10. Mai 1978: Habeler führt den schneeblinden Messner ins Basislager. Zwei Tage zuvor waren sie auf dem Gipfel. "Es ist leicht, ein guter Bergsteiger zu werden. Aber schwer, ein alter Bergsteiger zu werden."

Foto: Wolfgang Nairz

Bild nicht mehr verfügbar.

19. April 2018: Peter Habeler, Wolfgang Nairz und Reinhold Messner (von links) während einer Feierlichkeit in Kathmandu.

Foto: AP/Shrestha

Das Bild "Zurück zum Everest – 1978–2018" der Tiroler Künstlerin Maria Peters, limitierte und nummerierte Auflage von 100 Stück, signiert von allen (noch lebenden) Expeditionsteilnehmern 1978, gibt es gegen eine Spende von 220 Euro für die Nepal-Hilfe Tirol. Email an: alpinconsult@nairz.at

Foto: Wolfgang Nairz

Für Wolfgang Nairz (73) persönlich war und ist schon der 3. Mai kein unwesentliches Datum. Robert Schauer, Horst Bergmann und Nairz hatten am 3. Mai 1978 als erste Österreicher den 8.848 Meter hohen Gipfel des Mount Everest erreicht. Es war dies nur ein Höhepunkt für die große, von Nairz zwei Jahre lang vorbereitete Everest-Expedition des Österreichischen Alpenvereins. In ihrem Rahmen glückte dem Tiroler Franz Oppurg die erste Solobesteigung, Reinhard Karl zierte das erste deutsche Gipfelfoto. "Doch die Weltsensation war der 8. Mai", sagt Nairz. "Da kommt man nicht drüber hinweg." Am 8. Mai hatten Reinhold Messner und Peter Habeler ohne Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff den Gipfel erreicht.

Der Tiroler Nairz, Gletschervermesser sowie geprüfter Berg- und Skiführer, hatte bereits 1972 seine erste Himalaja-Expedition geleitet, zur Südwand des 8.163 Meter hohen Manaslu, die von Messner erstmals durchstiegen wurde. "Danach habe ich wegen des Everest angesucht", sagt Nairz, "und ein Permit bekommen – für 1978. Heute kann man das alles im Reisebüro buchen. Aber das war eine andere Zeit."

Ein besonderer Status

Es war nicht zuletzt eine Zeit, in der es viele Kundige für unmöglich hielten, dass der 8.848 Meter hohe Everest "by fair means", ohne künstlichen Sauerstoff, bestiegen werden könnte. Der Südtiroler Messner, damals 33, und der Nordtiroler Habeler, 35 Jahre alt, trauten es sich zu. Ihr Unterfangen erregte derart viel Aufsehen, dass ihnen eine Sonderstellung zugestanden wurde und sie sich nach einem gescheiterten Versuch nicht wieder hinten anstellen mussten. Tatsächlich scheiterte der erste Versuch, da sich Habeler eine schwere Magenverstimmung zugezogen hatte.

Sie wussten, ihre physische wie psychische Stärke würde für einen zweiten Anlauf reichen, für mehr aber nicht. Nairz: "Peter und Reinhold zählten zu den allerbesten Bergsteigern der Welt. Sie waren große Individualisten, aber sie passten auch hervorragend zusammen. Messner und Habeler waren ein Dreamteam. Die Besteigung auf diese Art war damals nur ihnen möglich."

Eine starke Mannschaft

Zwölf Teilnehmer umfasste die von Nairz geleitete Expedition. "Praktisch eine Fußballmannschaft", sagt er, "und ich als Trainer." Sie mussten, um einen Spruch abzuwandeln, zwar nicht elf Freunde sein, verstanden sich aber ausgezeichnet. Auch das sei ein Geheimnis des Erfolgs gewesen. "Alle haben zusammengeholfen", sagt Nairz. "Wir waren wirklich als Mannschaft stark." Am Ende kam die erfolgreichste Everest-Expedition bis dahin heraus, neun der zwölf Teilnehmer hatten den Gipfel erreicht. Nairz hatte, wie er sagt, eine "Demokratur" ausgerufen. "Wir haben alles durchdiskutiert. Wenn es keine Einstimmigkeit gab, habe ich entschieden." Das betraf etwa jenes Trio, dessen Aufstieg am Ende "nicht mehr verantwortet werden konnte", weil es zu warm und deshalb am Khumbu-Eisbruch zu gefährlich geworden war.

Messner und Habeler hatten noch günstige Bedingungen vorgefunden. Wobei laut Nairz die Bedingungen in einem Maße unvorhersehbar waren, dass man sich das heute nicht mehr vorstellen könne. "Wir hatten einen Höhenmesser, der uns gezeigt hat, ob der Druck steigt oder fällt. Und wir haben die Wolken und den Wind beobachtet." Das Risiko war, weil schwer kalkulierbar, von vornherein hoch. Umso mehr war Besonnenheit gefragt – auch dies eine Eigenschaft, die Messner und Habeler stets auszeichnete.

Eine alte Weisheit

Das Duo hatte beispielsweise 1977, ein Jahr vor dem Everest, an der Dhaulagiri-Südwand abgebrochen, weil Lawinen zu befürchten gewesen waren. Für Nairz ist es "eine große Stärke zu wissen, wann man umkehren muss". Er zitiert seinen "väterlichen Freund" Mathias "Hias" Rebitsch, der ein Pionier des Freikletterns war. "Der Hias hat immer gesagt: Es ist leicht, ein guter Bergsteiger zu werden. Aber es ist schwer, ein alter Bergsteiger zu werden."

Auch so gesehen ist es bemerkenswert, dass sich im vergangenen April alle noch lebenden Teilnehmer der 78er-Expedition nach Nepal und ins Everest-Basislager begaben, um ihr Jubiläum zu begehen. Es sind immerhin acht. "Wer weiß, ob wir das Fünfzigjährige noch erleben", sagt Nairz, der das Treffen organisiert hat, und fügt halbernst hinzu: "Oder wir brauchen dann schon einen Rollator-Sponsor." Natürlich waren auch Messner und Habeler dabei, als ein durch das Erdbeben 2015 zerstörtes Krankenhaus wiedereröffnet wurde. Die Messner-Foundation und die Nepalhilfe Tirol von Nairz hatten 250.000 Euro dafür gesammelt.

Es ist jetzt auch schon wieder etliche Jahre her, dass Messner und Habeler nicht gut aufeinander zu sprechen waren, weil Messner einige Passagen in einem Habeler-Buch missfielen. Auch da hat es Wolfgang Nairz geschafft, die beiden an einen Tisch zu bringen. "Wir sind ja erwachsene Leute und kein Kindergarten." (Fritz Neumann, 8.5.2018)