Ungarische Zäune gegen Flüchtlinge zählen nicht zu jener Politik, die die EU mit Förderungen belohnen will.

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In einigen osteuropäischen Ländern gehen die Wogen wegen der bereits durchgesickerten Pläne für den EU-Finanzrahmen vorsorglich hoch. Ungarische Regierungsmedien nutzen die EU-Haushaltsdebatte auch für ihre schrillen Propagandafeldzüge. "Die EU-Kommission will Ungarn in jedem Fall bestrafen", titelte das Portal 888.hu am Montag. Der US-Investor George Soros sei persönlich in Brüssel vorstellig geworden, um den Ungarn EU-Geld wegzunehmen, als "Strafe" dafür, dass sie bei der Parlamentswahl am 8. April erneut Regierungschef Viktor Orbán gewählt haben.

Doch auch abseits der Verschwörungstheorien gibt es Kritik an den kolportierten Plänen des deutschen Haushaltskommissars Günther Oettinger. Vor allem das Vorhaben, Förderungen der EU an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu knüpfen, wird skeptisch gesehen. "Wir werden nicht akzeptieren, dass EU-Mittel als politisches Druckmittel verwendet werden", erklärte der polnische Minister für europäische Angelegenheiten, Konrad Szymański.

Hoffen auf Aufweichung des Plans

Auch Zoltán Polyánszky vom regierungsabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitut Századvég ist überzeugt, dass sich der Vorschlag nicht durchsetzen lassen werde, wie er dem TV-Sender M1 sagte. "Die Kommission geht in der Regel mit strengen Bedingungen in die Verhandlungen, im weiteren Verlauf weichen sich diese aber auf." Schließlich müsse der Haushalt am Ende vom Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs, einstimmig beschlossen werden.

Die Regierungschefs Mateusz Morawiecki (Polen) und Viktor Orbán (Ungarn) sind auch beim EU-Budget auf Linie.
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Selbst proeuropäische Denker halten wenig von der Initiative, die Einhaltung demokratischer Werte mit dem Finanzrahmen zu verbinden: "Es ist eine gute Idee, aber sie lässt sich unmöglich umsetzen", erklärt Zsolt Darvas. Der Ungar forscht beim Brüsseler Thinktank Bruegel und sieht den Haushaltsplan der Union ansonsten weniger konfliktträchtig.

Einsparungen relativ

Dass Osteuropa weniger Regionalförderungen erhalten wird, wie Medien seit Wochen berichten, relativiert er. Die Berichte seien irreführend, sagt Darvas im Gespräch mit dem STANDARD. Richtig sei, dass der Anteil an den gesamten Ausgaben schrumpfen soll. Darvas betont, dass die Wirtschaftskraft der Union bis 2027 um 28 Prozent steigen wird und die EU-Ausgaben im Verhältnis zum Sozialprodukt leicht wachsen. Die Regionalförderungen werden zwar nicht so stark steigen wie die allgemeinen Ausgaben, aber auch nicht schrumpfen.

Aus den Brüsseler Strukturtöpfen fließen in der laufenden Periode (2014 bis 2020) 350 Milliarden Euro an schwache Regionen, 77 Milliarden davon nach Polen, 22 Milliarden nach Ungarn. Strittig ist vor allem die innereuropäische Verteilung der Mittel. In der Kommission gibt es Tendenzen, die Förderungen stärker nach Beschäftigung auszurichten.

Kritisches Beschäftigungskriterium

Da der Arbeitsmarkt in Osteuropa grosso modo in sehr guter Verfassung ist, würde Geld vom Osten in den Süden umgeleitet, wo die Arbeitslosigkeit weiterhin hoch ist. Dazu kämen besagte "Wertekriterien", zu denen auch die Solidarität in der Flüchtlingspolitik zählen würde – ein für die Visegrád-Länder besonders heikler Punkt.

EU-Minister Szymanski baut schon einmal vor: Osteuropa brauche trotz des Aufschwungs weiter Regionalförderung, um den Abstand zum Westen auszugleichen. Südeuropäische Staaten benötigten dagegen eher Unterstützung bei Strukturreformen, um wettbewerbsfähiger zu werden.

Zudem verweisen die neuen Mitgliedsstaaten auf die angeblich korrekte Verwendung der EU-Mittel. Dabei ist gerade Ungarn wegen des mutmaßlich korrupten Umgangs mit EU-Gelde stark ins Gerede gekommen. (Andreas Schnauder, Gregor Mayer, 2.5.2018)