Hirsch und Meister auf der Lichtung: Joseph Beuys 1982 beim Aufbau der "Hirschdenkmäler" im Martin-Gropius-Bau in Berlin.

Foto: Jochen Littkemann

Galerist Thaddaeus Ropac (57)

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"Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir die Erde in den Gropius-Bau hineingeschaufelt haben." Die Geschichte von Joseph Beuys' Werkensemble Hirschdenkmäler ist für Galerist Thaddaeus Ropac (geb. 1960) auch eine persönliche. Als Beuys 1982 das Environment für die Zeitgeist-Ausstellung in Berlin realisierte, war Ropac Praktikant mit dem "Glück", unmittelbar bei der Entstehung dabei zu sein.

Der Fluxus-Künstler "hat sein gesamtes Atelier von Düsseldorf nach Berlin bringen lassen und dort entschieden, eine Skulptur zu schaffen", erinnert Ropac sich im STANDARD-Gespräch. "Zu dieser Zeit hab ich Beuys noch nicht einmal verstanden, aber sein Charisma war beeindruckend. Ich wusste, dass ich am aufregendsten Ort war, wo man zu jener Zeit in der Gegenwartskunst sein konnte, und wie wichtig er als radikaler Denker war."

Nur ein Jahr später eröffnete Ropac in Salzburg seine erste Galerie, bis zum Ankauf von 38 Originalen dieser Werkgruppe sollte es allerdings noch ein längeres Weilchen dauern. Jetzt, quasi als Inszenierung der Nachricht, dass man die internationale Repräsentation des Beuys-Nachlasses übernimmt, zeigt Ropac die Hirschdenkmäler in seiner 2017 eröffneten Londoner Dependance in einem ehemaligen Bischofspalais im noblen Mayfair.

Blick auf die "Hirschdenkmäler" 1982 im Martin-Gropius-Bau
Foto: Jochen Littkemann

Wichtig ist diese Werkgruppe, weil sie den Höhepunkt von Beuys' Versuchen darstellt, den mythischen Symbolismus der germanischen Tradition einer neuen Verwendung zuzuführen. Dem Hirsch, repräsentiert durch ein Bügelbrett, kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Für Beuys war es ein Tier, "das in Zeiten der Not erscheint", und in seiner mystisch-alchemistischen Kunstpraxis war das Geweih, das nach dem Abwerfen stets nachwächst, ein starkes Sinnbild für Erneuerung.

Der Hirsch aus Joseph Beuys' Ensemble "Hirschdenkmäler".
Foto: Charles Duprat, © The Estate of Joseph Beuys Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg

Nach der Eröffnung in Berlin entschied der Künstler, einen Teil des Ensembles in Bronze abzugießen. Das erste Museum, das diese Abgüsse erwarb, war die Tate Gallery. Das erklärt, warum Ropac nun auch die Originale unbedingt in London zeigen wollte. Langfristig soll es aber auch für sie ein Happy End in einem wichtigen Museum geben. Nachgefragt ist Beuys etwa auch am asiatischen Markt. Erst kürzlich, so Ropac, hat das HOW Art Museum in Schanghai sogar sein Haus mit einer Schau des deutschen Bildhauers eingeweiht.

Der eigentliche Coup gelang dem Galeristen jedoch mit dem Nachlass von Beuys. Schon zu Lebzeiten war dessen Marktwert hoch gewesen. 1980 führte ihn die Weltrangliste der bedeutendsten Gegenwartskünstler, der Kunstkompass, noch vor Rauschenberg und Warhol auf Platz eins. Bisher wurde das Beuys-Erbe von seiner Familie, allen voran seiner streitbaren, heute 84-jährigen Witwe Eva, verwaltet.

Ropac, der eng mit den Erben zusammenarbeiten wird, sagt, der Kontakt habe sich mit der Zeit intensiviert. Viele große internationale Galerien hätten sich um den Nachlass bemüht, "ich war nicht der Einzige, der in Düsseldorf angeklopft hat". Womit man überzeugte? "Ich glaube, Eva Beuys hat gemerkt, dass es uns sehr um die Sache geht."

Beitrag zu Beuys und den "Hirschdenkmälern" aus dem Jahr 1982
Ganza Polatzski

Seit Beuys' Tod im Jahr 1986 gab es immer wieder Streit um seinen Nachlass. Insbesondere im Konflikt mit der 1990 gegründeten Stiftung der Brüder van der Grinten in Beuys' Geburtsort Kleve bemühte die Familie mehrfach die Gerichte. Im Streit mit der Stiftung im Museum auf Schloss Moyland wird Ropac aber nicht als neutraler Vermittler fungieren. "Wir werden uns in keiner Weise einmischen. Eine Klärung wird es aber geben müssen."

Seit 2011 ist es medial um den Streit, in den auch das Land Nordrhein-Westfalen involviert ist, still geworden. "Zum Glück hat man das aus der Öffentlichkeit herausgeholt", so Ropac, dessen Team sich in den kommenden Jahren auch dem ausstehenden Werkverzeichnis widmen wird. Auch dabei wäre ein schwelender Rechtsstreit nicht besonders förderlich.

"Erdtelefon", 1968
Foto: Charles Duprat, © The Estate of Joseph Beuys Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, London · Paris · Salzburg

Beuys und Österreich, diese Beziehung scheint hingegen, trotz früher Performances in der Galerie nächst St. Stephan 1967 und gestürmter Vorträge, kompliziert. Vielleicht wurde man nach dem jahrelangen Prozess (1993-2000) um den als Fälschung inkriminierten "Wiener Werkblock" vorsichtig. Museale Präsentationen blieben hierzulande jedenfalls rar, 2008 widmete man sich etwa in der Kunsthalle Krems dem Schamanen. Auch Ropac hat Beuys schon lange kein Solo mehr im Haupthaus in Salzburg gewidmet, zuletzt 1984 und 1988.

Beuys vitale soziale Plastik lebendig zu präsentieren, das ist nicht nur aus restauratorischer Perspektive ein schwieriges Unterfangen. (Anne Katrin Feßler, 7.5.2018)