Air-France-KLM-Piloten gehören zu den bestbezahlten der Welt. Etliche Streiks der Piloten und der staatlichen Bahn sorgten für ein Verkehrschaos.

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Air-France-KLM-Vorsteher Jean-Marc Janaillac ist wie seine Vorgänger – deren drei wechselten sich seit 2011 ab – ein ehemaliger Staatsfunktionär.

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Paris – Der Zeitpunkt des jüngsten Streiks des Air-France-Personals am Montag und Dienstag war gut gewählt: Zehntausende Franzosen wollten in dieser Maiwoche mit gleich zwei Feiertagen verreisen. Viele kamen nicht einmal über den Pariser Flughafen Roissy hinaus. Dass es in den Warteschlangen nicht zu Tumulten kam, ist wohl einzig dem Gewöhnungseffekt zu verdanken: Seit Februar streiken die 47.000 Air-France-Bediensteten schon zum 13. Mal für eine sofortige Lohnerhöhung um sechs Prozent. Die Direktion will den Anstieg auf vier Jahre strecken. Dagegen sind die Piloten, die zu den bestbezahlten der Welt zählen: Ein erfahrener Bordkommandant verdient brutto rund 20.000 Euro im Monat, mehr als die Kollegen bei Lufthansa oder British Airways.

Air-France-KLM-Vorsteher Jean-Marc Janaillac platzte nach wochenlangen, aber fruchtlosen Verhandlungen der Kragen: Er setzte im April eine betriebsinterne Abstimmung über seinen Tarifplan an, wobei er den Ausgang mit seinem eigenen Mandat verknüpfte. Doch die Piloten sind intern weniger isoliert, als Janaillac annahm: Jüngst lehnten 55 Prozent der Air-France-Angestellten die neue Lohnskala ab. Der Konzernvorsteher kündigte umgehend seinen Rücktritt an.

Schwerste Krise seit Fusion

Air France schlittert damit führungslos in die schwerste Krise seit ihrer Fusion mit der niederländischen KLM im Jahr 2003. Am Montag verlor die Aktie zeitweise bis zu 14 Prozent an Wert. Im Vorjahr hat Air France-KLM zwar noch einen Gewinn ausgewiesen; dieser ging aber vor allem auf die starke Leistung des holländischen Partners zurück. Air France allein hat im ersten Quartal 2018 einen Verlust von 269 Millionen Euro eingeflogen – und das trotz eines weltweit steigenden Passagieraufkommens. Die wiederholten Streiktage gehen ebenso ins Geld wie die steigenden Kerosinpreise.

Die Pilotengewerkschaft SNPL wirft der Direktion aber auch Unfähigkeit vor. Janaillac ist wie seine Vorgänger – deren drei wechselten sich seit 2011 ab – ein ehemaliger Staatsfunktionär. Er galt als fast so hochmütig wie der selbstherrliche SNPL-Leiter Philippe Evain.

Die KLM-Manager in Amsterdam murren immer lauter, bisher aber ohne Erfolg. Kapitalmäßig haben sie nichts zu sagen, während der französische Staat mehr Einfluss hat, als es sein Kapitalanteil von 14,3 Prozent glauben macht. Andere Air-France-Partner wie Delta Air und China Eastern halten je 8,8 Prozent der Anteile.

Besonnenheit

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire rief die Belegschaften von Air France zur Besonnenheit auf und warnte sie: "Wenn die Gesellschaft die nötigen Anstrengungen für ihre Wettbewerbsfähigkeit unterlässt, wird sie verschwinden." Er verwies auf Fluggesellschaften wie Austrian, Swiss oder Alitalia, die ihre Unabhängigkeit verloren hätten. Pariser Medien kommentieren, die Regierung könne ein so emblematisches Unternehmen mit der Bezeichnung "France" im Namen nicht einfach fallenlassen. In der Vergangenheit habe sie schließlich auch dem Autohersteller PSA oder dem TGV-Hersteller Alstom unter die Arme gegriffen.

Unbestreitbar sei hingegen, so gibt der Luftfahrtexperte Gérard Feldzer zu bedenken, dass Air France gegenüber ihren direkten Konkurrenten immer mehr ins Hintertreffen gerate. Und wer nicht ganz vorn dabei sei, werde in Europa rasch von der übrigen Konkurrenz der Billiganbieter und Golf-Airlines überflügelt. Air France hatte nach der Übernahme von KLM vorübergehend den größten Umsatz aller Airlines erzielt. Seither verliert sie in Europa aber Marktanteile. Während Lufthansa heute rund 130 Millionen Passagiere im Jahr befördert, kommt Air France-KLM nur auf 100 Millionen.

Billigairline lässt aus

Mit ein Grund ist der bescheidene Erfolg der Billigflugairline Transavia. Statt eine schlagkräftige Airline aufzubauen, die den Low-Cost-Rivalen wie Ryanair und Easyjet Paroli bieten könnte, streiten sich Piloten und Direktion bei Air France seit Jahren über die Arbeitsbedingungen bei Transavia. Das Unternehmen verfügt deshalb bis heute nur über eine Flotte von 40 Flugzeugen – die Hälfte des ausgewiesenen Bedarfs.

Über Air France hinaus schwächt Janaillacs Sturz auch die Stellung von Emmanuel Macron. Der Staatspräsident hat mit dem anhaltenden Streik bei der französischen Staatsbahn SNCF schon genug am Hals und wird nun mit einer weiteren Blockade im Transportwesen konfrontiert. Bisher weigerte er sich, den Streikenden entgegenzukommen. Mit fortschreitender Dauer des Verkehrschaos in Frankreich könnte Macron aber dazu gezwungen sein. Damit würde sein ganzer Reformelan gebremst. (Stefan Brändle aus Paris, 7.5.2018)