte niedriger Qualität, wie zum Beispiel Blumenkisten, verwendet werden. Im optimierten Szenario, an dem die Forscher des ACIB arbeiten, wäre es möglich, erneut PET-Materialien der gleichen Qualität zu produzieren. Der Plastikabbau würde damit statt 300 bis 400 Jahre nur drei bis vier Wochen dauern.

Einen Schritt weiter geht die Forschung zu Biopolymeren, die Plastikstoffe schon in der Herstellung ersetzen könnten, so Doris Ribitsch. Nur so könne man aus der Einbahnstraße entkommen, in der aus fossilen Brennstoffen Materialien erzeugt werden, die nach kurzer Verwendungszeit bei ihrer Verbrennung wiederum Treibhausgase freisetzen, sagt die Wissenschafterin. (Katharina Kropshofer, 6.5.2018)