Kanadas Premier Justin Trudeau und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker waren sich bei der Grundsatzeinigung im Oktober 2016 von Ceta überzeugt.

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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache musste bei Ceta erst von ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf Linie gebracht werden.

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Wien – Für die FPÖ war die Sache im Vorjahr noch klar. Ceta, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, schränke das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Staaten ein, deponierte der freiheitliche Wirtschaftssprecher Axel Kassegger im Oktober im Parlament.

Der blaue Justizsprecher Harald Stefan warnte davor, dass im Zuge der geplanten Investitionsschutzverfahren Staaten gegenüber großen Konzernen unter Druck geraten würden. Darum brachte man einen Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung ein, der von den damaligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP aber abgelehnt wurde. Norbert Hofer hatte ein Jahr zuvor im Bundespräsidentschaftswahlkampf sogar deponiert, er würde im Falle seines Wahlsieges Ceta keinesfalls ohne Volksabstimmung unterzeichnen.

FPÖ von Nein abgerückt

Nun, im Mai 2018, sieht die Sache schon anders aus. In den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP war die FPÖ bereits von ihrem Nein zu Ceta abgerückt. Aktuell wird auf Koalitionsebene die Ratifizierung des Abkommens vorbereitet. In den kommenden Wochen ist zunächst ein Ministerrats-, dann ein Parlamentsbeschluss geplant. Jetzt ist es die SPÖ, die vor einem "Durchpeitschen" der Ceta-Ratifizierung warnt.

Zur Vorgeschichte: Im Vorjahr trat nur ein Teil (wenn auch der größere) von Ceta vorläufig in Kraft. Es geht dabei um jene Bereiche, die in die alleinige Kompetenz der EU fallen. Mit 21. September 2017 wurden daher rund 98 Prozent aller Zölle mit Kanada abgeschafft. Für den Handel zwischen europäischen und kanadischen Unternehmen gibt es also kaum noch Hürden.

Entwurf liegt vor

Das von der FPÖ ursprünglich so vehement abgelehnte Investitionsgericht, das bei Streitigkeiten angerufen werden kann, wird aber erst jetzt mit der Ratifizierung durch die Nationalstaaten umgesetzt.

Aus einem Regierungsentwurf, der dem STANDARD vorliegt, geht nun hervor, wie dieses Gericht ausgestaltet werden soll. Ihm werden 15 Richter angehören, fünf nominieren die EU-Staaten, fünf Kanada, und fünf werden aus Drittstaaten kommen. Die Richter werden auf fünf Jahre ernannt und erhalten eine monatliche Grundvergütung, zudem sind "strenge Ethik- und Inkompatibilitätsbestimmungen" nach Vorbild der Internationalen Rechtsanwaltsvereinigung vorgesehen. Die Mitglieder dürfen also ab Ernennung weder als Rechtsberater noch als von einer Partei benannte Sachverständige oder Zeugen bei anhängigen Investitionsstreitigkeiten tätig werden.

Berufung möglich

Anders als klassische Schiedsgerichte, die bisher bei Handelsstreitigkeiten üblich waren, wird das Investitionsgericht auch eine Berufungsinstanz haben. Alle relevanten Schriftstücke aus den Verfahren müssen "öffentlich verfügbar gemacht werden".

Geklagt werden kann immer dann, wenn ein Investor der Meinung ist, dass ihm durch eine Diskriminierung ein Schaden entstanden ist. Das heißt freilich nicht, dass jedes Gesetz, das zu einer Belastung führt, sofort angefochten werden kann. Aussichtsreich ist eine Klage eben nur, wenn ausländische Investoren gegenüber inländischen schlechtergestellt werden. Damit es nicht zu einer ausufernden Klagsflut kommt, gibt es auch die Möglichkeit von "beschleunigten Verfahren für Klagen, die offenkundig ohne Rechtsgrund sind".

Gesetze werden nicht gekippt

Gewinnt ein Unternehmen, besteht Anspruch auf "Schadenersatz in Geld oder auf die Rückerstattung von Vermögenswerten". Allerdings: Gesetze, die zum Schaden geführt haben, kann das Investitionsgericht keinesfalls aufheben.

Nach dem Beschluss durch das österreichische Parlament soll das Abkommen unmittelbar angewendet werden, auch wenn zahlreiche andere Staaten Ceta noch nicht ratifiziert haben. Im Entwurf für den Ministerrat schreibt das Außenministerium aber auch, dass möglicherweise noch Nachverhandlungen notwendig werden könnten. Denn: Belgien hat wegen der Investorenschutzklauseln einen Antrag auf ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs gestellt. Werden in diesem Unvereinbarkeiten mit dem Unionsrecht festgestellt, müsste man sich mit den Kanadiern wieder an den Verhandlungstisch setzen. (Günther Oswald, 11.5.2018)