Wien – Eines der Dogmen des Erzählkinos besagt, dass sich Geschichten nach drei Akten auszurichten hätten. Der 27-jährige Brasilianer Leonardo Mouramateus tritt in seinem Debüt António Um Dois Três gegen dieses Veröden von Möglichkeiten an. Er greift Techniken der Moderne auf und nähert sich seinem Titelhelden über drei unterschiedliche Achsen an. Drei Parallelwelten rollt er aus, die wie Echos aufeinanderfolgen – Situationen kehren wieder, aber um jenes Maß verschoben, dass die darin zusammentreffenden Personen, ihre Motivationen jedes Mal ein wenig anders erscheinen.

Betört von einer Zufallsbegegnung mit einer Frau und im nächsten Moment schon wieder allein: António (Mauro Soares) in Leonardo Mouramateus' Debütfilm "António Um Dois Três".
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Die Vorlage stammt von Fjodor M. Dostojewski, der in seiner Novelle Weiße Nächte von einem träumerischen jungen Mann in St. Petersburg erzählt, den der Zufall in die Falle einer großen Liebe tappen lässt. Mouramateus hat die Erzählung ins Lissabon der Gegenwart transferiert. António (Mauro Soares) hat kürzlich sein Studium hingeschmissen. Diesen Schritt bezahlt er nun damit, dass ihn sein Vater vor die Türe setzt. Ohne festes Dach über dem Kopf wird er zum Drifter, was seinem anschlussfreudigen Naturell eigentlich gut entspricht. António findet bei seiner Ex-Freundin Unterschlupf, nur um bei nächster Gelegenheit mit der brasilianischen Untermieterin anzubandeln.

Schon diese erste Kurve in António Um Dois Três, der gerade bei Crossing Europe in Linz mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, besticht durch eine pointierte Form der Verknappung, die Raum für originelle Zwischentöne lässt. Die Szenenfolge bleibt lapidar und überraschend. Einmal wird António einen Videorekorder reparieren, in dem eine Kassette steckengeblieben ist. Die darauf zu sehende Botschaft kehrt an anderer Stelle des Films wieder, wohingegen die Frau, vor der er seine technischen Skills beweisen will, beim nächsten Mal an der falschen Stelle wartet. Screamin' Jay Hawkins' Song I Put a Spell On You bleibt mithin ein Leitmotiv, das mehr verspricht als einlöst.

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Die offene Struktur des Films bevorzugt das Fragmentarische an den Personen. Soll heißen, der Film betrachtet diese nicht als berechenbare Identitäten, sondern lässt sich auf die Suche nach Erfahrungen ein, durch die eine Persönlichkeit erst reift und wächst. Mit Nouvelle-Vague-Regisseur Jacques Rivette teilt Mouramateus zudem die Vorliebe, Kunst und Leben aufeinander zu beziehen: Im Theater – wo Dostojewski wiederkehrt – wird etwa die Frage, welche Rolle beständiger ist, noch einmal neu gestellt.

Trotz seines formalen Einfallsreichtums bewahrt sich António Um Dois Três Humor und Leichtigkeit. Es handelt sich um einen der seltenen Filme, dem es um die Freiheit seiner Figuren in mehrfachem Sinne ernst ist. (Dominik Kamalzadeh, 4.5.2018)