Immer wieder wird in Tschechien gegen den wachsenden Einfluss der KSČM demonstriert. Manche wollen "den Kommunismus" gar verbieten.

Foto: AFP / Michal Cizek

Prag – So nah dran waren sie noch nie: Zum ersten Mal seit der Wende des Jahres 1989 dürfen sich die tschechischen Kommunisten reale Chancen ausrechnen, bei der Regierungsarbeit ein Wörtchen mitzureden. Zwar sollen keine Vertreter der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSČM) am Kabinettstisch sitzen, ihre Abgeordneten aber wollen im Parlament eine Minderheitsregierung der liberal-populistischen Partei Ano von Premier Andrej Babiš und der Sozialdemokraten (ČSSD) stützen – und sich damit ihren Anteil an der Macht sichern.

Gewählt wurde im vergangenen Oktober. Ano konnte sich damals mit fast 30 Prozent der Stimmen einsam an die Spitze setzen. Die Bildung einer Koalition aber erwies sich als schwierig: Der Milliardär Babiš wird wegen angeblichen EU-Subventionsbetrugs strafrechtlich verfolgt, weshalb die anderen Parteien ihm die Gefolgschaft verwehrten. Also regiert Babiš, der die Anschuldigungen zurückweist, derzeit mit einem Ein-Parteien-Kabinett – und ohne Mehrheit im Parlament.

Regierung ohne Rechtsextreme

Am Freitag wurden nun entscheidende Weichen auf dem Weg zu einer neuen Regierung gestellt: Der Ano-Parteivorstand hat einen Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten gebilligt. Diese sollen – mit Blick auf die Betrugscausa Babiš – unter anderem das Innenministerium kontrollieren. Zudem soll der Koalitionsvertrag aufgelöst werden, wenn "ein Mitglied der Regierung" verurteilt wird – und nicht selbst zurücktritt.

Bleibt ein Problem: Ano und ČSSD haben gemeinsam gar keine Mehrheit. Die bürgerlichen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit Babiš ausgeschlossen, dieser wiederum will – genau wie die Sozialdemokraten – nicht auf die rechtsextreme Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) angewiesen sein. Und so werden nun voraussichtlich die Kommunisten zu Königsmachern.

"Kein großes Problem mehr"

"Laut Umfragen sieht eine Mehrheit der Tschechen darin heute kein großes Problem mehr", sagt der Prager Politologe Jiří Pehe zum STANDARD. Die Kommunisten seien – obwohl weitgehend unreformiert – seit fast 30 Jahren Teil des politischen Systems. Die personell eher alte Partei löse nicht solche Ängste aus wie neue Bewegungen, die "von zornigen jungen Männern unterstützt werden, wie das bei der SPD der Fall ist", so Pehe. Auch von inhaltlichen Forderungen wie etwa dem Austritt aus der Nato sei die KSČM abgerückt – und würde dafür durch diverse Aufsichtsratsposten in staatlichen Unternehmen entlohnt.

Konservative schlagen dennoch Alarm. Petr Fiala, Chef der Bürgerdemokraten (ODS), spricht vom "Überschreiten einer roten Linie" und fürchtet unter anderem Probleme für Tschechiens Außenpolitik. Auch dass der gebürtige Slowake Babiš in Bratislava als ehemaliger Agent des kommunistischen Geheimdienstes geführt wird – ein Vorwurf, den er bestreitet –, passt für viele gut ins Bild. Sie setzen nun auf die Sozialdemokraten: Am Freitagabend beschloss die ČSSD-Parteiführung, dass der Koalitionsvertrag mit Ano in einem Mitgliedervotum noch definitiv abgesegnet werden muss. (Gerald Schubert, 11.5.2018)