Carcassonne – Geniale Kiste. Das ist der allererste Eindruck, und es war auch der allerletzte vom auslaufenden Modell. Hätte Einstein in Bern so einen Dienstwagen gehabt, er hätte wohl eine spezielle und eine allgemeine Genialitätstheorie geschrieben. Mit der Zeit krümmt der G jeden Raum.

Der hätte auch zu Einstein gepasst.
Foto: Daimler

Naja, fast. Solche Gedanken gehen einem halt durch den Kopf, wenn man auf dem Areal des Château de Lastours in den Pyrenäen zum Check der G-Klasse-Geländefähigkeiten unterwegs ist. Jetzt soeben auf einem Stück, dessen Erklimmung man sich zu Fuß gut überlegen würde. Der G, auch in der Neuauflage eine Leiterrahmenkonstruktion mit drei mechanischen Sperren und Untersetzungsgetriebe bestückt, zuckt nicht einmal mit der Wimper. Oder dem Blinker, dem vorn aufgesetzten; eines von drei vom Vorgänger übernommenen Teilen. Alles andere ist komplett neu.

Das hier ist das natürliche G-Habitat. War es immer schon, jetzt noch mehr.
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Die Entwicklungsarbeit für das aufwendige Fahrwerk – Doppelquerlenker-Einzelradaufhängung vorn, Fünflenker-Starrachse hinten, hochkomplex geregeltes Spiel von Ein- und Ausfedern, Dämpfer regeln aktiv an jedem Rad – haben die Spezialisten von Magna in Graz geleistet; mit dem Urgestein Erwin Wonisch sitzt niemand weniger als der G-Cheftester bei uns an Bord, jener kernige Bursche, der den G, selbst den 3-achsigen, fliegen hat lassen, die Youtube-Videos sind ein Dauerbrenner.

Väterlicher Stolz

Jedenfalls, der Herr Wonisch erklärt mit leichter Miene, hinter der väterlicher Stolz durchschimmert, was wo wie gerade passiert. Auf dem riesigen mittigen Display sieht man, wenn die Beifahrerin (eine Idealbesetzung – auch am Steuer – wäre STANDARD-Leserin und G-Fan Sandra J.) oder der Beifahrer kurz den Blick nach außen scheut, dass hier eine Sperre greift, da über 40 Prozent Gefälle anstehen, dort abenteuerliche Seitenneigung erreicht ist, genug: Wir glauben es aufs Wort. Der neue G, meint der Cheftester und begründet es mit ausgiebigen Vergleichsfahrten mit sämtlichen Hardcore-Offroad-Artisten, sei der beste Geländewagen der Welt.

Neu ist, dass er sich auch auf der Straße tadellos fährt. Speziell die AMG-Version.
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Ausweglose Situationen, ans Aufgeben denken? "Aufgeben tun wir einen Brief. Sonst nie." Noch rasch ein paar Rahmendaten: 27 cm Bodenfreiheit (plus 6 mm), 70 cm Wattiefe (zehn mehr als bisher), mögliche Schräglagen bis zu 35 Prozent (plus sechs Prozent), 45 Prozent Steigfähigkeit – und damit raus aus dem G-Modus, rauf auf die Straße. Dort nämlich findet die eigentliche Revolution statt, dort auch wird die vermögende Kundschaft den G hauptsächlich bewegen, denen reicht die "Wenn ich nur wollte, könnte ich"-Garantie.

Wattiefe austesten.
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Größer (5,3 cm länger, 12,1 cm breiter), aber 170 Kilo leichter und viel steifer als bisher ist der G. Mit so viel Luxus und brandaktueller Technik bepackt, dass es fast schon wehtut. Der alte G stammt von 1979, da gab's noch kein Internet, und nun ist er voll vernetzt.

Kein Schwimmkurs mehr

Wir jedenfalls fädeln uns auf eine kurvige Strecke gen Carcassonne ein, dieses mittelalterliche Juwel, die Gralsburg Montségur liegt greifbar nahe, geht sich aber doch nicht aus, Parzivals Mitleidsfrage bleibt im G auch ungestellt, aber Überraschung: Die Fahrt auf Asphalt gleicht nicht mehr einem Schwimmkurs, sondern geht solide und komfortabel vonstatten.

Der Haltegriff vorn dient zum Wiedererkennen, auch sonst orientiert der G sich vage an einst – aber auf der Basis aktuellster Technik.
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Mit zwei Versionen geht der G an den Start, als G 500 mit 422 PS und als AMG G 63 mit 585 PS, beides 4,0-Liter-V8-Biturbos. Ganz ehrlich? Der vertikal gerippte Panamericana-Grill sieht ebenso lässig aus wie die Sidepipes, und wenn es in einer Kurve doch mal schaukelig wird, blickt man irritiert auf den Tacho und sieht dort 120, 130 stehen. Hoppla, kaum passt man nicht auf, weil man sich angeregt unterhält, hat einen die märchenhafte AMG-Maschine auf unbeabsichtigtesTempo gebracht.

Alle Infos kompakt gesammelt.
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Und apropos: Nadine Böttner, Produktmanagerin bei Mercedes-AMG, weiß zu berichten, dass die AMG-Version alles andere als ein Minderheitenprogramm ist, wir hätten uns da echt verschätzt: Fast die Hälfte der G-Klientel weltweit greife zu dieser Interpretation des genialen Solitärs. Viel mehr als in jeder anderen Baureihe. Nur den V12, den werde es nicht mehr geben. Die Verbrauchsvorgaben ...

Schöckl proved

Was uns sonst noch gefällt? Dass die Türen wie ein Panzerschrank ins Schloss fallen. Klaaack. Und dass auf jedem G Schöckl proved steht. Auf den Punkt gebracht: G't nicht gibt's nicht. So. Und jetzt zieh' ich mir den G-Sketch von Heinz Erhardt rein. (Andreas Stockinger, 11.5.2018)

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