Christian Kern scheint fest entschlossen zu sein durchzuhalten. Viele professionelle Beobachter woll(t)en ja nicht so recht glauben, dass sich ein Ex-Kanzler, der abseits der Politik wohl einen besser dotierten Job ergattern würde, die harte Oppositionsbank antut. Aber Kern trägt die Liebe zur Partei derart demonstrativ vor sich her, dass ein Absprung kaum noch möglich wäre, ohne als Verräter in die rote Geschichte einzugehen.

Auch nach der Niederlage weckt der Obmann hohe Erwartungen. Soll die versprochene Demokratisierung nicht nur Fassade sein, liefe das auf eine Revolution hinaus: Traditionell funktioniert die SPÖ zentralistischer als die ÖVP, die Kern nun als "Führerpartei" brandmarkt. Ob die Debatte über das neue Parteiprogramm die Genossen tatsächlich zu einem neuen Aufbruch motiviert, wie das der Chef suggeriert, wird sich an der Beteiligung zeigen, wenn die Mitglieder Ende Juni über das Ergebnis abstimmen.

Soll das Programm auch eine inhaltliche Klärung bringen, muss Kern eine Debatte führen, vor der sich die SPÖ gerne gedrückt hat: jene über die Haltung in der Ausländerfrage. Einerseits ist gerade das rote Wien bei Wahlen mit Fundamentalopposition gegen rechte Politik gut gefahren – andererseits sind längst auch an der roten Basis Klagen zu hören, wie man sie von FPÖ-Wählern kennt. Ob Kern da eine schlüssige Linie findet, die zu keiner Spaltung führt, wird für das Schicksal der SPÖ entscheidend sein. (Gerald John, 4.5.2018)