Straßburg – Russland hat mit der Verurteilung eines Journalisten wegen kritischer Kommentare zum Krieg in Tschetschenien gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verstoßen. Zu diesem Schluss kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil. Zugleich wiesen die Straßburger Richter die Regierung in Moskau an, dem Mann 12.500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Der Kläger hatte von 2000 bis 2004 in einem monatlichen Informationsblatt über den bewaffneten Konflikt in Tschetschenien berichtet und massive Kritik am Vorgehen der russischen Soldaten geäußert. Er wurde im Mai 2007 zu einer fünfjährigen Haftstrafe wegen "Verherrlichung von Terrorismus und Gewalt" sowie Anstachelung zum Hass verurteilt. Außerdem wurde ihm für drei Jahre jede journalistische Tätigkeit untersagt.

"Unverhältnismäßig hart"

Die Vorwürfe der russischen Justiz seien zwar angesichts mancher Kommentare teils gerechtfertigt gewesen, aber nicht im Hinblick auf alle Veröffentlichungen, hieß es im Urteil des Straßburger Gerichtshofs. Als Beispiel nannte das Gericht einen Beitrag, in dem sich der Autor empört über den Freispruch für einen russischen Soldaten äußerte, der eine tschetschenische Frau erdrosselt hatte. Dieser Artikel könne nicht als Aufruf zu Gewalt oder zu Hass gegen alle russischen Soldaten gewertet werden. Die Verurteilung des Mannes zu fünf Jahren Haft sei "unverhältnismäßig hart" gewesen.

Der Strafrechtsbestand der Anstachelung zu Hass und Gewalt müsse "sehr strikt interpretiert" werden, urteilte der Gerichtshof für Menschenrechte weiter. Er dürfe nicht benutzt werden, um Kritik an einer Regierung und ihrer Politik zu unterbinden.

Das Urteil wurde von den sieben Richtern einer kleinen Kammer gefällt. Russland kann dagegen binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen – er muss dies aber nicht tun. (APA, AFP, 9.5.2018)