Im Sommer 1791 ließ der Erzherzog und spätere Kaiser Franz II. das Dach des neuen Augustinergangs, einem Verbindungskorridor zwischen den kaiserlichen Appartements und der Augustinerkirche, zu einer Terrasse umgestalten. Auf dem bislang schmucklosen Flachdach wurde im folgenden Jahr ein kleiner Garten mit Hochbeeten und Vogelkäfigen errichtet, der von einem einfachen Lattenzaun umgeben war. Da die Terrasse, die unmittelbar von den Wohngemächern seiner Gemahlin betreten werden konnte, nicht einsehbar war, konnte Franz dort ungestört seiner großen Leidenschaft nachgehen: der Gartenarbeit. Er machte sich in seiner Freizeit dort zu schaffen, pflanzte Setzlinge oder identifizierte Pflanzen im Gewächshaus, das er vom Hofarchitekten Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg hatte planen lassen.

Der Blumenkaiser

Dass Franz seine Liebhaberei mit großer Fachkenntnis betrieb, daran besteht kein Zweifel. Seinem kleinen Notizbüchlein mit dem Titel "Handbüchel über Meine Ausgaben" lässt sich entnehmen, welch immense Summen er für Gärtner und Pflanzen ausgab.¹ Blumenzwiebel bezog er unter anderem über den Händler Montano in der Wiener Wollzeile, Samen über den k. k. Hof-Samenhändler Baumann in der Singerstraße. Daneben beglich er Porto und Mautzettel für exotische Pflanzen, die auf dem Postweg aus Amerika oder Holland kamen.

Unzählige Anekdoten sind über die gärtnerischen Neigungen des Kaisers überliefert. Mehrfach sollen Passanten ihn im Gärtnergewand im Burggarten angetroffen und angesprochen haben, weil sie ihn für den Gärtner hielten. 1886 beschwor Josef Pfundheller dieses Bild des gärtnernden Kaisers nochmals in seinem anekdotischen Werk "Der Blumenkaiser".²

Kaiser Franz II. mit Familie im Hofgarten auf der Burgterrasse, um 1796.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Neuer Job entstand: Hofbotanikmaler

Franz hatte den Wunsch, die vergängliche Vielfalt seines blühenden Gartens dauerhaft festzuhalten und in Bildern zu dokumentieren. So schuf er aus Mitteln der Privatkasse die Stelle eines Hofbotanikmalers, der die in Blüte stehenden Pflanzen vor Ort abbilden sollte. Diese Stelle bekleidete dreißig Jahre lang der Wiener Maler Matthias Schmutzer (1752-1824).³

Über den Künstler selbst ist nicht viel mehr bekannt, als dass er die Kupferstecherklasse an der Akademie der bildenden Künste besucht hatte. Umso umfangreicher ist hingegen das Werk, das er im Auftrag Franz' II. hinterließ. Sein "Florilegium A"⁴, so die wissenschaftliche Bezeichnung, dokumentiert die blühende Pflanzenwelt der kaiserlichen Gärten über drei Jahrzehnte. Mehr als 1300 farbenprächtige Darstellungen unterschiedlichster Pflanzenarten lieferte Schmutzer in diesem Zeitraum in der kaiserlichen Privatbibliothek ab.

Seine Aquarelle spiegeln einerseits die Modeströmungen in der Botanik dieser Zeit wider, indem sie damals beliebte Zierpflanzen wie Pelargonien, Lilien oder Rhododendren zeigen, bei der Mehrzahl der Darstellungen handelt es sich aber um außereuropäische Pflanzen, die zu einem großen Teil von Expeditionen stammten, die vom Kaiserhaus initiiert wurden. In erster Linie sei hier die österreichische Brasilien-Expedition erwähnt, die Franz' vierte Tochter Leopoldine, die spätere Kaiserin von Brasilien, auf ihrer Brautfahrt nach Brasilien begleitete. Etliche exotische Pflanzen wurden vom mitreisenden Botaniker und späteren Hofgärtner Heinrich Wilhelm Schott (1794-1865) nach Wien gebracht und blühten fortan in den kaiserlichen Gärten.

Künstler mit wissenschaftlicher Genauigkeit

Der Arbeitsplatz des Hofbotanikmalers war zunächst nur der Terrassengarten, bald aber auch der "Holländische Garten" in Schönbrunn, der unter Franz Stephan von Lothringen gegründet wurde und unter Franz II. bereits über 14 Treibhäuser verfügte. Schmutzers spezifische Arbeitsweise lässt sich durch seine vor Ort angefertigten Skizzen nachvollziehen, die sich bis heute in der Staatsbibliothek zu Berlin und in der Biblioteka Jagiellońska in Krakau erhalten haben. Zunächst fertigte er mit Bleistift und Feder Vorzeichnungen der Pflanzen und Pflanzenteile, wobei er alle spezifischen Merkmale der Pflanze erfasste. Die Skizzen wurden teilweise aquarelliert, um die individuellen Farben der Pflanze bereits vor Ort festzuhalten. Rund um die Darstellung notierte er zumeist auch den wissenschaftlichen Namen der Pflanze, deren Standort und das Datum der Aufnahme.

Im Atelier übertrug Schmutzer die Skizzen dann mit Aquarell- und Deckfarben auf einheitliche Papierbögen, immer im Hochformat und vor neutralem Hintergrund. Das einheitliche Format war deshalb wichtig, da die Kunstsammlung des Kaisers in Kassetten organisiert war, und die einzelnen Blätter somit die gleiche Größe aufweisen mussten. Auf den fertig ausgearbeiteten Blättern variierte er die Kompositionen oft oder er setzte die Darstellungen neu zusammen, um den Pflanzen einen noch porträthafteren Charakter zu verleihen.

Matthias Schmutzer, Passiflora alata (Passionsblume), 1811.
Foto: Österreichische Nationalbibliohtek

Datierung aufgrund von Quittungen

Die zentrale Quelle zur Datierung der Arbeiten Schmutzers stellen heute jedoch weder seine Skizzen noch die ausgearbeiteten Blätter selbst dar – letztere sind weder signiert noch datiert. Es sind vielmehr die Abrechnungen, die der Maler dem Kaiser Lieferung für Lieferung vorlegte und die sich heute im Wiener Haus- Hof- und Staatsarchiv befinden. Erst die Auswertung dieser Quittungen ermöglicht eine genaue Zuordnung der Pflanzen zu den einzelnen kaiserlichen Gärten und auch eine relativ exakte Datierung.

Das Aufnehmen einer Pflanze "nach der Natur" erforderte einige Zeit. Aus einer Reisespesenabrechnung vom März 1806, die seine Fahrten mit dem Fiaker nach Schönbrunn protokolliert, geht hervor, dass er sich in diesem Monat bis auf Sonn- und Feiertage fast täglich dort aufgehalten hatte⁵. Am Ende des Monats überreichte er dem Kaiser schließlich elf Darstellungen exotischer Gewächse aus dem Holländischen Garten.

Doch Matthias Schmutzer porträtierte nicht nur Pflanzen, er war auch als Tiermaler für den Kaiser tätig. Zunächst malte er Vögel, die den Terrassengarten bewohnten, oder die kaiserlichen Schoßhündchen namens "Schneckel" und "Medresel".

Als sich der italienische Menagerist Antonio Alpi mit seiner Tierschau 1799 in Wien aufhielt, kaufte ihm Franz auf Vermittlung des Tiergartendirektors Franz Boos seinen gesamten Tierbestand um 30.000 Gulden für den kaiserlichen Tiergarten ab. So zogen in diesem Jahr zwei Elefanten, ein Königstiger, Leoparden, Kamele und etliche andere exotische Tiere in Schönbrunn ein. Sie wurden bald zu wahren Publikumsmagneten und Schmutzer wurde noch im August nach Schönbrunn geschickt, um die neu angekommenen Großtiere zu porträtieren.

Exotische Tiere

Es entstanden rund hundert Aquarelle fremdländischer Tiere, die er nicht wie die Pflanzen vor einen neutralen Hintergrund stellte, sondern in fantastische, oft exotische Landschaften. Ein Känguru-Pärchen etwa, Geschenke des Königs von England, setzt er vor eine italienisch anmutende Küstenlandschaft mit romanischem Rundbau und Campanile, in der man keine wildlebenden Beuteltiere vermuten würde. Diese Art der Darstellung entsprach dem zwei Jahre zuvor auf Veranlassung des Kaisers neu aufgestellten Tierkabinett im Augustinertrakt der Hofburg. Auch dort wurden die ausgestopften Tiere zunächst gruppenweise in Dioramen platziert, deren Rückwände gemalte Landschaften darstellten.

Matthias Schmutzer, Kängurupärchen aus dem Tiergarten Schönbrunn, um 1800.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek
Matthias Schmutzer, Bengalischer Königstiger, 1799.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Zur gleichen Zeit befand sich auch die Franzensburg, die romantische Ritterburg im Laxenburger Schlosspark im Aufbau. Schmutzer wurde beauftragt, an der Planung ihrer Einrichtung mitzuwirken, wie aus einer Rechnung hervorgeht, die er im Juni 1800 der Kammer des Kaisers vorlegte⁶. Demnach sollte er perspektivische Skizzen zweier Räume in unterschiedlichen historischen Stilen und mit unterschiedlichen Nutzungskonzepten anfertigen: den ersten Raum in altdeutscher Manier, einmal als Schlaf- und Sitzzimmer und einmal als repräsentativer Prunksaal, den zweiten Saal im gotischen Stil, einmal als Schlafzimmer und einmal als Rittersaal. Schmutzer verbrachte dazu acht Tage in der Hofbibliothek, wo er sich unter der Anweisung des Kustos Adam von Bartsch in der Nachahmung der historischen Stile übte.

Schmutzers Nachfolger

Nach dem Tod Schmutzers im Juni 1824 entschied Kaiser Franz, die Stelle des Hofpflanzenmalers weiterzuführen. Um die freigewordene Position bewarb sich unter anderem der Enkel Schmutzers, Josef Gareis, der zwar selbst auf keine akademische Ausbildung verweisen konnte, sich aber unter der Leitung seines Großvaters die Pflanzenmalerei angeeignet hatte. Er zählte in seinem Bewerbungsschreiben gleich 158 Darstellungen Schmutzers namentlich auf, die eigentlich von seiner Hand herrührten⁷.

Die Stelle erhielt schließlich aber der Pflanzenmaler Johann Jebmayer (1770-1858), der schon seit 1796 als Illustrator für den Botaniker und kaiserlichen Leibarzt, Nikolaus Thomas Host, tätig war. Er sollte künftig nicht nur die exotischen, sondern auch die schönsten inländischen Pflanzen der kaiserlichen Gärten festhalten. Bis in die 1850er-Jahre arbeitete Jebmayer für ein jährliches Fixgehalt von 500 Gulden und schuf in diesem Zeitraum mehr als 500 Aquarelle – das "Florilegium B", welches heute ebenfalls in der Sammlung "Bildarchiv und Grafiksammlung" der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird⁸. War sein Stil auch nicht so plakativ wie jener Schmutzers und wirken seine Aquarelle deshalb auf den ersten Blick etwas weniger repräsentativ, so arbeitete Jebmayer jedoch wesentlich genauer und detailreicher in der naturalistischen Darstellung. Sein Werk zählt ebenso wie jenes Schmutzers zu den Glanzwerken der Pflanzenillustration. (Patrick Poch, 17.5.2018)

Patrick Poch ist Leiter der Abteilung Grafik der Sammlung "Bildarchiv und Grafiksammlung" der Österreichischen Nationalbibliothek.

¹ ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, FKB 45569.

² Josef Pfundheller: Der Blumenkaiser. Oesterreichisches Zeit- und Kulturbild, Wien 1886.

³ Nicht zu verwechseln mit Jakob Matthias Schmutzer (1733-1811), Leiter der Kupferstecherakademie.

⁴ ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, Pk 508.

⁵ ÖStA, HHStA, Generaldirektion der Allerhöchsten Privat- und Familienfonde, Ältere Reihe, Kart. 89.

⁶ ÖStA, HHStA, Generaldirektion der Allerhöchsten Privat- und Familienfonde, Ältere Reihe, Kart. 83.

⁷ ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, FKBA07082.

⁸ ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, Pk 507.

Hinweis: Im Rahmen der Ausstellung "Schatzkammer des Wissens" ist der "Bengalische Tiger" von Matthias Schmutzer noch bis zum 31. Mai im Prunksaal zu sehen.

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