Wenn Erkenntnis der Grund für die Vertreibung aus dem Paradies war, dann war die Literatur als festgehaltene Erkenntnis der endgültige Grund, hinausgeworfen zu werden. Der Engel mit dem Flammenschwert: ein Irrtum. Es ist jener mit der brennenden Feder.

Und dennoch: Wenn ein Paradies verlorengeht, eröffnet sich ein neues. Es reicht von Homers Odyssee bis Dada, von Walter von der Vogelweide bis Daniil Charms, von politischen Manifesten bis zu Shakespeares zartbittersten Liebesgeschichten, von der schmerzlichen Absurdität Kafkas bis zu der nüchternen Annäherung an die Auslöschung von Primo Levi, bis zur Selbstermächtigung von Toni Morrisons versklavten Heldinnen und der zermürbenden Realität von Herta Müllers Hungerengeln.

Der unwiderstehliche Sog, der von der Ausdehnung dieses literarischen Universums ausgeht, setzt im Herzen und im Hirn an, reißt und zieht an jeder Faser. Ein schmerzhafter Prozess, aber jede Geburt ist schmerzhaft.

Schmerzhaft und schön ist es, zu erkennen und sich diesem Erkennen zu stellen. Noch schmerzhafter und schöner ist, es zu bannen und zu binden wie einen beschworenen Dämon. Und die Literatur gehört zu den mächtigsten Dämonen.

Jeder Text ist eine neue Welt, die alle Lesenden auf jeweils ihre eigene Art und Weise betreten können. Die Schreibenden streicheln die Ganglien der Lesenden, eine Berührung im Luftleeren, eine Verführung ist das, ein Überkreuzen fremder und eigener Vorstellungskraft.

Wer nicht liest, der verhungert auf gewisse Weise.

In diesem Sinne: Im Buchladen Ihrer Wahl ist schon angerichtet. (Julya Rabinowich, 11.5.2018)