Ingo Hufnagl (41) ist Geschäftsführer einer privaten Sicherheitsfirma. Wenn jemand aus einem Lokal fliegt, ist sexuelle Belästigung der häufigste Grund, sagt Hufnagl.

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Mit den Worten "Du bist groß und breit, magst Du uns auf der Party aushelfen?" ist Ingo Hufnagl als 17-Jähriger zum ersten Mal gefragt worden, ob er als Türsteher arbeiten möchte. Heute leitet er eine private Sicherheitsfirma.

Er fordert eine einheitliche Ausbildung für Sicherheitskräfte, um mehr Qualität in die Branche zu bringen. Für den Job als Türsteher sei nicht bloß Muskelkraft, sondern Erfahrung im Umgang mit Menschen wichtig. Es gebe auch Fälle, wo Türsteher überreagieren. Der Einsatz von Bodycams soll helfen, Streitigkeiten verbal zu lösen.

STANDARD: Stört Sie das Image vom gewalttätigen Türsteher?

Ingo Hufnagl: Wie in jeder Branche gibt es schwarze Schafe. Es gibt genug Leute, die Gewalt geil finden. Die haben aber in unserem Beruf nichts verloren. Es ist in Österreich immer noch so, dass sich jeder Wirt aussuchen kann, wen er vor seine Tür stellt. Als Chef einer Sicherheitsfirma muss ich den Leumund meines Angestellten hingegen von der Polizei überprüfen lassen. Beide führen aber dieselbe Tätigkeit aus, wenn sie vor der Tür stehen.

STANDARD: Wie kann man aussieben?

Hufnagl: Der Sicherheitsdienst wird oft als Auffangbranche gesehen. Wenn einer kurz davor ist, arbeitslos zu werden, sagt man: Machen wir noch schnell einen Security draus. Von diesem Image müssen wir wegkommen. Das geht aber nur, wenn man gescheite Löhne zahlt, den Leuten eine Perspektive auf Dauer bietet und sie Fachwissen mitbringen müssen. Um mehr Qualität in die Branche zu bringen, führt kein Weg an einer einheitlichen Ausbildung vorbei. Die existiert in Österreich aber nicht.

STANDARD: Was macht einen guten Türsteher aus?

Hufnagl: Fragt man Türsteher, wo Verbandskasten und Feuerlöscher sind, können es 30 bis 40 Prozent nicht sagen. Das sind aber die elementaren Dinge, um Gästen in einer möglichen Notsituation zu helfen. Zudem muss ich erkennen können, ob eine Notlage vorliegt oder nicht. Erste Hilfe ist sehr wichtig, genauso wie zu wissen, wo die Fluchtwege sind. Das sind alles Dinge, die gehen 999-mal gut und einmal nicht. Es geht nicht immer um Leben oder Tod der Gäste, aber um die körperliche Unversehrtheit.

STANDARD: Was ist stressiger, Dienst vor einem Lokal oder bei einem Konzert?

Hufnagl: Vor Lokalen schaukelt sich oft wochenlang etwas hoch. Da heißt es dann: "Der hat meine Freundin schief angeschaut." Das muss man im Auge haben. Bei Bars gibt es immer wieder Gruppierungen, die ihre Revierkämpfe ausfechten. Wenn ich als Gast in eine Bar gehe, steht außerdem der Alkoholkonsum an erster Stelle. Ab ein, zwei Uhr in der Früh beginnen dann die gröberen Ausschreitungen. Manche saufen bis hin zum Verlust der Muttersprache. Bei Konzerten ist das ganz anders, da kommt es selten zu Schlägereien. Da ballert sich in der Regel niemand so weg.

STANDARD: Gibt es bestimmte Gruppen mit Risikofaktor?

Hufnagl: In Skigebieten sind es oft Gruppen, die gemeinsam auf Urlaub sind. Vorzugsweise Skandinavier, die sind den Alkohol nicht gewöhnt und konsumieren ihn dann in Massen.

STANDARD: Machen Männer die meisten Probleme?

Hufnagl: Die körperliche Auseinandersetzung ist eine Männerdomäne. Man merkt aber bei manchen Konfrontationen, dass die Frauen die sind, die die Probleme haben und die Männer dann vorschicken.

STANDARD: Fühlt man sich manchmal wie ein Sozialarbeiter?

Hufnagl: Natürlich. Das Ziel ist immer, jede Auseinandersetzung verbal zu verhindern. Es sind auch überall unterschiedliche Anforderungen: bei Firmenfeiern, Bars, Konzerten oder in Asylwerberheimen.

STANDARD: Worauf achten Sie, wenn Sie neue Mitarbeiter anstellen?

Hufnagl: Auf Erfahrung im Umgang mit Menschen. Ich habe ehemalige Sozialarbeiter, Altenpfleger, Kindergärtnerinnen oder Kellner – einfach Leute, die mit anderen Menschen gut können. Und ganz wenige, die unter 25 Jahre alt sind.

STANDARD: Also gar nicht so sehr Kampfsporterfahrung und Muckis.

Hufnagl: Erst in zweiter Linie. Er muss schon in der Lage sein, einen Gast, der um sich schlägt, hinauszubringen. Aber auch der Gast, der sich daneben benimmt, soll unversehrt vor der Tür landen, wozu ein gewisses Mindestmaß an Hebeltechniken vorhanden sein muss. Das Schlimmste ist, wenn man ihn rausprügelt. Du brauchst ein Gespür für die Situation: Den einen musst du mit Schmäh packen, den anderen vor seinen restlichen Freunden verbal bloßstellen, um die Situation ohne körperliche Auseinandersetzung lösen zu können. Wir haben pro Jahr maximal vier Gäste, die aufgrund von Raufhandlungen verletzt sind. Alle zwei Jahre steht im Schnitt ein Türsteher von uns vor Gericht, und davon wird jeder Zweite schuldig gesprochen. Es gibt auch Fälle, wo Türsteher überreagieren. Daher vermeide ich es mittlerweile, Aufträge anzunehmen, wo nur ein Kollege bei der Tür steht. Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass Bodycams ein probates Mittel sind, um Streitigkeiten verbal lösen zu können.

STANDARD: Wann ruft man die Polizei?

Hufnagl: In dem Moment, wo es zur körperlichen Auseinandersetzung kommt, wird die Polizei verständigt.

STANDARD: Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass jemand rausgeworfen wird?

Hufnagl: Sexuelle Belästigung steht an erster Stelle. Dann kommen Schlägereien, an dritter Stelle Sachbeschädigung und Diebstahl.

STANDARD: Hat sich über die Jahre etwas verändert?

Hufnagl: Grenzen überschreiten heutzutage viel mehr Leute als früher. Beschwerden wegen sexueller Belästigung sind mehr geworden. Wobei ich auch sagen muss, dass sich Frauen auch weniger gefallen lassen, was gut ist.

STANDARD: Wen lassen Sie gar nicht erst rein?

Hufnagl: Das entscheidet mein Bauchgefühl. Es gibt natürlich Clubs, die bestimmte Vorgaben machen – wie eine bestimmte Kleidung oder keine Männergruppen. Ich sehe es ein Stück weit auch als mein Lokal an und entscheide, ob ich ihn drinnen haben will oder nicht. Das kann man manchmal auch nicht begründen, warum man jemanden nicht reinlässt. Die abgelehnten Gäste liefern die Gründe aber meistens kurz danach selbst.

STANDARD: Haben Sie auch schon mal eine Zusammenarbeit abgelehnt, weil Sie die Vorgaben nicht erfüllen wollten?

Hufnagl: Laufend. Seien es Eventveranstalter, die Höchstbesucheranzahlen lediglich als Richtwert verstehen, oder jene, die Fluchtwege verstellen. Wir haben auch schon Aufträge abgebrochen und die Polizei verständigt, weil der Veranstalter verantwortungslos gehandelt hat. Da redet keiner in der Branche gerne drüber, aber auch das gehört dazu. Qualifizierte Sicherheitskräfte werden immer wichtiger – gerade in Zeiten von gewissen Unsicherheiten, die wir haben. Es geht darum, dass einem gewisse Sachen auffallen und man sich der gesetzlichen Basis für Veranstaltungen bewusst ist.

STANDARD: Viele Großveranstalter verbieten ihren Besuchern mittlerweile, Rucksäcke oder größere Taschen mitzunehmen. Argumentiert wird das mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Bringt das was?

Hufnagl: Es ist so: Wenn jemand einen Anschlag verüben möchte, dann verübt er ihn. Da hilft die Taschenkontrolle nicht. Ich bin durchaus glücklich darüber, dass die nicht mehr so groß sein dürfen, aber das hat andere Gründe. Ich bekomme die Gäste so nämlich schneller hinein, und sie haben mehr Platz.

STANDARD: Da macht man sich also etwas vor?

Hufnagl: Man kann schon Sicherheitsvorkehrungen treffen, aber das betrifft nicht unbedingt die kleine Tasche, und es geht auch nicht unbedingt in erster Linie um Terrorismus. Ich brauche einfach ein vernünftiges Sicherheitskonzept. Habe ich eine Partnerschaft zwischen Polizei, Sicherheitsdienst, Veranstalter und Feuerwehr? Haben die sich davor zusammengesetzt und ein Konzept erarbeitet? Das erhöht die Sicherheit deutlich.

STANDARD: Solche Sicherheitskonzepte sind kein Standard?

Hufnagl: Bei größeren Veranstaltungen mittlerweile schon, aber nicht bei Partys oder Bierzeltfeiern mit 2.000 Gästen. Aber auch dort kommt es zu ernsten Situationen. Die Frage, an der sich alles aufhängt, ist einfach, was Sicherheit kosten darf und wo die Prioritäten liegen. Darf es mehr kosten, weil ausreichend Mitarbeiter vor Ort sind, die außerdem gut ausgebildet sind und mehrere Treffen im Vorhinein stattfanden? Darum geht es. (Vanessa Gaigg, 19.5.2018)