Bereits im ersten Semifinale trifft der Linzer Cesár Sampson auf die härtesten Gegner, denn nahezu alle Favoriten, die in den Wettquoten vorne liegen, wurden ins erste Halbfinale gelost. Eine Ungleichheit, die es so bisher noch nie gab. Seine Mutter konnte bereits in über 100 Ländern einen Song verbreiten: Kathy Sampson sang den Titelsong zur erfolgreichen ORF-Serie "Kommissar Rex". Nun ist ihr Sohn dran, einen weltweiten Erfolg zu erreichen.

Cesár Sampson auf der Bühne.
Foto: Andres Putting, EBU

Schreuder: Wie ist dein Eindruck von Portugal?

Sampson: Ich habe bereits gewusst, dass Portugal was mit mir macht. Portugal hat immer ganz besondere Erlebnisse in meinem Leben begleitet. Ich verknalle mich gerade wieder aufs Neue in Portugal. 17-jährig war ich mit Louie Austen auf Tour, für den ich ja dann Jahre später auch viel geschrieben habe, und wir waren hier in Lissabon im Lux-Frágil-Club und haben die besondere Wärme des portugiesischen Publikums erlebt. Die ist wirklich was ganz Besonderes.

Schreuder: Du hast nicht nur für Louie Austen geschrieben, sondern für sehr viele Acts. Was hast du denn bisher alles gemacht?

Sampson: Wir haben mit den Symphonics 2008 begonnen, Acts aus Bulgarien und Griechenland mit Songs zu versorgen. Auch für österreichische Acts haben wir viel geschrieben. Es ging nie nur darum, die Charts mit Songs zu beliefern. So 2012 und 2013 war ich sogar vor allem ein Alternative-Songwriter. Die waren nicht unbedingt für Ö3 geschrieben. Noch früher habe ich auch sehr viel für G-Stone, wo ich ja auch selbst unter Vertrag war, geschrieben.

Schreuder: Du bist schon seit einigen Tagen in Portugal und hast die ersten Proben hinter dir. Zufrieden?

Sampson: Die erste Probe ist immer die speziellste. Da siehst du dann ungefähr, ob man am richtigen Weg ist, so vom Papier auf die Bühne. Jetzt kann ich sagen, wir sind auf jeden Fall am richtigen Weg. Es gibt natürlich noch einige Sachen, die wir feintunen wollen, aber nichts Grundlegendes mehr. Wir werden das Beste rausholen und sind zuversichtlich.

Cesár Sampson und Komponist Sebastian Arman treffen die Schweizer Vertreter Zibbz in einem Park in Lissabon.
Foto: Alkis Vlassakakis

Schreuder: Hast du eine Botschaft, die du rüberbringen willst?

Sampson: An diesem Punkt, wo das Lied schon lange geschrieben ist, möchte ich vor allem mein Naturell nach außen bringen. Das funktioniert hier über Kameras, woran ich mich üben muss, denn ich war immer Livemusiker. Ich habe noch nie mit so vielen Kameras arbeiten müssen. Es geht mir wirklich darum, dass der Zuschauer spürt, was ich fühle, während ich das Lied singe. Das bedeutet, ich muss darauf achten, dass die Kamera da ist, wo ich diese Emotion gerade ausstrahle, und das an den Schlüsselpunkten des Songs. Daran arbeiten wir.

Schreuder: Was fühlst du bei deinem Song?

Sampson: Für mich ist es ein sehr persönlicher Song, er hat sehr viel mit meinem Wachstumsprozess zu tun, da ist sehr viel von meinem Lebensweg drinnen. Dinge, die ich zehn Jahre zurückgehalten habe. Das kommt da jetzt raus.

Schreuder: Ich habe dich nun schon ein paar Mal getroffen und bin immer wieder überrascht, weil du so einen enorm ausgeglichenen Eindruck machst. Du machst viel Sport, bist oder warst ja auch Personal Trainer, und du meditierst, wie du mir erzählt hast. Hilft das in zugespitzten Stressmomenten wie beim Song Contest?

Sampson: In Momenten, in denen zahlreiche Meinungen aufeinandertreffen, man in großen Teams arbeitet, sehr viel Öffentlichkeitsarbeit ansteht, viele Bedürfnisse zusammenkommen und bewertet wird, weil man sich ja auch dieser Bewertung zur Verfügung stellt, da soll man schon einigermaßen gefestigt sein. Deswegen habe ich so lange damit gewartet, selbst in die Öffentlichkeit zu gehen. Mit zwanzig hätte ich nicht mit dieser Freude in so einen Bewerb hineingehen können. Sich mit seinem Körper auseinanderz setzen und sich zentrieren zu lernen und äußerliche Einflüsse ausblenden zu lernen war sehr wichtig für diesen Weg. Wenn du tief in dir drinnen weißt, wer du bist, kannst du immer wieder dorthin zurück.

Beim 63. Eurovision Songcontest wird es am Dienstagabend in Lissabon ernst für den Österreichischen Kandidaten – der Linzer Cesár Sampson rittert im ersten Semifinale gemeinsam mit 18 Mitbewerbern um den Einzug ins Finale.
ORF

Schreuder: Was erhoffst du dir von deinem Auftritt? Dass du ins Finale willst und einen Platz möglichst weit vorne, ist ja eh klar, und das wirst du in den kommenden Tagen eh noch oft sagen müssen. Aber gibt es darüber hinaus noch etwas?

Sampson: Im idealsten Fall, den ich mir vorstellen kann, sieht man mir im Semifinale die Metamorphose vom Studiomusiker zum Bühnenmusiker an, und dass ich beim Finale noch eins drauflegen kann. Ich muss den Erfahrungsschatz in mir immer noch raustreten. Als ich 18 war, trat ich in Rom mit dreifach eingesprungenen Pirouetten auf und dachte nicht darüber nach. Genau das mit den ganzen Kameras hinzubekommen, das wäre super. Dann kann man sehen, was mit mir passiert, wenn ich wirklich loslassen kann.

Schreuder: Und nach dem Finale? Was dann?

Sampson: Wir wollen natürlich weitere Lieder herausbringen, wir haben einen Release-Plan für fünf Songs. Es gibt zudem einige Liveanfragen.

Schreuder: Du bist Personal Trainer, zudem im Musikbusiness hinter den Kulissen mit dem österreichisch-bulgarischen Projekt Symphonics aktiv. Ist das beruhigend, wenn man weiß, dass man ja abseits der Bühne Aufgaben und Einnahmen hat?

Sampson: Ja, genau, ich wollte immer Musik der Musik wegen machen und muss jetzt nicht von meiner Linie drastisch abweichen, nur weil es notwendig ist.

Schreuder: Welche Musikrichtung willst du einschlagen? Dein Song wird hier meistens Gospel-Soul genannt.

Sampson: Ich glaube gar nicht, dass "Nobody But You" ein Gospellied ist. Ich glaube, da haben sich die Leute dran aufgehängt, weil da dieser Gospelchor drin ist, aber sonst hat das Lied herzlich wenig mit Gospel zu tun. Wir haben nur diesen Gospelaspekt hineingelegt, um auch diesen Aspekt des Spirituellen hineinzulegen. Ich komme aber nicht aus dem Gospel und habe immer schon von Anfang an Stilebenen gemischt. Ich war auch nie ein reiner Soulmusiker. Ich habe immer Jazz, Rock, Blues dringehabt.

Marco Schreuder im Gespräch mit Cesár Sampson (re.).
Foto: Alkis Vlassakakis

Schreuder: Du hast den Eurovision Song Contest als Backgroundsänger für die bulgarischen Beiträge 2016 und 2017 kennengelernt und dich dann entschieden, selbst an vorderster Front daran teilzunehmen. Was ist das Besondere am Song Contest?

Sampson: Dieser Wettbewerb bietet eine Plattform, die es sonst nicht gibt und die eine enorme Reichweite hat. Es ist eine sehr eigene Art, ein Lied vorzustellen, denn man kann nirgendwo so vieles einem Publikum gleichzeitig vorstellen: den Bühnenauftritt, das Artwork, die Person, den Hintergrund zur Person, das Lied, manchmal in mehreren Versionen. Es ist mehr so, wie es in den Achtzigern war. Damals hat man sich noch länger mit Dingen auseinandergesetzt und nicht einfach nur kurz mal gestreamt.

Schreuder: Eigentlich trittst du ja nicht nur mit deinem Lied an, sondern als Teil des Kollektivs Symphonics auch indirekt mit dem bulgarischen Beitrag "Bones" von Equinox. Wie ist es, im selben Semifinale mit Freunden aufzutreten?

Sampson: Das ist das schönste Gefühl, dass wir da alle gemeinsam sind, so viele Menschen, die ich wirklich schon sehr lange kenne und mag und die jetzt alle um mich herum sind, das taugt mir sehr. Die Kollegialität und der gegenseitige Support sind hier überhaupt unter sehr vielen Leuten verbreitet, ohne dass man dabei denkt, dass man ja eigentlich gegeneinander antritt.

Schreuder: Alle hier reden über die ungleiche Verteilung der Favoriten in den zwei Semifinale. Das erste Semifinale, in dem auch du antrittst, gilt als das vorweggenommene Finale, wo sich alles tummelt, was in den Wettquoten vorne liegt, während das zweite Semifinale eher als schwächer wahrgenommen wird.

Sampson: Es sind auch im zweiten Semifinale sehr starke Lieder, zum Beispiel Australien und Schweden, aber sonst finden sich tatsächlich alle Songs mit dem größten Wiedererkennungswert bei uns im ersten Semifinale, ja.

Schreuder: Wer wird deiner Meinung nach gewinnen?

Sampson: Es könnten ein paar Acts genau an dem Tag eine Performance hinlegen, die zum Sieg reicht.

Schreuder: Du glaubst also, es kommt dieses Jahr sehr auf die Tagesverfassung an?

Sampson: Ja, das glaube ich. Wer es schafft, pointiert zu sein, wird gewinnen. Es ist jetzt noch gar nichts entschieden. (Marco Schreuder, 7.5.2018)