Wien – Seit sie in der Regierung sitzen, mühen sich die Freiheitlichen mit der Distanzierung vom Antisemitismus ab. Parteichef Heinz-Christian Strache gibt sich engagiert, ist aber laufend mit rechtsrechten Ausrutschern konfrontiert. Nun will die FPÖ auch nicht mehr in der rechtsextremen Zeitschrift "Aula" inserieren. Die Chronologie einer versuchten Abkehr.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Spagat.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

DISTANZIERUNGEN

6. Mai 2018 – Den Tag des Gedenkens auf dem Gelände des KZ Mauthausen nutzte die FPÖ, um sich von einer Zeitschrift zu distanzieren, in der von dort befreite Häftlinge als "Landplage" und "Kriminelle" bezeichnet wurden: Man werde in der rechtsextremen Zeitschrift Aula keine Inserate mehr schalten, erklärte der blaue Klubchef Walter Rosenkranz in der ORF-Sendung Im Zentrum. Nachsatz: Die Bundes-FPÖ habe dort aber ohnehin seit Jahren nicht mehr geworben. Ganz so stimmt das nicht. Im Jahr 2016 hatte das FPÖ-Bildungsinstitut eine Annonce in der Aula geschaltet, danach zumindest einzelne FPÖ-Politiker.

Eigentümer der Zeitschrift sind die Freiheitlichen Akademikerverbände (FAV), in deren Gremien mehrere blaue Spitzenfunktionäre sitzen – unter anderem der Nationalratsabgeordnete Wendelin Mölzer. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky beteuert im Gespräch mit dem STANDARD: "Wir wollen mit der inhaltlichen Entwicklung, die dort eingeschlagen wurde, nichts zu tun haben." Ob die Zeitschrift "rechtsextrem" sei? "Diese Beurteilung überlasse ich anderen."

5. Mai 2018 – Der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner reagiert auf das Verbreiten antisemitischer Verschwörungstheorien durch den blauen Klubobmann Johann Gudenus (siehe Einzelfälle): Sie war "unsensibel. Er weiß genau, wie sehr die FPÖ um Aussöhnung mit den Juden und dem Staat Israel bemüht ist", sagte Haimbuchner im Interview mit dem STANDARD. Die klare Haltung Straches gegen Antisemitismus wollten "manche einfach nicht wahrhaben". Haimbuchner sagte aber auch, Gudenus’ Aussage sei "nicht antisemitisch gemeint" gewesen. Nicht so streng mit seinem Parteifreund ist der ehemalige EU-Abgeordnete Andreas Mölzer: Man werde Gudenus "nicht vor ein Parteigericht zerren, weil er einen Milliardenspekulanten für seine Aktivitäten im Zusammenhang mit NGOs kritisiert".

31. Jänner 2018 – Nach dem Rücktritt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer im Zuge der Liederbuchaffäre (siehe Einzelfälle) kündigte Strache die Einsetzung einer Historikerkommission an, um "dunkle Flecken" in der Parteigeschichte aufzuarbeiten. Wenig später wurden allerdings Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Kommission laut: Die "Referenzgruppe" für die Aufarbeitung leitet Mölzer, die Gruppe selbst der blaue Ex-Politiker Wilhelm Brauneder. Mölzer bezeichnete die Kommission als ein "taktisches Manöver, um aus den Schlagzeilen zu kommen". Nach einer Zurechtweisung durch Strache relativierte Mölzer die Aussagen. Er betont im Gespräch mit dem STANDARD, dass es kein legitimes Motiv gebe, Antisemitismus zu dulden: "Man will sich distanzieren, weil es unanständig ist. Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen, wie wir von den Linken hören." Freilich könne er sich angesichts scharfer Angriffe des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, vorstellen, "dass beim einen oder anderen Emotionen hochkochen oder Reflexe – auch wenn ich das nicht schön finde".

Strache beim Akademikerball: "Wer dieses Verständnis nicht trägt, der ist bei uns nicht willkommen."
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26. Jänner 2018Seinen Auftritt beim Akademikerball nutzte Strache, um Antisemitismus in den eigenen Reihen scharf zu verurteilen. Das freiheitliche Lager habe seit jeher totalitäre Systeme bekämpft: "Das ist unser Verständnis. Und wer dieses Verständnis nicht trägt, der ist bei uns nicht willkommen", sagte er vor den rund 3.000 Ballgästen. "Wir sind keine Opfer, wir sind keine Täter", hielt Strache außerdem fest. Für Mölzer kommt der Zeitpunkt von Straches Distanzierung nicht zufällig: "Eine Regierungspartei muss sich klarer erklären als eine fundamentaloppositionelle Partei." Natürlich komme es dann vereinzelt zu Problemfällen, aber "es wird immer, wenn es angebracht ist, darauf reagiert".

EINZELFÄLLE

4. Mai 2018Im Rahmen seiner Rede bei den Gedenkfeierlichkeiten des Parlaments schenkte der Schriftsteller Michael Köhlmeier den Freiheitlichen ordentlich ein. Er warf den Blauen Heuchelei im Umgang mit Juden vor. Die FPÖ reagierte darauf beleidigt bis erbost und holte zu einem Gegenschlag aus: Klubobmann Walter Rosenkranz und der Abgeordnete David Lasar bezeichneten Köhlmeier als selbstgerecht, er habe die Gedenkveranstaltung durch seine Kritik "desavouiert".

Johann Gudenus verbreitet "stichhaltige Gerüchte" über George Soros.
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20. April 2018 – George Soros soll die Migration nach Europa steuern: Diese bekannte antisemitische Verschwörungstheorie verbreitete FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus in einem Interview: Es gebe "stichhaltige Gerüchte" dafür. Parteichef Strache erklärte daraufhin, Gudenus' Kritik habe nichts mit der Konfession des jüdischen Soros zu tun. SPÖ-Chef Christian Kerns Kritik an Gudenus' Äußerungen sei "letztklassig", er versuche, "den Brunnen zu vergiften" – womit Strache seinerseits ein antisemitisches Klischee gebrauchte.

7. März 2018 – Der Imster FPÖ-Bezirksobmann Wolfgang Neururer verschickte in einer Whatsapp-Gruppe mehrere Hitler-Bilder, die mit Texten wie "Adolf bitte melde dich" versehen waren. Die Tiroler FPÖ erklärte, Neururer habe die Bilder versandt, um andere Parteimitglieder zu warnen, dass derlei Abbildungen im Umlauf seien. Ein FPÖ-Bezirksrat, der gleichzeitig als Attaché in der österreichischen Botschaft in Israel und somit als diplomatischer Vertreter Österreichs tätig ist, teilte ein Bild seines Großvaters in Nazi-Uniform mit Hakenkreuz. Ende März wurde auch bekannt, dass zwei oberösterreichische FPÖ-Gemeinderäte Hitler-Bilder verschickt hatten. Sie traten dann freiwillig aus der Partei aus.

24. Jänner 2018 – "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: 'Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million'": Solche und andere naziverherrlichende Texte fanden sich im Liedheft der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, wie kurz vor der niederösterreichischen Landtagswahl bekannt wurde. FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer war zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender des Männerbundes. Strache hielt ihm zunächst den Rücken frei, Landbauer trat nach der Wahl von allen Ämtern zurück – die FPÖ räumte ihm aber ein Rückkehrrecht ein.

20. Jänner 2018 – Ein Flachgauer FPÖ-Funktionär hatte ein Wunschkennzeichen mit besonderer Bedeutung: die Zahl 88. Die Ziffernfolge gilt als Nazicode für "Heil Hitler" (H ist der achte Buchstabe im Alphabet). Der Politiker fand eine andere Erklärung für sein Kennzeichen. Er sei am 8. August mit seiner Frau zusammengekommen. Zwar habe man ihn schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht, welche Bedeutung 88 noch hat, er habe das aber "nie richtig ernst genommen".

11. Jänner 2018 Der Innenminister will Asylwerber "konzentriert halten". Das sagte Herbert Kickl (FPÖ) bei einer Pressekonferenz, auf der die Zahlen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl präsentiert wurden – angesprochen auf die Unterbringung von Asylwerbern, die Kritiker als Massenquartiere bezeichnen.

16. November 2017Andreas Bors, der von der FPÖ Niederösterreich für den Bundesrat nominiert wurde, nahm sein Mandat schließlich nicht an. Der 28-Jährige wurde von seiner Vergangenheit eingeholt. Drei Jahre zuvor war von den Bezirksblättern ein Foto veröffentlicht worden, auf dem Bors die Hand zum Hitlergruß hebt. Bors’ Erklärung für die Pose: Er könne sich nicht mehr genau erinnern, möglicherweise könnte es sich um "Fangesänge" für einen Fußballverein gehandelt haben.

(Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 8.5.2018)