Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Geologe: Der dänische Künstler Per Kirkeby ist 79-jährig gestorben.

Foto: Hans Ole Madsen

Kopenhagen – Das Schnelllebige war Per Kirkebys Sache nicht. Nicht einer hektischen Gegenwart widmete der Däne seine Malerei, sondern einer Geschichte, die dem Menschen nicht unmittelbar einsichtig ist. Die Anmutung von Gesteinsstrukturen und -schichten kennzeichnet die abstrakten Natur- und Landschaftsdarstellungen. Sie laden ein, sich in eine alternative Erdgeschichte einzufühlen. "Der Künstler braucht Mut, das Elementare zu verstehen", meinte er einmal. "Für mich ist das das Schwierigste."

Geboren 1938 in Kopenhagen als Per Christensen, hatte Kirkeby zunächst Geologie studiert und Forschungsreisen nach Grönland und Island unternommen. Seine künstlerischen Anfänge liegen im Umfeld der Fluxus-Bewegung, in frühen Bildtafeln näherte er sich der Pop-Art an. Schon in diesen kleinformatigen Bildern griff er indes auf typische Motive wie Bäume, Wälder, Felsen oder die einsame Hütte zurück. Die einfache Behausung inmitten der Natur wird bei Kirkeby später als Sinnbild für die verschwindende Größe des Menschen gegenüber der Natur auftauchen.

In der Abgeschiedenheit

Das nördlichste Haus der Welt heißt ein Gemälde von 1987, inspiriert von einer Forschungsstation, die Kirkeby 1963 in Island kennengelernt hatte: Weiße, gleichsam eisige Stränge umfangen Brauntöne und felsiges Grau. Ein abgeschiedendes Häuschen bewohnte Kirkeby später auch selbst: Auf der dänischen Insel Læsø hatte er sich in einem Bauernhaus ein Atelier eingerichtet, um in aller Abgeschiedenheit die Natur zu erleben und genaue Beobachtungen in intuitive Abstraktionen zu übertragen.

Bekannt wurde Kirkeby auch als Bildhauer. Seit den 1980er-Jahren schuf er Bronzeskulpturen, in denen er die Texturen seiner Gemälde in den Raum holte, sie auf Körperstudien übertrug. Ein Markenzeichen sind seine Architekturinstallationen aus Backstein. Dieses für die skandinavische Baukunst charakteristische Material machte er durch minimalistische Arrangements im öffentlichen Raum neu erfahrbar.

Ein moderner Universalgelehrter

Daneben veröffentliche Kirkeby, gewissermaßen ein moderner Universalgelehrter, mehr als 80 literarische Bände und Künstlerbücher, schrieb Kunstkritiken und Reflexionen über Künstlerkollegen. Dazu gezwungen, sich verstärkt dem Schreiben zu widmen, sah er sich durch die psychischen und physischen Folgen einer Hirnblutung. Dennoch widmete er sich weiter der Malerei und Bildhauerei, suchte die Natur festzuhalten.

"Die Farben der Natur sind ständig im Fluss, der Maler versucht, sie zu stabilisieren, den Strom anzuhalten", so beschrieb er in einer Doku für den Bayerischen Rundfunk sein Schaffen. Jetzt ist Per Kirkeby, der wichtigste dänische Gegenwartskünstler, 79-jährig gestorben. Im Herbst ist ihm in der Kunsthalle Krems eine Retrospektive gewidmet. (Roman Gerold, 10.5.2018)