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US-Präsident Trump scheint sich in seinen Entscheidungen von Europa, Frankreichs Präsident Macron und Deutschlands Kanzlerin Merkel, nicht irritieren zu lassen.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Präsident Donald Trump hat eines seiner Wahlversprechen umgesetzt und den Rückzug der USA aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), besser bekannt als "Iran-Deal", wahrgemacht. Nicht überraschend. Dennoch, vieles bleibt ungelöst. Die zentrale Frage aber ist, ob der Iran-Deal weiterhin gültig bleibt oder gänzlich gestorben ist.

Das JCPOA kam nach mehrjährigen Verhandlungen als ein multilateraler Vertrag zwischen den USA, Russland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland und China (P5+1) mit dem Iran zustande. Ziel des Abkommens ist ein Stopp der militärischen Nuklearambitionen des Iran, wobei im Gegenzug die Wirtschaftssanktionen, die den Iran schwer trafen, schrittweise zurückgefahren werden, um so die ökonomische Situation des Landes zu verbessern. Überwacht werden sollte der Deal von der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

Enttäuschte Erwartungen im Iran

Als der Deal im Jänner 2016 in Kraft trat, waren die Erwartungen sehr groß. Die Bevölkerung im Iran erhoffte sich mit dem Reformer Hassan Rohani, der den Deal unterstützte, einen spürbaren ökonomischen Aufschwung. Europäische und amerikanische Unternehmen waren bereit, ihr Engagement im Iran nach der teilweisen Aufhebung der Sanktionen wieder hochzufahren.

Doch die Erwartungen entpuppten sich bald als zu euphorisch. Die Iranerinnen und Iraner konnten keine Verbesserung wahrnehmen, amerikanische und europäische Firmen kämpfen mit politischen Risiken, die mit dem Iran-Geschäft einhergehen, wodurch die Investitionsabsichten oft nicht erfüllt werden konnten. Somit haben sich die von iranischer Seite erwünschten ökonomischen Effekte nicht in vollem Ausmaß entfaltet.

Emanzipation der EU?

Und jetzt? Politisch mag die Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA den vielbeschworenen Anstoß für die EU liefern, sich von den USA zu emanzipieren und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik endlich zu dem zu machen, was der Name des Programms impliziert. Schon in den vergangenen Monaten zeigte sich, dass die EU mit dem nachhaltigen Einsatz für den Fortbestand des Abkommens die Chance ergreifen würde, die durch die Uneinigkeit in der Flüchtlingspolitik einmal mehr aufgerissenen tiefen Gräben zwischen den Mitgliedsstaaten allmählich wieder zuzuschütten.

Einmal mehr zeigte Präsident Trump Emmanuel Macron und Angela Merkel mit der Aufkündigung des JCPOA die kalte Schulter und scheint sich in seinen Entscheidungen von Europa nicht irritieren zu lassen.

Die ökonomische Perspektive

Zu der politischen Dimension kommt auch noch die ökonomische Abhängigkeit der großen europäischen Unternehmen von den USA.

Bislang waren europäische Unternehmen von den Exportbestimmungen des US Office of Foreign Assets Control (OFAC) grundsätzlich nur dann betroffen, wenn das zu exportierende Produkt in einen vergleichsweise eng definierten Sanktionsbereich fiel und die US-Behörden gleichzeitig juristisch unmittelbar Zugriff auf das Unternehmen hatten, etwa über eine US-Niederlassung. Fortan aber kann es sich kein Unternehmen mit US-Niederlassung mehr erlauben, Iran-Geschäfte durchzuführen.

In der Praxis sind die Auswirkungen gravierend, denn aufgrund der wirtschaftlichen Stärke der USA und des hohen Grads transatlantischer ökonomischer Verflechtungen verfügen nahezu alle großen europäischen Unternehmen über einen US-Bezug. Der Iran ist demgegenüber geradezu ein handelspolitischer Zwerg.

Risiken minimieren

Um aber die ökonomische Dynamik in Schwung zu bringen und somit das System Rohani und die Reformer im Iran zu stärken, müsste Europa die politischen Risiken für europäische Unternehmen aufgrund der Sanktionen minimieren. Zwei konkrete Effekte müssten dafür sichergestellt sein:

  1. Europäische Unternehmen schadlos halten, wenn sie sich im Rahmen des JCPOA im Iran engagieren: Europa hatte 1996 die Blocking Regulation eingeführt, um ihre Unternehmen vor US Secondary Sanctions zu schützen. Diese Maßnahme könnte zwar technisch aktiviert werden, bliebe aber aufgrund der ökonomischen Verflechtungen für viele europäische Unternehmen zahnlos. Denn kein Unternehmen riskiert den Verlust des US-Marktes, um den iranischen Markt zu gewinnen.
  2. Finanzierung ermöglichen: Die Sanktionsbestimmungen verunmöglichen Finanztransaktionen in US-Dollar. Banken, die eine Finanzierung für Iran-Geschäfte anbieten, stehen auch unter dem JCPOA-Regime permanent vor dem Risiko, von den US-Behörden boykottiert zu werden und keine Dollar-Geschäfte mehr durchführen zu dürfen. Entsprechend schwierig war bis jetzt schon die Finanzierung von Iran-Projekten. Was Europa also anbieten müsste, wäre eine Finanzierungsquelle für Iran-Geschäfte. Denn ohne eine sichere und legale Finanzierungsmöglichkeit wird auch zukünftig das Iran-Engagement europäischer Unternehmen – selbst unter einem JCPOA – im Keim erstickt.

Europäische Unternehmen werden mehr brauchen als ein alleiniges Festhalten der EU am JCPOA. Keine einfache Aufgabe für die EU vor dem Hintergrund von Trumps klarer Agenda gegenüber dem Iran. (Johannes Leitner, Hannes Meissner, 15.5.2018)