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Ein Polizist vor der angegriffenen Polizeistation in Surabaya.

Foto: REUTERS/Beawiharta

Zwei Anschläge in nur zwei Tagen erschüttern Indonesien: Nach dem Angriff auf drei christliche Kirchen am Sonntag in Indonesiens zweitgrößter Stadt Surabaya auf der Insel Java war am Montag die Polizeizentrale in derselben Stadt das Ziel. Mindestens vier Menschen starben am Montag, am Vortag waren es 13 Todesopfer. Die Attentäter der koordinierten Dreifachanschläge von Sonntag stammten dabei allesamt aus einer Familie, inklusive minderjähriger Kinder. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) übernahm über ihr Sprachrohr Amak die Verantwortung dafür.

Südostasien ist zunehmend in den Fokus der IS-Islamisten geraten, präziser: in jenen lokaler Gruppen, die sich ihnen anschließen. Es sei nur eine Frage der Zeit, warnten die Staatsoberhäupter von Indonesien, Malaysia und Singapur auf einem Sicherheitsgipfel im Jahr 2015, bis sich der IS auch in der Region ausbreite. Im Jahr 2016 schlugen sie dann das erste Mal in Indonesien, dem mit seinen mehr als 260 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten muslimische Land der Erde, zu. Damals explodierte in der Hauptstadt Jakarta eine Bombe, die sieben Menschen in den Tod riss.

Als beunruhigend gilt auch, dass sich die aktuellen Anschläge nur wenige Tage nach einem anderen gewaltsamen Zwischenfall ereigneten. Indonesische Terroristen sollen vergangene Woche an einem Gefängnisaufstand außerhalb der Hauptstadt Jakarta beteiligt gewesen sein. Fünf Polizisten und ein Häftling kamen dabei ums Leben. Der IS behauptet, dass einige seiner Verbündeten daran beteiligt waren.

Indonesiens Präsident Joko Widodo forderte am Montag das Parlament auf, bis Ende Juni den Weg für eine Verschärfung der Antiterrorgesetze freizumachen. Die Maßnahmen sollen der Polizei die Möglichkeit geben, Anschläge besser zu verhindern. Staatschef Widodo drohte damit, andernfalls eine Notstandsverordnung zu erlassen.

Gemäßigte Mehrheit, radikale Elemente

Mehr als 85 Prozent der Bevölkerung sind muslimischen Glaubens. Die christliche Minderheit macht etwa zehn Prozent aus. Indonesien galt lange als Beispiel für ein muslimisches Land, in dem eine moderate Form des Islams gelebt wird. Dennoch kennt das Land schon lange radikale islamistische Strömungen. Mehrheitlich kämpfen sie dabei für die Durchsetzung von erzkonservativen Gesetzen. In manchen Teilen Indonesiens gilt das Schariarecht, eine Ansammlung von Pflichten und Verboten, die das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft – vom erb- bis hin zum Kriegsrecht – regelt. Die Regierung von Aceh, der Provinz an der Nordwestspitze der Insel Sumatra, etwa hat das Schariarecht sukzessive ausgeweitet.

Sie wettern gegen religiöse Minderheiten ebenso wie gegen liberale Muslime und machen Druck auf Politiker, um die Gesetzgebung zu verschärfen – und das durchaus mit Erfolg: Vor einem Jahr, im Mai 2017, hatten Islamisten mit einigen der größten Massendemonstrationen der indonesischen Geschichte die Behörden gezwungen, den ehemaligen Gouverneur der Metropole Jakarta, Basuki Tjahaja Purnama, vor Gericht zu zerren. Er wurde auf Basis des jahrzehntealten Paragrafen der Gotteslästerung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Purnama soll den Koran beleidigt haben, als er seine politischen Gegner dafür kritisierte, dass sie einen Vers aus der Schrift zu seinen Ungunsten interpretiert hätten. Purnama ist Christ, weshalb einige Islamisten es mit Berufung auf den Koran Muslimen untersagten, ihn zu wählen. Purnama bestritt die Existenz des angeblichen Verbots im Koran. Hatte seine Wahl einst als Symbol für die religiöse Toleranz des Landes gegolten, so stand seine Verurteilung nun als Beleg für den wachsenden Einfluss der islamistischen Hardliner.

Zunehmender IS-Einfluss

Der Großteil der Bevölkerung steht immer noch säkular auftretenden Parteien nahe. Die breite Mehrheit der dort lebenden Muslime lehnt den IS laut Umfragen ab. Einer Untersuchung des amerikanischen Pew Research Centers nach gaben ein Prozent der befragten Indonesier an, große, und nur drei Prozent, gemäßigte Zustimmung zum IS zu empfinden. Die Anzahl der nach Syrien oder in den Irak ausgereisten Sympathisanten der Terroristen ist verglichen mit jener aus Europa oder dem Kaukasus gering: Aus ganz Südostasien waren es an die 1.000 Kämpfer, die vor Ort eine eigene Einheit gebildet haben. Diese hat auch den Bombenanschlag in Jakarta im Jahr 2016 zu verantworten.

Der IS versucht allerdings seinen Einfluss auszubauen: In Videos setzt die Miliz zunehmend auf Indonesier, die Regierung und Polizei mit Anschlägen drohen und die Bevölkerung zu Gewalt aufrufen. Vergangenes Jahr schätze Indonesiens Armeechef Gatot Nurmantyo, dass der IS sich bereits in jeder Provinz des Landes ausgebreitet hat. Seine Anhänger rekrutiert die Terrorgruppe dabei entweder übers Internet oder aber über bereits bestehende lokale radikale Gruppierungen. Laut Schätzungen haben bereits 30 Gruppen dem sogenannten "Islamischen Staat" die Treue geschworen.

Der Anschlag von Montag ist der tödlichste seit jenem im Jahr 2005, als drei Selbstmordattentäter auf Bali 20 Menschen mit sich in den Tod riss. Neun Anschläge oder Zwischenfälle, die mit Islamisten in Verbindung gebracht wurden, zählt die BBC seither auf.

Präsident Widodo, selbst gläubiger Muslim, versucht in Indonesien seit einigen Jahren, Terrorismus neben polizeilichen und juristischen Maßnahmen auch mit "Soft Power" zu bekämpfen, wie er es bezeichnet. Seine Regierung arbeitet mit den beiden großen islamischen Organisationen des Landes zusammen, die gemeinsam rund 120 Millionen Indonesier zu ihren Mitgliedern zählen und eine wichtige Rolle bei der Verbreitung islamischer Werte spielen. Außerdem verfolgt das Land Programme zur Deradikalisierung von inhaftierten Terroristen. (Anna Giulia Fink, 15.5.2018)