Öfters benötigt das Programm einen kurzen Moment, ehe die Erkennung funktioniert.

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Der Beweis: Beim WebStandard arbeiten (noch) keine Roboter.

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Auch die Redaktionspflanzen erkannte Smartlens korrekt.

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Einen Scanner auf ein Objekt, Tier oder Pflanze richten und wissen, was man vor sich hat. In "Star Trek" erledigt das der "Tricorder", auch in anderen Sci-Fi-Welten gibt es Pendants dazu. Auch große Tech-Firmen arbeiten an Lösungen. Amazon hatte eine ähnliche, auf Verkaufsgüter spezialisierte Funktion in seinem gefloppten Firephone, Google bietet ein Feature namens "Google Lens".

Ein im Alltag wirklich nützliches Tool war allerdings noch nicht darunter. Nun zeigt die iPhone-App "Smartlens" den IT-Riesen, dass ein solches Programm aber sehr wohl schon machbar ist, berichtet Techcrunch. Entwickelt wurde das Tool von einem Schüler.

Umgesetzt hat der junge US-Amerikaner, der derzeit eine Highschool besucht, das Programm in seiner Freizeit. Nicht nur soll es aktuell über 17.000 Objekte erkennen, sondern es braucht laut Beschreibung dabei keine Internetanbindung. Der STANDARD hat die "schlaue Linse" einem Kurztest.

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Hohe Erkennungsrate – im zweiten Anlauf

Die App, die derzeit in englischer Sprache für iPhones ab iOS 11 zur Verfügung steht, konnte fast alles, was mit der Handykamera anvisiert wurde, erkennen. Die geschätzte Trefferquote lag bei neun von zehn Objekten. Sie identifizierte ein Telefon, einen Hut, verschiedene Computer-Peripherie, Menschen oder auch eine Büropflanze mit korrekter Artenbezeichnung. Einige Sachen wurden aber erst im zweiten Anlauf erkannt, nachdem zuerst für einen kurzen Moment eine falsche Identifikation eingeblendet wird. Gelegentlich versagte das Tool allerdings seinen Dienst und musste geschlossen und neu gestartet werden. Es fordert zudem auch die Hardware des Smartphones, was sich an einer spürbaren Erwärmung nach einigen Minuten bemerkbar macht.

Ähnliche Ergebnisse erhielt auch der Techcrunch-Autor, der mit verschiedenen Früchten und Pflanzen in seiner Nachbarschaft getestet hatte. Dabei habe es auch deutlich besser abgeschnitten, als etwa das "Scan"-Feature von Google Photos.

Erkennt auch Produkte

Darüber hinaus kann die App auch bestimmte Läden, Bücher und Produkte erkennen. Neben einer Kurzbeschreibung, die bereits offline hinterlegt ist, liefert das Programm einen Link zum passenden Wikipedia-Eintrag, Yelp-Rezensionen oder Angebote von Amazon. Mit einem Klick lässt sich auch eine Google-Suche initiieren.

Allerdings steht Smartlens nur für 30 Tage kostenlos zur Verfügung. Danach müssen für die Verwendung entweder knapp zehn Euro im Jahr oder zwei Euro pro Monat bezahlt werden, wobei das Abo jederzeit kündbar ist.

Großer Download ermöglicht Offline-Funktion

Die Grundlage für das Programm ist eine von Royzen selbst zusammengestellte Bilddatenbank. Mit diesen hat er mehrere neurale Netzwerke über Amazons Clouddienst AWS trainiert. Bücher und andere beschriftete Produkte erkennt es wiederum durch das Auslesen des Textes und offlline katalogisierten Gütern aus dem Angebot von Amazon.

Das so geschaffene Erkennungsmodell nebst anderen Daten benötigt freilich einigen Platz, weswegen der Download des Programms rund 480 MB wiegt.

Gut, aber längst nicht perfekt

Dass das Programm von einem Schüler geschrieben wurde, bringt ihm auch einen Vorteil in der Erwartungshaltung. Denn trotz des guten Eindrucks kommt es immer wieder zu falschen Ergebnissen und einige Beschreibungen sind fehlerhaft oder unvollständig. Auch ist das Interface verbesserungswürdig und es fehlen Features wie etwa das Scannen bereits geschossener Fotos.

Zudem ist der Objektkatalog ein Flickenteppich und nicht auf bestimmte Bereiche spezialisiert. So werden verschiedene Accessoires erkannt, eine Armbanduhr allerdings nicht. Für eine Firma wie Google würden derlei Probleme für eine als fertig deklarierte, eigenständige App, wohl einen Backlash auslösen.

Entwickler setzt auf Zeitvorsprung

"Visuelle Suche ist noch eine Nische, aber mein Ziel ist es, den Menschen einen ersten Geschmack einer Zukunft zu geben, in der eine App nützliche Informationen über alles um sie herum liefern kann", schreibt Royzen. Er rechnet damit, dass die Tech-Konzerne früher oder später eigene Lösungen dieser Art veröffentlichen. "Smartlens" soll ihnen als erste "universelle Such-App" zuvorkommen – um sich langfristig einen Vorteil zu schaffen oder ein gutes Kaufangebot zu erhalten.

Bei Techcrunch zeigt man sich "beeindruckt" von den Bemühungen Royzens, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass er das Tool als Schüler in seiner Freizeit umgesetzt hat. Smartlens sei zwar "mehr ein Kuriosum, denn ein Werkzeug, aber das waren die ersten textbasierten Suchmaschinene auch einmal." (gpi, 02.05.2018)