Georg Duscher (42) ist stellvertretender Leiter des Instituts für Parasitologie und Zoologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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"Wenn die Winter milder werden, können diese Zecken auch bei uns im Freiland überleben. Wir warten nur darauf, dass sich diese Arten in Österreich etablieren", sagt Georg Duscher.

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STANDARD: In Österreich wurden bislang 19 verschiedene Zeckenarten nachgewiesen. Wie viele davon können Menschen befallen?

Duscher: Richtig häufig sind nur vier verschiedene Arten, und eigentlich findet man diese auch alle bei Menschen. In 95 Prozent der Fälle ist es allerdings der Holzbock, Ixodes ricinus, der Menschen sticht.

STANDARD: Worauf beruht die relativ große Vielfalt bei den einheimischen Zeckenspezies?

Duscher: Sie besiedeln unterschiedliche ökologische Nischen, befallen unterschiedliche Wirtstiere und sind zu unterschiedlichen Zeiten aktiv. Dermacentor reticulatus zum Beispiel, die Auwaldzecke, lebt an Flüssen und bevorzugt Hunde. Der Holzbock dagegen ist ein Generalist. Der geht sogar auf Eidechsen.

STANDARD: Die Klimaerwärmung und der globale Güterverkehr begünstigen die Verbreitung von exotischen Schädlingen wie der asiatischen Tigermücke. Gibt es dieses Problem auch bei Zecken?

Duscher: Ja, durchaus. Der Klimawandel sorgt unter anderem dafür, dass Ixodes ricinus in den Alpen in immer größeren Höhen auftritt. Das Rehwild dient den Zecken praktisch als Taxi, wenn es weiter oben gute Nahrungsquellen findet. Auch die Braune Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus, wird regelmäßig über Hunde von Urlaubern oder aus Tierheimen aus dem Mittelmeerraum eingeschleppt. Wenn die Winter milder werden, können diese Zecken auch bei uns im Freiland überleben. Wir warten nur darauf, dass sich diese Arten in Österreich etablieren, und sie bringen eine Reihe von neuen Krankheiten mit.

STANDARD: Neben Borreliose und dem FSME-Virus können Zecken in der Tat auch andere Krankheitserreger wie Rickettsien übertragen. Wie gefährlich sind solche Keime?

Duscher: Bei vielen Rickettsien kommt man erst jetzt darauf, dass sie pathogen sind – so zum Beispiel Rickettsia raoultii. Die Betroffenen bekommen Fieber und andere unspezifische Symptome. Der medizinische Fachbegriff hierfür ist Tibola, englisch abgekürzt für durch Zecken übertragene Lymphadenopathie, und das kann lokal sogar zu Haarausfall führen. Die Krankheit selbst ist aber wahrscheinlich selten. Die Braune Hundezecke jedoch kann Rickettsia conorii, den Erreger des Mittelmeer-Fleckfiebers, übertragen. Das könnte in Zukunft häufiger auftreten, wenn diese Zecken hier Fuß fassen.

STANDARD: Wo in der Landschaft besteht die größte Gefahr, von Zecken gestochen zu werden?

Duscher: Prinzipiell brauchen Zecken Feuchtigkeit, sie müssen sich vor Austrocknung schützen können. Auf kurz gemähten Wiesen und dort, wo es nur wenig Laubstreu gibt, kommen sie deshalb kaum vor. Auch ein ausreichendes Angebot an Wirtstieren ist wichtig. Wir haben aber auch in Wien, in den Stadtgärten und Naherholungsgebieten, unter den Sträuchern immer wieder Zecken gefangen.

STANDARD: Eine aktuelle Schweizer Studie hat einen Zusammenhang zwischen Ameisenpopulationen und Zeckendichte aufgezeigt, und Sie selbst konnten eine Verringerung der Zeckenzahlen in einem überfluteten Auwald nachweisen. Kann eine natürliche ökologische Dynamik in der Landschaft helfen, die Zeckenpopulationen niedrigzuhalten?

Duscher: Da spielen sehr viele Faktoren mit hinein, und wir fangen erst an, die Zusammenhänge zu verstehen. Welche Einflüsse letztlich entscheidend sind, darüber kann man noch keine Aussagen treffen. Es gibt aber interessante Beobachtungen. In den USA zum Beispiel heißt es, die – den Jägern zuliebe künstlich hochgehaltenen – Weißwedelhirsch-Bestände hätten die Zeckenpopulationen und die Ausbreitung der Borreliose begünstigt. Das ist durchaus möglich. (Kurt de Swaaf, 13.5.2018)