Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto ist 80. Großmeister des Malteserordens.

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Ludwig Hoffmann-Rumerstein überreicht Dalla Torre die Kette des Großmeisters. Links im Bild verfolgt Großkanzler Albrecht von Boeselager die Zeremonie.

Foto: Order Of Malta

Am Mittwoch wählte der Große Staatsrat des Malteserordens das neue Oberhaupt.

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Rom – Mehr als ein Jahr nach dem Rücktritt des Großmeisters Matthew Festing Anfang 2017 hat der Souveräne Malteserorden ein neues Oberhaupt. Am Donnerstag wurde Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto, der am Vortag vom Großen Staatsrat des Ritterordens auf Lebenszeit gewählt worden war, in der Ordenskirche Santa Maria del Priorato auf dem Aventin vereidigt. Der 73-jährige Dalla Torre hatte seit einem Jahr das Amt des Luogotenente di Gran Maestro, eines Statthalters, inne. Er ist nunmehr der 80. Großmeister in der mehr als neunhundertjährigen Geschichte des Ordens.

Klares Wahlergebnis

Das Ergebnis der Wahl unterliegt wie bei einer Papstwahl prinzipiell der Geheimhaltung. Wie der österreichische Malteserritter Gottfried Kühnelt-Leddihn dem STANDARD mitteilte, erzielten die 54 Wahlberechtigten jedoch sehr rasch ein eindeutiges Ergebnis aus dem Dreiervorschlag. Einen solchen Dreiervorschlag zu erstellen obliegt den Professrittern des Ordens, die jedoch von diesem Recht nicht Gebrauch machen müssen. Der Vorschlag wird ohne Reihung vorgelegt, die Wahlberechtigten sind in den ersten drei Wahlgängen an ihn gebunden. Eine Eigenkandidatur eines potenziellen Großmeisteranwärters ist Kühnelt-Leddihn zufolge undenkbar: Wer sich selbst in den Vordergrund bringe, werde sicher nicht gewählt.

Für ein gültiges Wahlergebnis ist eine Stimmenmehrheit plus einer weiteren Stimme erforderlich, was bedeutet, dass zumindest 29 Stimmen für die Wahl des neuen Großmeisters vonnöten waren. Diese Zahl wurde jedenfalls klar übertroffen. Laut Kühnelt-Leddihn gab es zwar in der Diskussion durchaus gegenteilige Meinungen, die Wahl sei jedoch im Sinne der Benediktsregel "einmütig" getroffen worden.

Vatikanisches Ränkespiel

Die Wahl Dalla Torres ist ein weiterer Schritt des Malteserordens aus einer schweren Krise. Seine Einsetzung als auf ein Jahr befristeter Statthalter war nötig geworden, weil um den Jahreswechsel 2016/17 ein ordensinterner Machtkampf entbrannt war. Der damalige Großmeister Matthew Festing hatte im Dezember 2016 seinen Großkanzler Albrecht von Boeselager abgesetzt, vordergründig wegen der Verteilung von Kondomen im Rahmen eines Ordensprojektes.

Faktisch hatte der Botschafter des Vatikans beim Malteserorden, Kardinal Raymond Leo Burke, die Absetzung von Boeselager betrieben. Der erzkonservative Burke gilt als eine treibende Kraft der innervatikanischen Opposition gegen Papst Franziskus. Nach einem wochenlangen Konflikt wurde Festing schließlich von Franziskus zum Rücktritt aufgefordert, von Boeselager wurde rehabilitiert, Burke entmachtet. Zwischenzeitlich führte der Österreicher Ludwig Hoffmann-Rumerstein als Luogotenente ad interim die Geschäfte des souveränen nichtstaatlichen Völkerrechtssubjekts. Nach einem STANDARD-Interview Hoffmann-Rumersteins, in dem dieser die Umstände der Absetzung von Boeselagers schilderte, warf Burke dem interimistischen Leiter "Verleumdung" vor.

"Diktator Papst"

Ganz ist die Krise jedoch mit der Großmeisterwahl noch nicht bereinigt: Erst im März wurde bekannt, dass es sich beim Autor des kontroversiellen Buches "The Dictator Pope" um ein Mitglied des Malteserordens handelt. Hinter dem Pseudonym Marcantonio Colonna, dem Namen eines Heerführers der Seeschlacht von Lepanto 1571 gegen die Osmanen, verbirgt sich der Historiker Henry Sire. Die Führung des Malteserordens reagierte umgehend, suspendierte Sire und leitete in Ausschlussverfahren ein. Im April erhielten die Mitglieder des Ordens ein Schreiben, in dem sie gemahnt wurden, das Buch Sires nicht zu verteidigen und keine öffentliche Polemik gegen den Papst zu äußern, insbesondere in sozialen Medien. Die Mitglieder wurden angehalten, den Orden nicht weiter einem öffentlichen Schaden auszusetzen.

Verfassungsreform

Auf Dalla Torre wartet die Aufgabe, die Verfassung des Ordens zu reformieren. Der mittelalterliche Ritterorden leidet unter einem eklatanten Nachwuchsproblem, das in den strikten Adelsvoraussetzungen für den Großmeister wurzelt. So waren im Vorjahr lediglich ein Dutzend Personen für das Amt des Großmeisters passiv wahlberechtigt. Schon im Vorjahr wurden zehn Arbeitsgruppen eingesetzt, die verschiedene Ideen und Reformvorschläge sammelten. Im Februar beriet eine Versammlung über die Berichte der Arbeitsgruppen, derzeit erarbeiten kanonische Juristen einen Entwurf, der sowohl dem Kirchenrecht als auch den Ordensregeln entsprechen muss. Schließlich soll der Entwurf der verfassungsgebenden Versammlung des Ordens, dem Generalkapitel, vorgelegt werden.

Kunsthistoriker als Großmeister

Dalla Torre ist seit 1985 Mitglied des Malteserordens. Schon nach dem Tod des Großmeisters Andrew Bertie im Jahr 2008 bekleidete er erstmals kurzzeitig bis zur Wahl Matthew Festings das Amt des Statthalters des Großmeisters. Er ist Spezialist für christliche Archäologie und Kunstgeschichte. Familiär ist er kirchlich vorbelastet: Sein Vater war Direktor der Vatikanischen Museen, sein Großvater leitete die Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano".

Der Malteserorden betreibt mit mehr als 120.000 Freiwilligen weltweit in rund 120 Ländern gut 2.000 humanitäre Projekte. Die erste offizielle Verpflichtung des neuen Großmeisters ist bereits ab Freitag die Ordenswallfahrt nach Lourdes, bei der tausende Ordensmitglieder behinderte und kranke Menschen begleiten. Diese Wallfahrt fand erstmals 1958 statt und wird nunmehr zum 60. Mal veranstaltet. Sie gilt dem Orden als einer der Höhepunkte seines spirituellen Lebens. (Michael Vosatka, 3.5.2018)