Der israelische Autor Dror Mishani ist ein einnehmendes Gegenüber. Kaum zu glauben, dass er sich gefinkelte Morde ausdenkt. Seine Krimis sind besonders. Statt spekulativer Blutbäder Nachdenklichkeit, statt allwissender Kommissare ein introvertierter Ermittler.

STANDARD: Ihre nicht vollendete Dissertation befasst sich mit der Geschichte des Kriminalromans. Ist das hilfreich oder hinderlich fürs Schreiben?

Mishani: Für mich war das Wissen um die literarische Form wichtig. Ich habe schon mit 20 davon geträumt, Schriftsteller zu werden und mit Shortstorys begonnen.

STANDARD: Sie haben gesagt, dass es in Israel so gut wie keine Tradition des Kriminalromans gibt. Warum?

Mishani: Die Literatur in Israel behandelt ernste Themen: Holocaust, Konflikte und politische Lage. Es gibt keine Science-Fiction, Fantasy oder Crime-Fiction. Das wird eher als etwas Minderwertiges angesehen.

STANDARD: Wie erklären Sie sich die Erfolge ihrer Krimis in Europa?

Mishani: Vielleicht, weil über Israel in den Nachrichten oft von gewaltsamen Auseinandersetzungen berichtet wird. Ich hingegen befasse mich mit dem Alltagsleben des Mittelstands. Das ergibt ein ganz anderes Bild.

STANDARD: Welche Autoren oder Autorinnen sind für Sie wichtig gewesen?

Mishani: Meine Vorbilder wechseln. Simenon, Mankell, Patricia Highsmith, die erst spät ins Hebräische übersetzt wurde.

STANDARD: Das klingt nach Old School ...

Mishani: Ich liebe Klassiker. Sie sind das Fundament. Es ist wie in der Musik. Ohne Mozart oder Bach gibt es keine gute Rockmusik.

STANDARD: In Ihren leisen, aber nachhaltig wirkenden Krimis kommt immer wieder heraus, dass man die Menschen nicht wirklich kennt.

Mishani: Genau das ist mir unheimlich, und daraus beziehen meine Krimis auch die Spannung. Man kann nie jemanden wirklich kennen, auch nicht die engsten Vertrauten. Meine Figuren sind für andere und für sich selbst ein Mysterium.

STANDARD: Gibt es nach "Die schwere Hand" noch einen Krimi mit Avi Avraham?

Mishani: Der vierte Band ist fertig. Avraham erweitert seine Persönlichkeit. Es gibt mehr politische Elemente. Ich habe einen Thriller geschrieben, den ich für wirklich gut halte. Er heißt 3 und handelt von drei Frauen und einem Killer. (Ingeborg Sperl, 9.5.2018)