Mario Schlembach, "Nebel". € 20,- / 196 Seiten. Otto-Müller-Verlag, Salzburg 2018

Vater verstorben. Beerdigung in drei Tagen." Die Nachricht der Bestatterin, hinterlassen auf dem Anrufbeantworter, ruft den Ich-Erzähler in sein Heimatdorf und damit auch in die Vergangenheit zurück. Solche Romananfänge sind nur allzu bekannt, der Tod eines Elternteils als Auslöser einer Geschichte ist ein Topos in der Literatur des 20. Jahrhunderts. "Heute ist Mama gestorben", so beginnt Camus' Der Fremde, während in Handkes Wunschlosem Unglück die Zeitungsnotiz vom Selbstmord der Mutter die Erzählung in Gang bringt.

Auch Franz-Josef Murau in Bernhards Auslöschung wird durch ein Telegramm mit der Nachricht vom Unfalltod der Eltern an den Ort seiner Herkunft zurückgerufen, wo er rücksichtslos mit jener Wirklichkeit konfrontiert wird, der er eigentlich zu entfliehen versuchte. Bei Mario Schlembach ist alles viel konzentrierter oder auch simpler: Als der Sohn im Heimatort ankommt, hat der Bestatter gerade einen personellen Engpass, also legt der Sohn selber Hand an und schaufelt das Grab für den Vater. Das ist weiter nicht ungewöhnlich, ist er doch der Sohn eines Totengräbers und hat das Handwerk bei ihm gelernt, später hat er eine Zeitlang auch selbst im Bestattungswesen gearbeitet.

Bestatten, umbetten, exhumieren

Das hat übrigens auch der 32-jährige Autor: Von Mario Schlembach, dem Bauernsohn aus dem Bezirk Bruck an der Leitha, erfährt man, dass er in seinem bisherigen Leben als Postler, Buchhalter, Lokalreporter, Bestattungshelfer und Totengräber sein Geld verdient hat. Er weiß also, wovon er schreibt. Und was er beschreibt, ist so eindringlich, dass man beim Lesen den Leichengeruch nicht mehr aus den Buchseiten wegbringt. Da wird bestattet, umgebettet und exhumiert, mit einer Drastik, die einem trotz poetischer Einrahmung manchmal mehr als realistisch und deshalb mehr als genug ist.

Dass der Fokus auch die gesamte narrative Struktur bestimmt, lässt sich nicht ganz vermeiden. Es ist zwar ein sehr konsequent, aber eben auch sehr eindimensional gearbeiteter Roman, eigentlich vielmehr eine betrachtende Erzählung, die die Erinnerung auch zeitlich sehr eng und knapp zusammenrückt. Reflektiert wird das Heranwachsen eines Totengräberkindes, das früh schon dem Vater zur Hand gehen muss. Eine lebensbestimmende Erfahrung. Nun hätte der sozialgeschichtliche Hintergrund wohl eine spannende Folie abgegeben, doch erfährt man über das reale Leben in der Provinz überraschend wenig – dafür eine Geschichte, die ein wenig konstruiert wirkt: die von der Liebe im Dorf und vom besten Freund, der sich eines Tages umbringt.

Ziemlich monotones Strickmuster

Die etwas farblose Erzählung innerhalb der Erzählung kann das künstliche Geflecht nicht aufbrechen, sondern verdichtet es noch weiter, und das ergibt ein ziemlich monotones Strickmuster, durchwirkt von manchmal pathetischen Sätzen, was natürlich nicht ausbleibt, wenn so intensiv vom Tod die Rede ist. Dennoch hätte man sich einen abgeklärteren Ton und mehr Distanz in der Selbst- schau gewünscht. Auch hätte dem Roman ein wenig Abwechslung gutgetan. "Abläufe, Rituale, Oberflächen, nichts anderes schilderst du und stellst dazu völlig belanglose Reflexionen an", sagt gegen Ende des Romans die mysteriöse Geliebte zum Erzähler. Dasselbe könnte auch der Kritiker zum Autor des Buches sagen.

Schlembachs zweiten Roman, Nebel – nach Dichtersgattin im Vorjahr (auch da ging es schon um das Bestattungswesen) -, mag man neuerlich als Talentprobe ansehen. Ob man allerdings langfristig mit dieser Richtung reüssieren kann – der Tod, die Provinz, die Kunst -, bleibt fraglich. Dazu haben schon Thomas Bernhard und Josef Winkler, und zwar auf einem anderen Level, der österreichischen Literatur kräftig genug den Stempel aufgedrückt. (Gerhard Zeillinger, 13.5.2018)