Die Stadt Wien listet auf ihrer Homepage 227 Bürgermeister seit dem Jahr 1282 auf. Nur einer war länger im Amt als Michael Häupl: Dessen knapp 24-jährige Amtszeit wird nur von Josef Georg Hörl ( übertroffen, der 31 Jahre lang (1773–1804) Stadtchef war – und als solcher den Tod von Maria Theresia im Jahr 1780 erlebte.

Geboren wurde Häupl am 14. September 1949 in Altlengbach, die Matura legte er in Krems ab. Lieber als Randnotiz in seiner Vita sieht Häupl seine Mitgliedschaft in der schlagenden Verbindung "Jungmannschaft Kremser Mittelschüler Rugia Krems", deren Sprecher er wurde. Als 19-Jähriger trat er Eigenangaben zufolge aus und wechselte als Student in Wien das politische Lager: 1975 stieg er zum Bundesvorsitzenden des Verbandes Sozialistischer Studenten Österreichs (VSStÖ) auf.

Häupl studierte Biologie und Zoologie, heuerte 1975 als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums an und schrieb seine Doktorarbeit über die Schädelkinetik bei Gekkoniden. 1983 zog er in den Gemeinderat ein, 1988 wurde er Stadtrat für Umwelt und Sport. In die Politik soll er von Helmut Zilk mit folgendem Satz gelotst worden sein: "Deine depperten Frösch’ kannst du auch später noch zählen." Im April 1993 wurde Häupl zum Wiener SPÖ-Chef gewählt. Im Interview mit dem STANDARD sagte Häupl damals, dass er "nicht Bürgermeister" werde. Es sollte dann doch anders kommen.

Häupls Amtszeit in Zitaten:

"Wien darf nicht verwechselbar mit dem Zentralfriedhof werden." (21. August 1996)

Michael Häupl, der im November 1994 Nachfolger von Helmut Zilk wurde, hatte knapp zwei Jahre später seine ersten Wahlen als Bürgermeister zu schlagen. Im Wahlkampf kritisierte er auch das eigene Parteiprogramm in puncto Jugendkultur.

Beim Amtsantritt Häupls war Wien übrigens noch das älteste Bundesland Österreichs. Seit 2016 hat Wien den jüngsten Altersdurchschnitt aller Länder – was am nationalen und internationalen Zuzug sowie starken Geburtenplus liegt. Wien ist mit knapp 200.000 Studierenden zudem die größte Hochschulstadt im deutschen Sprachraum. In der Häupl-Ära stieg die Einwohnerzahl von 1,64 Millionen auf 1,89 Millionen. Die Liste der größten Städte der EU führt Wien aktuell auf Platz sechs.

"Die SPÖ ist die lustigere Partei, wenn ich mir all die anderen mieselsüchtigen Koffer anschaue, die so herum rennen." (27. August 1999)

Häupl kann bei Interviews oder in Gesprächen aus dem Stand Kant-, Luther-, oder Adorno-Zitate zur Untermauerung von Argumenten einstreuen. Ebenso parliert er in der Rolle des Volkstribunen aber auch in der Volkssprache. Sein Sager von den "mieselsüchtigen Koffern" im Nationalrats-Wahlkampf 1999 empörte vor allem die ÖVP – auch wenn Häupl nie offenlegte, wen genau er gemeint hatte.

Nachdem Häupl 1996 bei seiner ersten Wahl als Chef die Absolute verlor und mit 39,15 Prozent das schlechteste Ergebnis seiner Amtszeit einfuhr, ging er eine Koalition mit der ÖVP ein. Von 2001 bis 2010 regierten Wiens Rote wieder absolut.

"Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz." (11. Oktober 2005)

Auch vor Kritik an der eigenen Partei schreckte Häupl nicht zurück. Seine eigene Jugendorganisation drängte ihn zu der Aussage. "Da passieren halt gelegentlich Dinge, die nicht gescheit sind – leider auch in der eigenen Partei", erklärte Häupl damals. Bei der Wahlkampf-Aktion der Jungsozialisten konnten Mitglieder der schwarz-blauen Bundesregierung als "Watschenmann" traktiert werden. Häupl fand das nicht so witzig. Die SPÖ ging 2006 auf Bundesebene trotzdem als Sieger aus der Wahlauseinandersetzung hervor. Es folgte eine Neuauflage der großen Koalition. Mit Kanzler Alfred Gusenbauer, dann Kanzler Werner Faymann an der Spitze der SPÖ-ÖVP-Bundesregierung.

"Man bringe den Spritzwein!" (15. November 2010)

Es war die erste rot-grüne Landesregierung in Österreich, die Häupl 2010 mit diesen Worten besiegelte. Prägend für die Premiere von Häupl und Vize Maria Vassilakou: die Begegnungszone auf der Mariahilferstraße. Die Öffi-Jahreskarte wurde unter Rot-Grün I auf 365 Euro verbilligt, der Spatenstich für die Seestadt Aspern fiel, inklusive Verlängerung der U2. Geendet hatte die Periode im Streit um das Wahlrecht. Die Grünen wollten im Gemeinderat eine Reform durchboxen, die SPÖ überredete einen Grün-Mandatar zum Überlaufen.

Nach der Wahl hieß es: "Wir müssen ja nicht als Almdudlerpärchen auftreten." Häupl entschied sich 2015 erneut für Rot-Grün und für Projekte wie das U2/U5-Linienkreuz oder neue Gemeindebauten.

"Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig." (14. April 2015)

Die Lehrer fanden Häupls Anmerkung gar nicht lustig. Sie wird auch heute noch hervorgekramt, wenn wieder eine Diskussion über die Erhöhung der Lehrverpflichtung ansteht. Dabei ist alles höchst kompliziert: Es gibt Bundes- und Landeslehrer – und altes und neues Dienstrecht existieren auch für Neueinsteiger bis 2019 parallel. Sehr grob vereinfacht stehen Lehrer derzeit zwischen 17 und 24 Stunden in der Klasse.

Im OECD-Vergleich haben Volksschullehrer eine überdurchschnittliche Lehrverpflichtung, andere Lehrergruppen (Hauptschule, AHS-Unterstufe, NMS) nicht. Der rote Lehrervertreter Heinrich Himmer kritisierte Häupls Kalauer als "medialen Rülpser". 2017 wurde Himmer dennoch Präsident des Stadtschulrats.

"Die 50 nehme ich sofort in Ottakring."
(28. März 2017)

Selbst der damalige Kanzler Christian Kern (SPÖ) wollte sich 2017 vom Relocation-Programm der EU verabschieden. Entzündet hat sich die Debatte zunächst an 50 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die Österreich von Italien übernehmen sollte. Häupl hielt wenig von Kerns Vorschlag.

Im Rückblick bezeichnet Häupl die Flüchtlingskrise als die größte Herausforderung seiner fast 24-jährigen Amtszeit. 2015 und 2016 wurden fast eine Million Migranten durch Wien geschleust, zehntausende blieben. Zwar setzte Wien auf "Integration ab dem ersten Tag", die Zuwanderung hatte jedoch Auswirkungen: 2017 bezogen erstmals mehr Ausländer Mindestsicherung als österreichische Staatsbürger.

"Ich habe die Iden des Märzes gut überstanden und es gibt Parteifreunde, die sagen, Brutus hat sich bereits selbst erledigt." (2. Juni 2017)

Häupl war schon Anfang 2017 mit Rücktrittsaufforderungen aus den eigenen Reihen konfrontiert. Offen ausgesprochen haben das der Simmeringer SPÖ-Chef Harald Troch oder Ex-Landesparteisekretär Christian Deutsch. Favorit der Häupl-Kritiker für die Nachfolge war schon damals Michael Ludwig. Dieser habe sich nicht von Häupls Zitat angesprochen gefühlt. "Wenn es römische Geschichte sein muss, würde ich mich politisch als Octavian sehen. Denn er hat für eine lange Friedensperiode gesorgt", sagte Ludwig. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, 21.5.2018)