Wien – Politiker in Wien und Bratislava bereiten sich derzeit intensiv auf dasselbe Datum vor: Am 1. Juli übernimmt Österreich für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft, gleichzeitig geht der einjährige Vorsitz in der Visegrád-Gruppe (V4) auf die Slowakei über. Dass beide Länder im zweiten Halbjahr 2018 wichtige Koordinierungsfunktionen innehaben werden, war am Montag eines der zentralen Themen beim Besuch des neuen slowakischen Premierministers Peter Pellegrini in Wien.
Die Slowakei wolle ein "guter Partner Österreichs" während dessen EU-Präsidentschaft sein, versprach Pellegrini bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). So sehe er es etwa als Aufgabe des slowakischen V4-Vorsitzes an, zwischen den übrigen Visegrád-Partnern Tschechien, Polen und Ungarn einerseits und dem Rest der EU andererseits "Brücken zu bauen".
Die äußeren Voraussetzungen dafür scheinen zunächst nicht die schlechtesten zu sein. Die Slowakei ist immerhin der einzige Visegrád-Staat, der Mitglied der Eurozone ist. Dennoch: In einigen wichtigen Fragen, vor allem in der Flüchtlingspolitik, bei der die V4 entschieden gegen verpflichtende Aufnahmequoten eintreten, dürfte ein EU-weiter Konsens nur schwer zu erzielen sein.
Bundeskanzler Kurz verteidigte die geplante Indexierung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder von in Österreich beschäftigten Arbeitnehmern. Sie stelle keine Diskriminierung dar, so Kurz: Ein slowakischer Arbeitnehmer, dessen Kinder in Österreich leben, bekäme dieselbe Unterstützung wie seine österreichischen Kollegen. Die Bundesregierung wolle lediglich Gerechtigkeit herstellen und die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten vor Ort anpassen.
Rechtliche Bedenken
Pellegrini freilich sieht das anders: "Wenn jemand die gleichen Steuern und Abgaben in einem Land zahlt, dann hat er auch Anspruch auf die gleichen Sozialleistungen", erklärte er. Das Vorhaben Wiens hält er daher für "nicht ganz mit EU-Recht vereinbar". Vor der Unterredung mit Kurz hatte Pellegrini Bundespräsident Alexander Van der Bellen getroffen. Dieser hatte bereits im Februar beim Besuch seines slowakischen Amtskollegen Andrej Kiska Bedenken wegen "europarechtlicher Schwierigkeiten" geäußert.
Peter Pellegrini löste im März Robert Fico als Premier ab. Dieser war aufgrund des hohen politischen Drucks nach der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak zurückgetreten. Pellegrini gehört Ficos sozialdemokratischer Partei Smer an, die von Kritikern allerdings häufig als linkspopulistisch bezeichnet wird. (Gerald Schubert, 7.5.2018)