Wie Michael Ludwig (links) musste sich auch Michael Häupl vor seinem Amtsantritt als Wiener Bürgermeister parteiinternen Gegenkandidaten stellen.

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Seine erste Amtshandlung setzte Michael Ludwig, noch bevor er das Bürgermeisterbüro im Wiener Rathaus bezogen hatte. Ende April verordnete er ein Alkoholverbot für den Praterstern – formell ging es noch über den Schreibtisch seines Vorgängers Michael Häupl. Seit Jahren gilt der Verkehrsknotenpunkt in der Leopoldstadt als sozialer Brennpunkt. Die politische Maßnahme, die nun seit zweieinhalb Wochen in Kraft ist, sorgte für viel Aufsehen. ÖVP, FPÖ und nicht zuletzt die ÖBB forderten es schon seit längerem. "Die betrunkenen Obdachlosen gehören weg" – mit dem Alkoholverbot vertritt Ludwig eine Meinung, die derzeit wohl den Geschmack der meisten in der Gesellschaft trifft. Der designierte Bürgermeister schloss sich einer Position an, die blaue Wähler zurückholen soll. Mit Gegenargumenten, etwa des grünen Koalitionspartners, hielt sich Ludwig deswegen gar nicht erst auf.

Ecken und Kanten fehlen bei Ludwig

Es ist eine der ersten inhaltlichen Themensetzungen, die man nun mit Ludwig verbindet. Das Alkoholverbot hat sich geradezu angeboten, denn Ludwig hat es bitter nötig, sein Profil zu schärfen. Langweilig, fad, ohne Ecken und Kanten sind nur einige Assoziationen, die politische Beobachter in den vergangenen Wochen und Monaten tätigten. Das ist bemerkenswert, weil Ludwig ja kein Neuling ist. Seit 2007 war er Wohnbaustadtrat. Mit ideologischen Äußerungen oder Wortspenden über sein unmittelbares Aufgabengebiet hinaus hielt er jedoch allzu oft hinterm Berg.

Das unterscheidet ihn (noch) von Häupl, der es geradezu genoss, zu allen Themen seinen Senf abzugeben. Sei es Bildungswesen, Flüchtlingspolitik oder Staatshaushalt – Häupl ist und war für seine Forderungen und Meinungen bekannt. Sie hatten immer wieder großen Einfluss auf Bundesebene. Klar, als Wiener Bürgermeister ist man gleichzeitig auch Landeshauptmann und entsprechend wichtig in einem von Föderalismus geprägten Land wie Österreich. Michael Ludwig muss es hier künftig mit Kapazundern wie der Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner aufnehmen.

Auch Häupl hatte Gegenkandidaten

Doch auch Häupls Einstieg ins Bürgermeisteramt verlief holprig. Wie Ludwig musste er sich Gegenkandidaten stellen. Große Erfolge feierte er erst, als sich im Bund kurz nach der Jahrtausendwende Wolfgang Schüssels ÖVP mit der FPÖ zusammentat – die Wiener SPÖ konnte die Absolute zurückerobern. An ein ähnliches Szenario mag Ludwig denken. Derzeit regiert Türkis-Blau das Land. Sollte sich etwa die Zusammenlegung der Sozialversicherungen auf die Bürger negativ auswirken, könnte es den Roten Rückenwind verschaffen, wenn sie sich als Bastion gegen Türkis-Blau inszenieren.

Ludwig ist nahezu verpflichtet, diese Chance zu ergreifen, denn der Rucksack an Problemen, den er übergeschultert bekommt, wiegt schwer: Sei es das Finanzierungsdesaster rund um das Krankenhaus Nord, die Verschuldung Wiens oder die Kostensprengung bei der Mindestsicherung.

Kein Gegenpol zu Türkis-Blau bei Mindestsicherung

Apropos Mindestsicherung: Auch hier hat sich Ludwig längst dem Mainstream (beziehungsweise der Meinung vieler anderer Bundesländer) verschrieben. Er positioniert sich dabei ganz und gar nicht als Gegenpol zu Türkis-Blau. Auch er bringt eine Verschärfung ins Spiel – in Form einer Wartefrist. Wer neu nach Wien zieht, könnte demnach erst nach einer bestimmten Zeit Anspruch auf die volle Mindestsicherung haben.

Mit der Präsentation seines Teams an Stadträtinnen und Stadträten am Montag sollte nun die strategische (Neu-)Aufstellung abgeschlossen sein. Ludwig scheint es gelungen zu sein, alle Lager zu bedienen. Brücken bauen wollte er ja seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden im Jänner, als er die Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder für sich entschied. Sogar das "linke Lager" ist vertreten. Wie Ludwig mit dem künftigen Sozialstadtrat Peter Hacker in Sachen Mindestsicherung eins wird, bleibt jedoch spannend. Der bisherige Chef des Fonds Soziales Wien trat stets gegen Verschärfungen ein. Im Zweifelsfall entscheidet der Bürgermeister, beeilte sich Ludwig bei der Präsentation am Montag gleich zu sagen. (Rosa Winkler-Hermaden, 14.5.2018)

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