Sowohl Angela Merkel als auch Emmanuel Macron waren in den letzten Wochen bei Donald Trump zu Gast. Während es sich beim Besuch des französischen Präsidenten um einen Staatsbesuch mit protokollarisch geregeltem Ablauf und einem aufwendigen Zeremoniell handelte, kam die deutsche Kanzlerin zu einem Arbeitsgespräch in die USA, bei dem der Austausch in eher nüchterner Atmosphäre im Vordergrund stand. Trotz ihres unterschiedlichen Charakters zogen beide Termine beachtliche mediale Aufmerksamkeit auf sich. Besonders das umfangreiche Bild- und Videomaterial machte nicht nur den Ablauf und die wichtigsten Etappen der Besuche nachvollziehbar, sondern wurde auch zum Gegenstand (teils ausufernder) Deutungen in klassischen Medien und sozialen Netzwerken. Zahlreiche Medien, darunter "The New York Times", "Der Spiegel" und "The Telegraph", gingen so weit, das Zusammentreffen von Trump und Macron gar als Bromance, also als innige Männerfreundschaft, zu deuten. Das lag nicht zuletzt am Bildmaterial, das Begrüßungsküsse, Umarmungen, vertraute Gesten und Handschläge zeigte.

Handschlag als Konvention

Mediale Politikvermittlung ist immer auch Bildinterpretation. Einzelnen Fotos wird dabei besondere Aufmerksamkeit zuteil. Sie erscheinen auf Covern, bebildern Artikel oder werden zu Memes in sozialen Netzwerken. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Bestimmte Deutungen werden etwa von Politikern selbst offensiv nahegelegt, wenn beispielsweise Macron ein Foto des sichtlich besonders festen Händedrucks mit Trump vertwittert:

Macron hatte bereits anlässlich seines ersten Zusammentreffens mit Trump im Mai 2017 beim G7-Gipfel in Taormina auf Sizilien dem Händedruck mit dem US-Präsidenten eine besondere Bedeutung gegeben, indem er diesen als "Moment der Wahrheit" bezeichnete, der die Möglichkeit bot, sich Respekt zu verschaffen.

Die Geste des Handschlags erregt aber auch aufgrund ihrer konventionalisierten Bedeutung in der politischen Kommunikation besondere Aufmerksamkeit. Als gesellschaftlich anerkannte und universell verständliche Geste gilt der Handschlag seit der Antike als Zeichen menschlicher Verbundenheit. Entsprechend beliebt ist das Motiv auch bei Fotografen und in Bildredaktionen, wo es oft als pars pro toto für ein Zusammentreffen von Politikern ausgewählt wird. Als es während des ersten Washington-Besuchs von Angela Merkel bei Donald Trump zu keinem Handshake im Oval Office kam – unter anderem weil Fotografen die Geste offensiv eingefordert hatten –, wurde das als aussagekräftiges Signal für gespannte Beziehungen interpretiert. Im Vorfeld von Merkels diesjähriger USA-Reise wurde von zahlreichen Medien daran erinnert und es war daher auch nicht überraschend, dass beim aktuellen Termin gleich mehrere Bilder von Handschlägen entstanden sind.

Donald Trump und Angela Merkel im Oval Office am 27. April 2018
REUTERS/Kevin Lamarque
Angela Merkel und Donald Trump während einer gemeinsamen Pressekonferenz am 27. April 2018.
Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Momentaufnahmen im Deutungskampf

Wenn sich Politik bei Staats- und Arbeitsbesuchen den Kameras zeigt, geschieht das häufig im Rahmen sogenannter Photo Opportunities. Fotografen werden in vorab gestalteten Settings positioniert, bei denen ihre Blicke auf die zentralen Akteure gerichtet sind. Das gibt Politikern eine gewisse Kontrolle hinsichtlich der Möglichkeiten der Bildproduktion. Die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten von Bildern durch das Publikum bleiben allerdings unkontrollierbar. Beim Zusammentreffen von Trump und Macron war es just das Foto einer Baumpflanzung, das in sozialen Netzwerken für Aufmerksamkeit und ironische Kommentierungen sorgte:

Die junge Eiche – ein Gastgeschenk des französischen Präsidenten an Trump – stammt aus einem französischen Wald, in dem während einer Schlacht des Ersten Weltkriegs mehrere tausend amerikanische Soldaten umgekommen waren. Das symbolische Geschenk und das Foto der Pflanzung im Garten des Weißen Hauses wurden zum viralen Hit. Mittlerweile sorgt auch der Umstand, dass der Setzling wieder entfernt und unter Quarantäne gestellt wurde für mediale Berichterstattung.

Was von politischen Zusammentreffen bei Photo Opportunities ins Bild kommt, hat oftmals den Charakter von Momentaufnahmen. Als Justin Trudeau 2017 Trump besuchte, sorgte ein Foto aus dem Oval Office für Aufsehen: es zeigt den US-Präsidenten, der Trudeau die Hand entgegenstreckt, während dieser vermeintlich zögerlich auf den ausgestreckten Arm blickt. Dass sich die beiden einen Moment später tatsächlich die Hand geschüttelt haben, blieb unerheblich. Das Foto löste zahlreiche ironische Kommentare aus.

Missverstandene Bilder

Gerade weil Bilder besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und diskursprägende Funktion haben können, sollten sie sorgfältig kontextualisiert und hinterfragt werden. Was auf Twitter für Lacher sorgt, kann im Journalismus rasch zu Missverständnissen im Umgang mit fotografischen Bildern und Videosequenzen führen. So lud etwa die "Süddeutsche Zeitung" eine Körperspracheexpertin zum Interview, um die Gesten von Trump und Macron zu deuten, während "MDR.de" "Mimik und Körpersprache von Trump und Merkel" interpretierte. Und die "BBC" ließ sogar einen Vergleich zwischen Merkel und Macron anstellen, um ihre jeweiligen Besuche einzuordnen. Die Fokussierung auf Körpersprache verweist zuweilen auf die etwas vereinfachende Annahme, Politiker würden Mimik, Gestik und Körperhaltung vor allem strategisch einsetzen, um maximale Wirkung in der politischen und medialen Öffentlichkeit zu erzielen. Häufig ist sie aber in der ebenso simplifizierenden Vorstellung begründet, damit etwas über die "wahren" Gedanken und Gefühle politischer Akteure in Erfahrung bringen zu können. So erklärt beispielsweise die Körperspracheexpertin Mary Civiello im "BBC"-Video, dass die Körpersprache Aussagen zur "real relationship", also zum wahren Verhältnis der politischen Akteure zulasse. In welchen Zusammenhängen sich diese dabei zeigen oder dass die Besuche von Merkel und Macron unterschiedlichen Logiken folgen, fällt allerdings ebenso unter den Tisch wie die Frage, warum Trump seine "fantastische Freundschaft" mit Macron und seine "großartige Beziehung" mit Angela Merkel betont.

Wenn Momentaufnahmen zum Indikator für zwischenmenschliche oder gar zwischenstaatliche Beziehungen stilisiert werden, schießen nicht nur die Deutungen übers Ziel, sondern treten auch konkrete Verhandlungsergebnisse und politische Fortschritte oder gegebenenfalls Misserfolge in den Hintergrund. Das mag den Logiken medialer Aufmerksamkeit entgegenkommen – einer ausgewogenen Bildberichterstattung eher nicht. (Petra Bernhardt, Karin Liebhart, 8.5.2018)

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