Braucht man Detox-Nahrung zum Entgiften? Hilft Schnaps bei der Verdauung? Und: Macht Schokolade glücklich? Wissenschaftliche Studien liefern auf althergebrachte Empfehlungen wie auf aktuelle Marketingstrategien eindeutige Antworten – die so manches vermeintliche Wundermittel entzaubern. Zehn Ernährungsmythen im wissenschaftlichen Faktencheck.

Detox-Nahrung: Entschlackung für die Geldbörse

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist die Lebensweise des westlichen Büromenschen ein Problem. Zu viel, zu fettes und zu salziges Essen, dazu Bewegungsarmut – diese Kombination ist ein, im Wortsinn, veritabler Nährboden für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Kein Wunder also, dass wir bisweilen das Bedürfnis haben, den Körper reinigen zu wollen vom täglichen Übermaß an falschen Kalorien.

Wo ein Bedürfnis ist, lässt das Angebot nicht lange auf sich warten. Abhilfe versprechen Detox-Kuren, sie bieten käufliche Erleichterung für das schlechte Gewissen und Körperheil in Form von "Entschlackung": Letztere soll all die Rückstände aus dem Darm entfernen, die sich, wie es heißt, kiloweise im Darm ansammeln.

Das Problem ist nur: Die Schlacken im Darm existieren nicht. Wenn da etwas "entschlackt" wird, dann sind es bloß die Geldbörsen der Konsumenten. Oder, wie es der deutsche Ernährungsmediziner Andreas Pfeiffer ausdrückt: Die Annahme, man könne den Darm reinigen, ist schlicht "Quatsch".

Der Begriff "Schlacke" stammt eigentlich aus dem Hüttenwesen und bezeichnet dort erstarrte Schmelzrückstände, die bei der Gewinnung von Metallen entstehen. Mit diesem Bild argumentierte der deutsche Arzt Otto Buchinger, als er in den 1930er-Jahren empfohlen hatte, man solle den Darm ähnlich wie ein Ofenrohr regelmäßig reinigen, damit er klaglos funktioniert. Nur übersah der Begründer des Heilfastens, dass der Darm eben kein starres Rohr ist, sondern ein muskulöses Organ, das seinen Inhalt aktiv befördert.

Was die Vorzüge des Fastens anbelangt, war Buchinger auf der richtigen Spur. Es wirkt tatsächlich verjüngend. Warum das so ist, hat sich erst jüngst aufgeklärt, etwa durch die Arbeiten von Yoshinori Osumi.

Wie der japanische Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 2016 herausgefunden hat, besitzen lebende Zellen eine Art molekulare Müllabfuhr, mit deren Hilfe sie schädliche Substanzen aus dem Zellkörper entfernen. Insulin hemmt diesen Vorgang – das ist einer der Gründe, warum Essenspausen gesund sind: Sie regen die Selbstentgiftung der Zellen an.

Mediziner raten daher zum Intervallfasten, etwa nach der 16-zu-acht-Methode. Acht Stunden normal essen und dann 16 Stunden fasten – so ein Rhythmus ließe sich relativ einfach in den Alltag integrieren: Wer abends um acht die letzte Mahlzeit zu sich nimmt und am nächsten Tag erst wieder mittags isst, hat die 16 Stunden schon überbrückt und dem Körper tatsächlich etwas Gutes getan.

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Sind Biolebensmittel gesünder?

Intuitiv würde man erwarten, dass Lebensmittel aus Bioanbau gesünder sind – muss doch in ihrer Kultivierung auf eine Vielzahl von Pestiziden und Düngemitteln verzichtet werden, die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen. Doch wissenschaftlich lässt es sich gar nicht so einfach belegen, dass Biolebensmittel der Gesundheit zuträglich sind. Immerhin ergab eine Metaanalyse im Fachblatt British Journal of Nutrition, dass Bioobst und Biogemüse etwas mehr wertvolle Nährstoffe enthalten als konventionell angebaute Lebensmittel. Und zwei in demselben Journal veröffentlichte Studien belegen Ähnliches für Fleisch und Milch: Hier sind es die "guten" Fette, die in Bioprodukten überwiegen.

Die Frage ist dennoch falsch gestellt. Denn "Bio" bedeutet nicht automatisch ausgewogene Ernährung. "Wer täglich Bioschnitzel mit Biopommes isst, wird seiner Gesundheit auch nichts Gutes tun", sagt der österreichische Biolandbau-Experte Ludwig Maurer. Die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft liegen vor allem in der Umweltbilanz: Die Intensivproduktion landwirtschaftlicher Großbetriebe belastet die Natur, etwa durch Überdüngung und Pestizidrückstände im Boden. Das ließe sich mit Umstieg auf "Bio" vermeiden.

Das Argument, dass sanfte Landwirtschaft global betrachtet zu geringe Erträge liefern würde, stimmt übrigens nur zum Teil. Der österreichische Ökologe Karlheinz Erb zeigte kürzlich in einer Bilanzrechnung: Ja, die wachsende Weltbevölkerung ließe sich auch mit biologischer Landwirtschaft ernähren, nur müssten sich dann die Ernährungsgewohnheiten ändern. Das hieße konkret: deutlich weniger Fleisch auf dem Teller. Der wöchentliche Sonntagsbraten wäre für alle drin – viel mehr allerdings nicht.

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Ist die Paleo-Diät für uns artgerechte Ernährung?

Seit einigen Jahren ist Paleo in aller Munde. Die Grundidee ist folgende: Das menschliche Erbgut hat sich seit der Steinzeit nicht wesentlich verändert, im Gegensatz zu unseren sich rasant wandelnden Kulturtechniken, die auch unsere Ernährung völlig umgekrempelt haben. Milch, Brot, Zucker und Alkohol – das sind laut den Vertretern der Paleo-Diät Lebensmittel, an die der Mensch nicht angepasst ist. Um Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht zu vermeiden, empfehlen die Paleo-Diätologen, zur natürlichen Ernährungsweise der Jäger und Sammler zurückzukehren: "Höhlenkost", basierend auf Fleisch, Obst, Gemüse, Nüssen und Kräutern.

Das heißt in Summe auch: Low-Carb, also möglichst wenig Kohlenhydrate. Besonders die Kartoffel ist den Steinzeit-Jüngern ein Dorn im Auge. Einer davon ist Loren Cordain, Autor des Buches The Paleo Diet. Der US-Physiologe sagte kürzlich: "Ich habe festgestellt, dass viele Anhänger der Paleo-Diät glauben, sie könnten Kartoffel essen und blieben von negativen Effekten verschont. Doch diese Fehlinformation stammt von Blogs und Leuten, die mit der wissenschaftlichen Literatur nicht vertraut sind."

Zu dumm nur, dass es in der Literatur auch Befunde gibt, die den Annahmen der Paleo-Diät zuwiderlaufen. Eine Studie des US National Institute of Health zeigte etwa, dass Probanden nach fettarmer Diät mehr Körperfett verloren als eine Vergleichsgruppe, die sich nach dem Low-Carb-Prinzip ernährte. Und Forscher der University of Chicago kamen zu dem Schluss: Es seien gerade die Kohlenhydrate gewesen, die dem menschlichen Hirn in Urzeiten den entscheidenden Wachstumsschub gegeben haben. Und weniger das Protein aus Fleisch, wie von den Steinzeitdiätologen behauptet wird.

Gut möglich, dass auch beides stimmt. Jedenfalls könnte einem die Stoffwechselbilanz des Körpers zu denken geben: Das menschliche Gehirn ist ein echter Energiefresser, es verbraucht ein Fünftel der Gesamtenergie – und zwar in Form von Glukose, also Kohlenhydraten. Letztere als "unnatürlich" abzuqualifizieren ist gelinde gesagt einseitig argumentiert.

Wer in einschlägigen Ratgebern über die Vorzüge der Steinzeitkost nachliest, könnte den Eindruck gewinnen, die Autoren seien damals dabei gewesen, so detailliert sind die Angaben mitunter. Dabei weisen archäologische Befunde darauf hin, dass sich die Ernährungsweise auch in Urzeiten regional stark unterschieden hat, die "natürliche" Urdiät scheint es nicht zu geben. Und dass Naturvölker heute kaum unter Zivilisationskrankheiten leiden, hat vermutlich eher damit zu tun, dass sie weder Völlerei noch körperliche Unterforderung kennen. So gesehen schrumpft das Heilsversprechen von Paleo zu dem, was Mediziner immer schon gesagt haben: Esst weniger und bewegt euch mehr!

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Tiefkühlkost im Test

Seit Jänner dieses Jahres hat Iglo einen neuen, nun etwas jugendlicher wirkenden Käpt'n. Den Herrn mit der unerschütterlichen Vorliebe für Fischstäbchen und Tiefkühlkost gibt es auch auf der britischen Insel, dort heißt er Captain Birdseye. Der Name leitet sich von einem gewissen Clarence Birdseye ab, dem Erfinder des Schockfrostverfahrens. Der amerikanische Biologe hat sich diese Methode, so wird erzählt, Anfang des 20. Jahrhunderts von den Ureinwohnern Labradors abgeschaut. Der Vorteil daran: Beim Schockfrosten bilden sich nur kleine Eiskristalle, die Zellstruktur bleibt dadurch intakt – was wiederum ungewollten Verlust von Inhaltsstoffen vermeidet.

Diese wurden in einigen Studien untersucht, die Resultate waren nicht eindeutig. Ein Team um Diane M. Barrett von der University of California in Davis verglich acht frische Obst- und Gemüsesorten mit solchen aus dem Tiefkühlregal und fand mal hier, mal dort bessere Werte. Gefrorene Fisolen, Heidelbeeren und Maiskörner schnitten beim Vitamin-C-Gehalt besser ab, dafür fanden die Forscher in frischen Erbsen mehr Riboflavin, ein Vitamin aus der B-Reihe. In Bezug auf Faserstoffe und Mineralien (etwa Zink, Eisen und Kalzium) ließen sich ebenfalls keine großen Unterschiede feststellen.

Das ist dadurch zu erklären, dass auch frisches Obst und Gemüse nach der Ernte recht schnell an Vitalstoffen einbüßt. Der Vitamin-C-Gehalt etwa kann innerhalb von 24 bis 48 Stunden um die Hälfte schrumpfen, es kommt also vor allem darauf an, dass die Lebensmittel möglichst schnell zum Konsumenten gelangen. Die schlechte CO2-Bilanz ist somit nicht das einzige Argument, das gegen lange Transportwege spricht. Experten raten (wie übrigens auch beim "Superfood", siehe später), möglichst regional und saisonal einzukaufen: Erdbeeren im Winter? Muss nicht sein. Die Rübe vom Bauernmarkt hat in der kalten Jahreszeit ohnehin mehr zu bieten.

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Landkarte der Geschmäcker

Auf der Zunge ist eine Art Geschmackslandkarte verzeichnet, hieß es einst in der Schule: Die Zungenspitze nimmt Süßes wahr, die hintere Region Bitteres. Und dazwischen lägen die Zonen für Saures und Salziges. Gratulation an jene, die sich noch daran erinnern! Nun kommt die schlechte Nachricht: Das ist leider falsch.

Die Ursprünge dieses Irrtums reichen zurück bis ins Jahr 1901. Damals untersuchte der deutsche Physiologe David Hänig die Reaktionszeiten der Geschmacksknospen – und fand je nach Zungenregion unterschiedliche Empfindlichkeiten.

40 Jahre später übersetzte der Psychologiehistoriker Edwin Boring die Arbeit ins Englische. Allerdings so ungenau, dass die Leser den Eindruck erhielten, die Geschmacksknospen für Süßes, Saures, Bitteres und Salziges seien völlig voneinander getrennt. So fand der Mythos Eingang in den Kanon des Allgemeinwissens, wo er sich recht hartnäckig halten sollte, jahrzehntelang.

Tatsächlich finden sich die vier Rezeptortypen überall auf der Zunge verteilt – und es sind nicht vier, sondern deren sechs. Die Zunge kann somit auch "umami" (der Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie "schmackhaft" oder "würzig") sowie "fettig" schmecken und anhand chemischer Eigenschaften erkennen. Dies dürfte unsere Ernährungsweise ebenso beeinflussen. Australische Forscher von der Deakin University fanden zudem vor ein paar Jahren heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Fettempfindlichkeit im Mund und dem Body-Mass-Index gibt. Wer Fett weniger gut schmecken kann, nimmt mehr davon auf – was sich langfristig wohl auch auf der Waage niederschlägt.

Geschmacksrezeptoren wurden übrigens auch an ganz anderer Stelle, und zwar in der Magen- und Darmschleimhaut, nachgewiesen. Wie die Forscher Maik Behrens und Wolfgang Meyerhof 2011 im Fachblatt Physiology & Behavior gezeigt haben, ist der Darm also in gewisser Hinsicht auch "geschmacklich" an der Verdauung beteiligt: Er reagiert auf die Anwesenheit von Süßem, Bitterem und Herzhaftem mit der Freisetzung von Hormonen, die unter anderem die Sättigung regulieren.

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Hilft Schnaps nach dem Essen bei der Verdauung?

Dass der Verdauungsschnaps in Norddeutschland "Zerhacker" und in der Schweiz "Verdauerli" genannt wird, darf man als schönes Beispiel dafür verbuchen, wie sich Mentalität im Sprachlichen niederschlägt. Zu schade eigentlich, dass es an dieser Stelle nur um die medizinischen Aspekte gehen soll. Fazit bisheriger Untersuchungen: Der Alkohol entfaltet seine Wirkung vor allem im Gehirn, nicht im Magen oder Darm. Diese wohlbekannte Wirkung ist es, die das Völlegefühl zum Verschwinden bringt. Kurzum: Man sollte die Animierung im Kopf nicht irrigerweise im Bauch verorten.

"Alkoholische Getränke können die Produktion von Magensaft zwar anregen, das ist aber vor allem bei niedrigen Alkoholdosen der Fall. Hochprozentiges scheint das Gegenteil zu bewirken", sagt Alexa Meyer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Uni Wien. So weit die Diagnose für klare Schnäpse. Magenbitter dürften die Verdauung wegen ihrer pflanzlichen Inhaltsstoffe tatsächlich zu einem gewissen Grad anregen, dazu gäbe es freilich alkoholfreie Alternativen. Ein Espresso zum Abschluss hat etwa ähnliche Wirkung, wer gegenüber Koffein empfindlich ist, mache es wie die Inder: Die kauen nach dem Essen Fenchel- und Anissamen.

Und wie ist das mit der Wirkung vor dem Essen? Macht Alkohol hungrig? Gegen diese Vermutung spricht die Energiebilanz: Alkohol liefert jede Menge an Kalorien und sollte daher eher satt machen. Andererseits lehren einschlägige Erfahrungen zu später Stunde, dass das nicht die ganze Wahrheit sein kann. Im Deutschen gibt es für den alkoholinduzierten Heißhunger keinen prägnanten Begriff, aber die Engländer und Amerikaner haben einen: "Drunk Munchies".

Aufklären konnte diesen Widerspruch kürzlich ein britischer Forscher. Denis Burdakov vom Francis-Crick-Institut in London verabreichte Labormäusen eine für Nager beträchtliche Alkoholdosis – und beobachtete auch hier das Phänomen "Drunk Munchies", die illuminierten Versuchstiere fraßen deutlich mehr als sonst. Damit ging ein auffälliges Signal im Hypothalamus einher. Dort wurden Nervenzellen angeregt, die normalerweise nur dann aktiv sind, wenn der Blutzucker fällt. Die Neuronen gaukelten den Tieren also Hunger vor, obwohl ihr Magen gar nicht leer war. Ähnliches könnte sich laut Burdakov auch im Gehirn von Menschen abspielen.

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Das Schnapserl "danach"

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Kaffee: Von wegen ungesund

Der schwedische König Gustav III. war davon überzeugt, dass Kaffee giftig sei, und versuchte das, so wird zumindest erzählt, durch ein Experiment mit zwei Häftlingen zu beweisen. Die beiden wurden begnadigt – unter folgender Auflage: Der eine musste für den Rest seines Lebens täglich Kaffee trinken, der andere Tee. Dann zogen die Jahre ins Land. Resultat der schwedischen "Langzeitstudie": Die beiden Probanden überlebten sowohl den König als auch die am Experiment beteiligten Ärzte.

Auch heute noch wird dem Kaffee nachgesagt, er sei ungesund, vor allem deshalb, weil Koffein entwässernd wirkt. Letzteres trifft grundsätzlich zu, sagt Daniel Vigil von der David Geffen School of Medicine in Kalifornien. Nur sei der Effekt bei moderatem Kaffeekonsum (zwei bis vier Tassen) so gering, dass man ihn getrost vergessen könne.

Ansonsten mehren sich die Hinweise, dass das beliebte Heißgetränk – der weltweite Verbrauch liegt bei 2,25 Milliarden Tassen pro Tag – sogar gesund ist. Laut der europäischen Langzeitstudie Epic wirkt sich Kaffeekonsum etwa gut auf die Leberwerte und die Immunantwort aus. Und Forscher vom Imperial College in London fanden vergangenes Jahr heraus, dass Kaffeetrinker statistisch betrachtet länger leben. Ob das ursächlich an den Inhaltsstoffen des Kaffees liegt, bleibt unklar. Fazit: Ungesund ist der Kaffee jedenfalls nicht. Genießen Sie Ihre morgendliche Tasse!

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Macht Schokolade glücklich?

Der kanadische Mediziner Kevin Chan hat vor ein paar Jahren versucht, die Frage, ob Schokolade glücklich macht, mithilfe einer randomisierten Doppelblindstudie zu beantworten. Methodisch hätte Chan alles richtig gemacht – wenn da nicht seine Probanden gewesen wären. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe begannen nämlich im Lauf des Versuchs, die Kühlschränke mit der Studienschokolade zu plündern. Für die Statistik war das nicht ideal. Sie lieferte, Zitat Chan, "unklare Ergebnisse".

Andere Forscher waren da zum Glück erfolgreicher. Ein Team um Kent Berridge von der University of Michigan in Ann Arbor konnte zeigen: Die Empfindung zart schmelzender Schokolade auf dem Gaumen hinterlässt auch im Gehirn messbare Effekte. Das Belohnungssystem des Gehirns springt an – und verlangt nach mehr. Womit sich auch erklärt, warum es selten bei nur einem Stück Schokolade bleibt.

Was die stimmungsaufhellende Wirkung der Schokolade betrifft, wird üblicherweise mit den Inhaltsstoffen argumentiert. Kakao enthält Koffein, den Pflanzenstoff Theobromin und vor allem Tryptophan – einen Baustein des "Glückshormons" Serotonin. Ist Schokolade so etwas wie ein natürliches Antidepressivum? Nicht wirklich, sagt der Psychologe Michael Macht von der der Universität Würzburg. "Der Glückseffekt durch diese Stoffe ist gering." Das Wohlgefühl hat laut Macht andere Gründe. Es ist die Kombination aus Fett, Zucker und cremiger Konsistenz, die das Gaumenglück bewirkt.

Bliebe noch zu klären: Macht Schokolade schlauer? Der Zusammenhang scheint etwas weit hergeholt, doch der Schweizer Mediziner Franz Messerli fand vor sechs Jahren heraus, dass Länder mit hohem Pro-Kopf-Verbrauch an Schokolade mehr Nobelpreisträger hervorbringen. Das könnte, wie Messerli im New England Journal of Medicine schrieb, an den Polyphenolen in der Schokolade liegen. Diese Stoffe hätten im Tierversuch nämlich gezeigt, dass sie die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Nachdem die Untersuchung in einem renommierten Journal erschienen ist, wäre man geneigt, sie ernst zu nehmen – muss man aber nicht. Die Statistik stimmt schon, aber natürlich lassen sich andere und vor allem plausiblere Erklärungen finden. Messerlis Botschaft lautet: Wenn man eine Korrelation entdeckt, muss noch lange keine Kausalität dahinterstecken.

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Chia, Goji und Co: Unschlagbare Superfoods?

Açai, Chia, Goji und Moringa – ist Superfood die Lösung für alle Gesundheitsprobleme? Schenkt man den Verpackungstexten Glauben, dann muss es wohl so sein. Von Antioxidantien und Antikrebswirkung ist da zu lesen, von verbesserter Fettverbrennung und – noch verführerischer – einer positiven Wirkung auf die sexuelle Spannkraft. Und was die alten Azteken und Chinesen für gut befunden haben, kann ja für uns auch nicht schlecht sein, oder?

Schlecht sind all die exotischen Beeren und Samen per se nicht. Aber so super, wie behauptet, eben auch nicht. Für Jürgen König ist das Label "Superfood" schlicht ein Marketinggag. Denn es suggeriert, dass die Lebensmittel aus fernen Ländern wundersame Eigenschaften hätten. Was nicht stimmt: "Die Goji-Beere ist etwa mit einer normalen Heidelbeere vergleichbar", sagt der Ernährungswissenschafter der Universität Wien. "Und was der Chia-Samen kann, das kann auch der Leinsamen. Nur ist der eben aus der Mode gekommen." Ähnlich sieht das Veronika Somoza vom Institut für Physiologische Chemie der Universität Wien. Sie betont, "dass es im Grunde keine gesunden und ungesunden Lebensmittel gibt. Was es aber gibt, sind gesunde und ungesunde Lebens- und Ernährungsweisen. Bei der Ernährung kommt es immer auf die Menge an."

Das deutsche Konsumentenmagazin Öko-Test nahm vor zwei Jahren 22 "Superfoods" (darunter Chia-Samen, Goji-Beeren, Algenpulver und Rohkakao) unter die Lupe – und zog eine ernüchternde Bilanz: Die Experten fanden Schadstoffe wie Pestizide, Mineralöl und Kadmium. Zwei Drittel der untersuchten Produkte erhielten die Bewertung "ungenügend" oder "mangelhaft". Das muss nicht notwendigerweise repräsentativ sein, gleichwohl hat der Schluss, den die Autoren von Öko-Test ziehen, etwas für sich. Sie empfehlen gesundheitsbewussten Konsumenten, im Zweifelsfall statt zu importierten Exoten zu regionalen und frischen Produkten zu greifen: Der gute alte Spinat macht sich im Smoothie ja auch nicht schlecht. Und billiger als Algen- oder Moringapulver ist er allemal.

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Fruchtsäure greift Zahnschmelz an

Dem Rat der Ärzte zu folgen, ist an sich eine gute Idee. Doch die Empfehlung "Dreimal täglich Zähne putzen" kann auch zu Problemen führen. Denn Obstsäure greift den Zahnschmelz an: Wer einen Apfel isst und sich kurz darauf die Zähne putzt, scheuert die Schutzschicht des Zahnes ab – und öffnet damit Kariesbakterien Tür und Tor. Daher raten Zahnärzte, nach dem Essen mindestens eine halbe Stunde, besser noch eine Stunde zu warten, bis man zur Zahnbürste greift.

Für ein saures Milieu im Mund sorgen übrigens nicht nur Obst und Fruchtsäfte, auch Softdrinks und Wein haben ähnliche Wirkung. Ist der Zahnschmelz bereits angegriffen, lässt sich das nicht mehr rückgängig machen, Schadensbegrenzung ist aber möglich: Mediziner empfehlen etwa, saure Lebensmittel mit Joghurt zu kombinieren. Joghurt enthält Kalzium und Phosphat – beides Stoffe, die die Mineralisation des Zahnes unterstützen. Auch der alte Satz "An apple a day keeps the doctor away" hat kürzlich eine Revision erfahren. Nicht ein Apfel, sondern fünf bis zehn hätten laut einer Metastudie aus dem vergangenen Jahr nachhaltige und vorbeugende Wirkung.

Wobei man, so die Studienautoren vom Imperial College of London, durchaus auf andere Obst- und Gemüsesorten ausweichen kann. Ideal wären 800 Gramm pro Tag – dann sinkt das Risiko für Schlaganfälle um 33 Prozent. Ähnliches gilt für Herzleiden (minus 24 Prozent) und Krebs (minus 13 Prozent).

Und wer angesichts solch detaillierter Mengen- und Prozentangaben beim Essen in Stress verfällt, dem sei an dieser Stelle noch in Erinnerung gerufen: Das zwanghafte Bemühen, immer gesund zu essen, wurde auch schon als eigenes Krankheitsbild beschrieben. Es heißt "Orthorexie". So darf man all die Empfehlungen entspannt zur Kenntnis nehmen. Man muss nicht immer perfekt sein. Ausgewogene Ernährung reicht völlig. (Robert Czepel, 14.5.2018)

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