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Zwei Monate liegt die Parlamentswahl schon zurück – und noch immer verfügt Italien über keine Regierung.

Foto: AP/ANSA/Ettore Ferrari

Auf dem Friedhof der nie geborenen Regierungen beging Italien nun ein weiteres Begräbnis: Neben dem Grab der Koalition aus der Fünf-Sterne-Protestbewegung (M5S) und der Lega stehe nun jenes der Allianz aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Demokratischer Partei (Partito Democratico, PD), schrieb La Stampa sarkastisch. Das Turiner Blatt spielte damit auf das Treffen der PD-Parteileitung an, bei dem Donnerstagabend über eine mögliche Regierungszusammenarbeit mit der Protestbewegung entschieden werden sollte.

Die Entscheidung war in Wahrheit schon am Sonntag gefallen, als Ex-Premier und Ex-Parteichef Matteo Renzi in einer Talkshow jede Kooperation der Mitte-links-Partei mit den "Grillini" ausgeschlossen hatte. Zwei Monate nach den Parlamentswahlen vom 4. März scheint es, dass die Bildung einer Koalition unmöglich ist. Die Wahlen hatten zwei Sieger ergeben: Die Protestbewegung von Beppe Grillo wurde mit 32 Prozent der Stimmen größte Einzelpartei, das Rechtsbündnis aus der fremdenfeindlichen Lega von Matteo Salvini, der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi und den "Brüdern Italiens" mit 37 Prozent stärkste Koalition. Doch auf eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament kamen beide nicht.

Eine Koalition der "halben Sieger" scheiterte an der Person Silvio Berlusconi: Fünf-Sterne-Spitzenkandidat Luigi Di Maio wollte nicht mit dem vorbestraften Ex-Premier regieren, Lega-Chef Salvini nicht ohne ihn. Nun hat Staatspräsident Sergio Mattarella bekannt gegeben, wie es in Rom weitergehen soll: mit einer letzten, eintägigen Konsultationsrunde am Montag.

Kaum noch Optionen

Viele Optionen hat das italienische Staatsoberhaupt nicht mehr – am wahrscheinlichsten ist derzeit die Bildung einer sogenannten "Baderegierung". Das ist ein Begriff aus der Zeit, als noch die Democrazia Cristiana (DC) regierte und in Rom Regierungskrisen an der Tagesordnung waren.

Gemeint ist eine Regierung, die das Land durch die langen Sommerferien führt und dabei nur die wichtigsten Geschäfte in Angriff nimmt. Im vorliegenden Fall wäre dies die Finanzplanung und vor allem die Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes, das bei den wohl unumgänglichen Neuwahlen im Herbst oder Winter einen Sieger garantieren wird. Dies wäre eine Notlösung, um die derzeitige Blockade für ein paar Monate zu überwinden: eine Regierung aus mehr oder weniger allen Parteien ohne gemeinsames Programm.

"Reserven der Republik"

Sollten die Konsultationen scheitern, wird Mattarella eine Persönlichkeit mit dem Auftrag zur Bildung einer solchen Notregierung ausstatten. Beauftragen könnte er damit Senatspräsidentin Maria Elisabetta Alberti Casellati von der Berlusconi-Partei Forza Italia oder den Präsidenten der Abgeordnetenkammer Roberto Fico der Fünf Sterne. Mattarella könnte aber auch einen Technokraten beauftragen, wie dies sein Vorgänger Giorgio Napolitano 2011 mit dem Wirtschaftsprofessor Mario Monti getan hatte. Als "Reserven der Republik" gelten auch ehemalige Verfassungsrichter – wie Mattarella selber einer ist.

Ob der von Mattarella ausgewählte Premier in spe die obligatorische Vertrauensabstimmung in den beiden Parlamentskammern überstehen würde, ist unklar. Sowohl Lega-Chef Matteo Salvini als auch M5S-Gegenüber Di Maio haben eine Unterstützung einer solchen Regierung bereits ausgeschlossen. Vor allem Di Maio, der sich mit seinem Anspruch, in jeder wie auch immer gearteten Regierungskoalition den Premier geben zu wollen, in den vergangenen zwei Monaten arg verkalkuliert hat, drängt auf sofortige Neuwahlen. Diesen Gefallen wird ihm der Staatspräsident aber nicht tun.

Sollte der neue Premier im Parlament scheitern, wäre dies auch nicht weiter tragisch: Dann würde eben der geschäftsführende Premier Paolo Gentiloni erst einmal weiter im Amt bleiben, bis sich die Parteien auf ein neues Wahlrecht geeinigt haben.

Möglich, aber auch ziemlich unwahrscheinlich ist auch diese Lösung: Seit dem klaren Wahlsieg der Lega in der Region Friaul-Julisch Venetien fordert Salvini einen Regierungsauftrag. Den wird der Putin-Bewunderer und Nordkorea-Fan eher nicht erhalten – möglicherweise aber sein Parteifreund Giancarlo Giorgetti. Der Absolvent der Mailänder Eliteuniversität Bocconi ist politisch erfahren, gilt als gemäßigt und kann auch beim politischen Gegner auf gewisse Sympathien zählen. (Dominik Straub, 6.5.2018)