Wien – Es scheint paradox: US-Gitarrist Bill Frisell lässt im Porgy & Bess auch Follow Your Heart, ein altes Stück von John McLaughlin, zart schweben. Ist Saitenkollege McLaughlin der Inbegriff eines viele Noten (ver)brauchenden Virtuosen, symbolisiert Frisell das Gegenteil. Bei der Suche nach dem Wesentlichen wird keine Note verschwendet, sie wird gestaltet. Lieber nichts sagen als Unbedeutendes, postuliert Frisell.

Andererseits war dieser poetische Minimalist nie ein Stildogmatiker: In den 1980ern rüttelte Frisell die New Yorker Downtown-Szene mit Saxofonist John Zorn auf, indem er postmoderne Stilmixturen zelebrierte. Die entsprechende Band Naked City feierte auch virtuos-wilde Lärmfeste. Ein Stück des fingerflinken Kollegen McLaughlin zu wählen ist denn auch kein Konzeptbruch. Ohnedies lässt Frisell, wie jeder Instrumentalist, der über Individualität verfügt, Kompositionen anderer quasi als seine eigenen erscheinen.

Ein zarter Ton genügt

Im Porgy ist – auch dank des filigran agierenden Bassisten Thomas Morgan – zierlich-genaue Kammermusik zu hören: Country-Blues-geprägte Idyllen werden da ebenso entworfen wie eine malerische Version des Bond-Klassikers Goldfinger. Und nimmt sich Frisell improvisierend direkt Jazziges vor, klingt er ein bisschen nach Gitarrenklassiker Jim Hall, bei dem er ja auch gelernt hat. Typischer und wesentlicher: Frisell lässt Einzeltönen Zeit, sie werden zu Skulpturen, die unterschiedliche Farbformen annehmen.

Auch zitiert Frisell melodische Klischees, um durch Verfremdung komplexe quasi orchestrale harmonische Überlagerungen entstehen zu lassen. Manchmal klang es, als wäre er von Miles Davis' wolkenverhangener Ballade Blue in Green hypnotisiert worden. Manchmal tönte es, als wäre Frisell in ein Bach-Präludium verstrickt. Immer jedoch dominierte die präzise Aussage, die friedvoll einherzuschweben pflegt. Magisch.

Es wird mehr davon geben: Frisell ist (am 30. Juni) wieder im Porgy & Bess zu hören (im November kommt er dann mit John Zorn), und zwar mit Saxofonist Charles Lloyd. Ist logisch. Lloyd ist ebenfalls ein Altmeister des gehauchten Wesentlichen. (Ljubiša Tošić, 2.5.2018)