Der Unterschied war unüberhörbar. Bereits mit dem ersten Satz – "Ich stehe wohl knapp vor der sozialdemokratischen Seligsprechung" – verleitete Michael Häupl die Genossen zu mehr Gelächter als Michael Ludwig in dessen ganzer Rede zuvor. Der künftige Bürgermeister erntete zwar keine Pfiffe, aber auch kaum Applaus, der über das Pflichtmaß bei roten Maiaufmärschen hinausreicht; und dass so mancher im Publikum dem Vorgänger "Zugabe" nachrief, lässt sich durchaus als subtile Gemeinheit gegenüber dem Nachfolger interpretieren.

Unfreiwillige Komik

Keine Wuchteln, kein Esprit, kein Zug zum Tor – der "Neue" bot so gar nichts an, was die ihm a priori nicht durchgängig wohlwollend gesonnenen Massen hätte mitreißen können. Die einzige Passage, die einer Pointe nahekam: dass Ludwig das "besondere Miteinander in der Stadt" hervorhob, wo die Wiener SPÖ so gespalten wie selten zuvor ist, hatte etwas unfreiwillig Komisches an sich.

Kann so ein Mann im Bürgermeisteramt, das für wortgewaltige Volkstribunen reserviert schien, reüssieren? Vor voreiligen Prognosen sei gewarnt, denn so mancher politische Erbe ist an der Aufgabe gewachsen. Langzeitbürgermeister Häupl selbst bekam einst zu hören, dass die Fußstapfen des Vorgängers Helmut Zilks zu groß seien. Die absolute Mehrheit Erwin Prölls in Niederösterreich war laut Expertenprognosen nicht zu verteidigen, Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner gelang es dennoch. Es gab auch schon Politiker, die für den Stimmenfang vermeintlich nachteilige Eigenschaften zum Markenzeichen kultivierten – man denke etwa an Heinz Fischers Hang, jede Frage in ausgedehnten Einerseits-andererseits-Abwägungen zu erörtern.

Berechenbare Langeweile

Ob der Typus Ludwig zieht, wird auch an der Regierung liegen: Übertreibt es der Kanzler mit der Inszenierung, produziert die FPÖ wie in alten Zeiten Chaos, könnte die Nachfrage nach berechenbarer Langeweile steigen. (Gerald John, 1.5.2018)