Salzburg/Wien – Heute hat Werner seine Stichweste angezogen. Es ist kurz vor elf Uhr abends, und seine Schicht hat gerade erst begonnen. Der 39-Jährige steht am Salzburger Rudolfskai und zündet sich eine Zigarette an. "Sobald die Leute das Gefühl haben, dass sie sich bei dir alles erlauben können, hast du verloren", sagt er und bläst Rauch in die Luft. Sein Kollege Mike (Name auf Wunsch geändert) nickt. So viel Mut hat sich aber heute noch niemand angetrunken. Vor ihnen stolpern ein paar Jugendliche vorbei. Die meisten zeigen ihren Ausweis her, bevor sie danach gefragt werden. Danach verschwinden sie erleichtert im Pub hinter den beiden Türstehern.

Seit 15 Jahren steht Werner vor den Türen von Bars und Clubs. Er sucht sich aus, wen er hineinlässt. Grundlage dafür bietet ihm sein Bauchgefühl. Nicht immer sind alle zufrieden mit seiner Entscheidung. Es kommt auch vor, dass einer zuschlägt. Je später die Uhrzeit, desto leichtsinniger werden die Leute. Seit er unlängst mit einem Messer, das er zunächst für eine Attrappe gehalten hatte, bedroht wurde, führt er seine Weste wieder regelmäßig zu seinen Einsätzen aus.

Waffe an der Schläfe

Sein Kollege verzichtet darauf. Zu schwarzer Hose und schwarzer Jacke trägt Mike schwarze Lederhandschuhe, die quietschen, wenn er seine Finger ineinandersteckt, um sie zu dehnen. Bald werden es 25 Jahre, die Mike vor der Tür angesammelt hat. Er sieht seinen Job entspannt. Gründe, Angst zu haben, müsste er aber nicht lange suchen. Da wäre etwa die eine Geschichte, als er zwei 16-Jährigen, die schon ordentlich über den Durst getrunken hatten, den Eintritt verwehrte. Kurze Zeit später hatte er eine Waffe an der Schläfe. Mit einem Kollegen hat er sie überwältigt. "Als wir den Polizisten die Waffe übergeben haben, hat sie das komplett nervös gemacht", lacht Mike und nippt an seinem Energydrink. "Die hat das überfordert."

Oder die Geschichte von dem Tag, als einer beim Mozartsteg gedroht hat, alle am Kai zu erschießen. Oder das andere Mal, als einer im Nachbarlokal einen Schuss gegen die Decke abgegeben hat. Aber heute ist alles ruhig. Es vergehen kaum fünf Minuten, dass Mike wieder mit jemandem im Vorbeigehen freundschaftlich einschlägt.

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710 gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Gästen und dem Sicherheitspersonal von Discos oder öffentlichen wie privaten Veranstaltern wurden 2011 in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland dokumentiert. Für Wien und Oberösterreich liegen keine Zahlen vor.
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Das Hausrecht durchsetzen

Die Diskussion über Gewaltdelikte, in die Türsteher involviert sind, intensiviert sich immer dann, wenn ein großer Prozess ansteht. 2015 stellte sich ein 54-Jähriger nach sechs Jahren der Polizei und gestand, einen Türsteher vor einem Club in Wien-Brigittenau erschossen zu haben. Ein paar Jahre davor wurde ein Türsteher-Trio wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge zu Haftstrafen verurteilt. Die Securities im Salzburger Rockhouse agierten derart brutal, dass ein Lokalbesucher umkam.

Die aktuellsten Zahlen des Innenministeriums zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Türstehern stammen aus dem Jahr 2011. Und selbst die sind unvollständig: 710 gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitspersonal von Discos oder von öffentlichen wie privaten Veranstaltern mit Gästen wurden im Jahr 2011 in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland dokumentiert. Für Wien und Oberösterreich liegen keine Zahlen vor. 365 Anzeigen gegen Gäste standen 397 Anzeigen gegen Securitys gegenüber. Die Dunkelziffer dürfte die Anzeigen um ein Vielfaches übersteigen.

Grundsätzlich haben Türsteher so viele Rechte wie jeder andere auch. Im Rahmen ihres Jobs sind sie lediglich befugt, das Hausrecht des Lokals durchzusetzen und dabei zu bestimmen, wer hineindarf und wer draußen bleiben muss – oder wer fliegt, weil er sich danebenbenimmt. Dabei übermäßige Gewalt anzuwenden ist jedoch verboten. Prügelt sich jemand in einem Lokal und gefährdet dabei womöglich andere oder sich selbst, kann aber jeder einschreiten, der sich dazu in der Lage sieht – solange man ein angemessenes Ausmaß an Gewalt anwendet. Zündet sich zum Beispiel jemand eine Zigarette im Nichtraucherbereich an, darf man diesen nicht per Elektroschockgerät nach draußen befördern. Ein Streit über die Verhältnismäßigkeit ist oft auch das, was Türstehern einen Prozess einbrockt.

Grundstimmung erkennen

Seit drei Stunden steht der Mann mit der rot-schwarzen Karojacke, er nennt sich Elvis, sich bereits die Füße in den Bauch. Er trägt eine Haartolle, an der rechten Wange hat er eine Träne tätowiert. In einem kleinen rechteckigen Glaskobel vor dem Eingang einer Disco prüft er mit zusammengekniffenen Augen die Gäste, die auf ihn zumarschieren. Kalter Rauch sammelt sich in dem engen Vorraum.

"Ich muss ihre Grundstimmung bereits erkennen, bevor sie vor mir stehen", sagt Elvis. "Ob sie lustig drauf sind, gefrustet oder aggressiv." Kurz bevor die Gäste da sind, macht er ihnen die Tür auf. Seine Hände, die normalerweise in der Hosentasche stecken, kommen dann kurz zum Vorschein. Er befiehlt, die Haube abzunehmen oder das Messer, das in der Hosentasche steckt, bei ihm abzugeben. Dann schleust er sie durch den engen Gang in die Disco und schließt die Tür hinter ihnen.

Türsteher "Elvis" ist bereits seit vielen Jahren im Geschäft. Er arbeitet in Salzburg und steht dort vor kleineren Bars und Clubs.
Foto: privat

Keine einheitliche Ausbildung

Vor Gericht kennt Elvis sich aus. So, wie er das sieht, gehört das einfach zu seinem Job dazu. "Als Türsteher bist du mit einem Fuß im Krankenhaus und mit dem anderen im Knast", sagt er. Früher sei es aber noch gemächlicher zugegangen. Immer öfter würden heute Waffen bei Konflikten zum Einsatz kommen. "Jeder rennt jetzt mit einem Pfefferspray herum. Sie haben Angst vor der sogenannten Flüchtlingskrise", sagt er und verdreht die Augen. "Als Türsteher schaust du der Gesellschaft beim Vertrotteln zu." Für seinen Job würde er sich nicht noch einmal entscheiden: "Zu neunzig Prozent wirst du angelogen."

In das Türsteher-Business ist Elvis "so reingerutscht". Als er einmal Gäste aus seinem Stammlokal geschmissen hat, ist der Chef auf ihn zugekommen und hat ihn gefragt, ob er sich nicht an die Tür stellen wolle. Seither ist er dort geblieben. Bei Werner, der eigentlich Koch gelernt hat, war es die gleiche Geschichte. Mike ist "über den Polizeisportverein dazugekommen".

Eine einheitliche Ausbildung für Türsteher gibt es nicht. In einzelnen Kursen, angeboten etwa von privaten Vereinen oder Institutionen wie dem Wifi, kann man sich schwerpunktmäßig fortbilden. Ob das verpflichtend ist, hängt allerdings vom Arbeitgeber ab.

Unterschiedliche Tätigkeiten

Immer wieder wurde über eine einheitliche Ausbildung für das Bewachungsgewerbe diskutiert. Passiert ist bisher nichts. Der Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ) macht seit Jahren auf eine mangelhafte Ausbildung der Sicherheitskräfte aufmerksam. Auch Türsteher seien hier eingeschlossen, sagt VSÖ-Geschäftsführer Thomas Forstner dem STANDARD: "Den Türsteher vor Lokalen machen oft Freunde des Wirtes oder Kellner und keine ausgebildeten Fachkräfte."

Man müsse dafür sorgen, dass diejenigen, die vor der Tür stehen, zumindest eine Grundausbildung durchlaufen. Derzeit müssen jene, die über eine Bewachungsfirma beschäftigt sind, gewisse Grundanforderungen erfüllen, aber keine fachliche Ausbildung vorweisen. Zumeist sind das Personen, die bei Veranstaltungen Kontrollen durchführen, und nicht jene, die Türsteherdienst vor einer Bar schieben. Diejenigen, die direkt beim Wirt beschäftigt sind, haben keine Vorgaben zu erfüllen. Forstner möchte, dass jeder Mitarbeiter eine Schulung samt Prüfung erfolgreich absolvieren und eine positive sicherheitspolizeiliche Überprüfung vorweisen muss. Außerdem soll ein Ausweis bei der Arbeit sichtbar getragen werden.

Auch beim Fachverband der gewerblichen Dienstleister in der Wirtschaftskammer ist man von der Idee einer Basisausbildung angetan. Es sei angedacht, eine solche für das Bewachungsgewerbe zu entwickeln, sagt Fachverbandsgeschäftsführer Thomas Kirchner. Die konkreten Ausbildungsinhalte stünden allerdings noch nicht fest und müssten auch noch mit dem Wirtschaftsministerium akkordiert werden. Dort bestätigt man, dass die Gespräche noch am Anfang stehen. Eine Ausbildung in Form einer Lehre, wie sie in Deutschland existiert, komme allerdings nicht infrage, da aufgrund der gewerberechtlichen Vorgaben der Einsatz von Personen unter 18 Jahren im Sicherheitsgewerbe nicht zulässig ist, sagt Kirchner.

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Bis dato existiert in Österreich keine einheitliche und verpflichtende Ausbildung für Sicherheitskräfte.
Foto: AP/KAI-UWE KNOTH

Gastro-Fachverband: Keine Verpflichtung

Bisher sei die Etablierung einer einheitlichen Ausbildung daran gescheitert, dass es viele Tätigkeiten mit unterschiedlichem Anforderungsprofil gibt, die im Bewachungsgewerbe zusammengefasst werden, meint Kirchner. Darunter fallen nicht nur Portierdienste und Türsteher, sondern etwa auch Wach- und Kontrolldienste bei Firmengebäuden oder Asylwerberheimen, Flughafensicherheitsdienste, Gerichtskontrolldienste oder die Durchführung von Geld- und Werttransporten.

Für Türsteher würde diese Ausbildung aber ohnehin nur dann schlagend werden, wenn sie über eine Bewachungsfirma vermittelt werden und nicht direkt beim Wirt angestellt sind, der freie Hand bei der Auswahl seiner Securitys hat. Letztere dürften nach Einschätzung von Experten aber weitaus in der Überzahl sein. Geht es nach Forstner, soll zwischen den Gruppen kein Unterschied mehr gemacht werden: Beide sollen eine Grundausbildung mit einer anschließenden spezifischen Fachausbildung durchlaufen müssen.

Davon wiederum hält der zuständige Fachverband der Gastronomie wenig. "Türsteher und private Sicherheitsdienste sind im Grunde die verlängerte Hand des Unternehmers und sollen im Wesentlichen die Einhaltung des Hausrechts gewährleisten", sagt Michael Hardt von der Wirtschaftskammer. Eine allgemeine Schulungsverpflichtung lehnt der Fachverband ab. Es könne in der Gastronomie rechtlich problematisch sein, da es schwierig abzugrenzen sei, wer formell als Türsteher agiere und wer nicht, so Hardt. Auch Personen mit Vorstrafen generell von dem Berufsstand auszuschließen erscheint Hardt "nicht verhältnismäßig" und sollte lieber "im Einzelfall bewertet werden".

Unterschiedliche Klientel

"In Wahrheit bin ich ein unterbezahlter Psychologe", meint Werner, während er die Pizza eines Gastes, der damit nicht in das Lokal darf, in seinem Audi zwischenlagert. Er und sein Kollege Mike haben viele Beweise vorzubringen, warum manche Leute unter Alkoholeinfluss "auf das Niveau von Kleinkindern degenerieren": Einmal sei ein Gast überzeugt davon gewesen, er sehe tote Menschen. Ein anderer, der bereits vor das Lokal bugsiert worden war, wollte seine Jacke, die noch im Lokal war, mit dem Handy anrufen. Eine fix geregelte Ausbildung würde Werner begrüßen: "Dann würden vielleicht nicht mehr so viel Deppen vor der Tür arbeiten."

Elvis sieht das mit der verpflichtenden Ausbildung kritisch. Jene, die extern angestellt werden, verdienen meist deutlich weniger als die, die direkt für den Wirt arbeiten. Ist eine Ausbildung erst einmal verpflichtend, befürchtet er, dass überall eine Firma zwischengeschaltet wird.

Im Zuge ihrer Arbeit haben die Türsteher sowohl mit Teenies und Obdachlosen als auch mit Staatsanwälten und Uni-Professoren zu tun. "Man glaubt nicht, wer sich beim Fortgehen aller danebenbenimmt", sagt Werner. "Ich hab' auch schon einem Polizeischüler eine betoniert." (Vanessa Gaigg, 19.5.2018)