Regelmäßige Polizeikontrollen am Wiener Praterstern sollen Obdachlose, Suchtkranke und Dealer künftig fern halten.

Foto: Heribert Corn

Wien – Der Wiener Praterstern ist nicht der erste soziale Brennpunkt der Stadt, wo mit repressiven Mitteln versucht wird, Missstände ab- und die gesellschaftlich erwünschte Ordnung wieder herzustellen. In der Vergangenheit war es vor allem der Drogenhandel auf der Straße, der der Bevölkerung Angst machte.

Beenden kann die Polizei die illegalen Geschäfte nur punktuell, hinter Schwerpunkteinsätzen steckt eine Vertreibungstaktik, um das Festsetzen einer Szene zu verhindern. Was dazu führt, dass Drogentreffs wie Popup-Stores durch alles Bezirke wandern. Straßendealer und Kunden bevorzugen Gegenden um Bahnhöfe und U-Bahnstationen. Gute Erreichbarkeit und die Möglichkeit, schnell wegzukommen, sind in der Branche nicht unwichtig.

Stationen des Drogenhandels im öffentlichen Raum in Wien

Österreichs berüchtigster Szenetreffpunkt in den 1980er-Jahren war der Karlsplatz. Im überdachten U-Bahnausgang zum Resselpark und im Park selbst, der schon nach dem Zweiten Weltkrieg ein Schmugglertreff gewesen war, gab es das gesamte Drogensortiment – von Rohypnol über Kokain bis Heroin. Der Thesseus-Tempel im Volksgarten war bei Kiffern beliebt, am Naschmarkt deckten sich Teetrinker mit Mohnkapseln ein.

Eskalation verhindert

Mit sozialarbeiterischen Maßnahmen konnte am Karlsplatz eine Eskalation wie am Züricher Platzspitz verhindert werden. Die Szene blieb überschaubar, Großdealer hielten Abstand, Verkäufer waren großteils selbst abhängig. Im Lauf der Jahre ging es dann fast nur mehr um Tabletten; dass auch wieder ausgespuckte Drogenersatzmedikamente, die eigentlich vor Ärzten oder Apothekern eingenommen werden müssen, vercheckt wurden, zeugt vom Elend der Betroffenen.

2010 wurde die Karlsplatzpassage im touristischen Zentrum der Stadt schließlich renoviert, im selben Jahr trat eine Novelle des Wiener Landessicherheitsgesetzes in Kraft, wonach die Polizei Strafen gegen Abhängige verhängen konnte, die eine Wegweisung ignorierten. Seither sind die Kinder vom Karlsplatz verschwunden.

Umschlagplatz Zentralfriedhof

Generell ist der Drogenhandel nach der Ostöffnung mobiler geworden. Die Kokain-Preise rasselten in den Keller, synthetische Drogen eroberten den Markt, Heroin wurde in Bratislawa, Prag und Budapest gebunkert. Ein Lieferanteneingang in Wien lag beim Zentralfriedhof, Tor 3, wo die Polizei etliche Kilogramm beschlagnahmte. Dennoch entstanden Umschlagplätze für Drogen aller Art am Gürtel: beim Westbahnhof, bei der Gumpendorferstraße und am Margaretengürtel. Auch bei den U4-Stationen Pilgramgasse und Kettenbrückengasse wurde eifrig gedealt.

Regelmäßige Polizeikontrollen am Wiener Praterstern sollen Obdachlose, Suchtkranke und Dealer künftig fern halten.
Foto: Heribert Corn

2003 kratzte der Drogenhandel wieder an der Wiener Innenstadt, am Donaukanal vom Schwedenplatz bis zum Schottenring lieferten sich manchmal tagsüber hunderte Dealer und Polizisten Vorfolgungsjagden. Derartige Großeinsätze gab es bis heute nicht mehr. Eine der Reaktionen war damals die Gründung der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die die Szene bis heute in Bewegung hält.

Zehn Jahre später war die U6 Drogenhotspot Nummer eins. Einsteigen, einkaufen, aussteigen, lautete die Devise. Kunden wurden über Mittelsmänner spontan zu bestimmten Stationen dirigiert. Die schnellen Deals gingen teilweise ungeniert vor den Augen anderer Fahrgäste über die Bühne. Die Polizei legte sich vor allem bei den Stationen Josefstädter Straße, Gumpendorfer Straße und Handelskai auf die Lauer. Kurzfristig wichen Drogenver- und einkäufer auf die U6-Stationen Meidlinger Bahnhof und Längenfeldgasse aus. Womit die Polizei aber schon gerechnet hatte und dort entprechende Präsenz zeigte.

Drogenrevival an der U6

Anfang 2016 gab es ein Drogenrevival an der U6. Der Ameisenhandel, wie Deals mit Kleinstmengen genannt wird, profitierte von einer Gesetzesänderung, die Festnahmen wegen gewerbsmäßiger Kriminalität erst beim dritten Mal Erwischtwerden zuließ. In und entlang der U6, dort, wo viele Lokale in den U-Bahnbögen angesiedelt sind, überstieg das Angebot schnell die Nachfrage. Frustrierte Kleindealer, die ihre Ware teilweise in Mauerritzen deponierten oder in Grünflächen vergruben, fielen durch aggressives Verkaufsverhalten auf. Brennpunkte waren die Stationen Josefstädter Straße, Thaliastraße, Burggasse und Westbahnhof. Ein halbes Jahr später war das Gesetz repariert, der sichtbare Drogenhandel an der U6 ging wieder zurück.

Der Praterstern ist seit vielen Jahren ein Treffpunkt für Menschen am Rande der Gesellschaft. Die Absiedelung der baufälligen Polizeiinspektion und der auch am Sonntag geöffnete Supermarkt haben die Situation nicht gerade entschärft. Nach massiven Polizeieinsätzen ist derzeit Ruhe am "Stern". Mit teils sichtbarer Präsenz versucht die Polizei auch zu verhindern, dass sich am Bahnhof Wien Mitte eine Szene etabliert. Gleiches gilt, wie immer zur wärmeren Jahreszeit, im Schweizergarten vor dem Belvedere und auf Arealen rund um U-Bahn-Stationen auf der Donauinsel. (Michael Simoner, 3.5.2018)