Foto: Christian Hlinak

Da kann sie sich noch so kess herstehen, glänzen und dem Auge schmeicheln: Allein bei der Ziffernkombination 310 fängt die linke große Zehe zu schmerzen an. Sie kennen das vielleicht – eine alte Wunde, ein schon längst verheilter Bruch, aber bevor das Gewitter niedergeht, fangt es genau an der Stelle zu ziehen an. So ähnlich ist das jetzt mit der kleinsten GS nach dem ersten Ausritt vergangenes Jahr – mit der G 310 R. Das Sechsganggetriebe war so hakelig, dass sich um ein Haar die Knochen gedacht hätten: "Ach, weißt was, der Gscheitere gibt nach …" – und so fast Schaden genommen hätten.

Die kleine GS gefällt auch Kollegen Christian Hlinak. So sehr, dass er sich angetragen hat, diese Fotos zu machen – und sich dafür selbstlos auch in den Staub zu legen.
Foto: Christian Hlinak

Die Sache ist nämlich die: Die 310er-Eisen baut BMW nicht selbst, sondern die werden bei TVS in Indien gefertigt. Mit den kleinen Motoren will man auf der ganzen Welt Märkte erschließen, die jetzt noch nicht ausreichend zu den aktuellen Rekordumsätzen von BMW beitragen. Doch reden wir es nicht künstlich schön: Das Beste an der ersten 310er-Charge war der niedrige Preis. Bei der G 310 GS ist aber, das sieht man auf den ersten Blick, schon viel passiert. Sie schaut stimmiger aus, ist eindeutig besser verarbeitet, und günstig ist sie auch noch immer: Ab 5.950 Euro ist man bei der Musik dabei. Ja, wirklich, bei BMW.

Auch mit einer Körpergröße von 190 Zentimetern kommt man bei diesem Motorrad gut mit den Füßen runter. Deswegen hätte man nicht so groß werden müssen.
Foto: Christian Hlinak

Mit der gesunden Skepsis im rechtesten der linken Zehen ging es also los. Wird die alte Blessur gleich wieder aufblühen? Werde ich den Versuch, in die Zweite zu schalten, nach dem dritten Mal abbrechen? Doch da schau her, das Getriebe arbeitet so, wie man sich das vorstellt. Gut, das Getriebe der großen GS ist schon noch einmal eine andere Nummer auf der Butterweich-Skala, aber jetzt noch herumzumosern wäre mehr als frech.

Die Verarbeitung der 310er GS ist makellos, das Design gelungen.
Foto: Christian Hlinak

Butterweich war auch der Arbeitstitel in der Fahrwerksabstimmung. Wenn wir uns vorstellen, dass auf dem Motorrad normalerweise nicht der ausgefressene alte Motorradl-Schreiberling draufsitzt, sondern ein zierlich Jüngling oder eine Dame, die mit Ledergwand und Helm gerade einmal die Hälfte von dem wiegt, das mir das Alter als Sorgen auf die Brust drückt, dann kann man nur sagen: Gratulation. Da passt die Abstimmung dann nämlich für alle Bedingungen, vom Ausflug in den Schotter über die Fahrt in die Arbeit bis zur feinen Sonntagsrunde.

An der Gabel kann man nicht viele Fehler beim Verstellen machen. Das Schloss ist das einzige Detail, das ein Hinweis auf die indische Herkunft ist.
Foto: Christian Hlinak

Mir persönlich war das Fahrwerk gerade in der Stadt zu weich – was aber nicht nur daran liegt, dass ich alle Löcher meines Gürtels gleichmäßig abnutzen will und gerade die äußeren erreiche, sondern ganz klar auch an der aggressiven Fahrweise. Ein Einzylinder mit 34 PS Leistung und einem Drehmoment von 28 Nm ist sicher nicht das Aggregat, das jemand kaufen sollte, der auf dem Weg ins Büro lieber einen kleinen Umweg über den Hausberg fährt, als frisch, duftig und überpünktlich mit schon gerichtetem Haar am Kaffeeautomaten zu stehen.

Der kleine Einzylinder leistet 34 PS und hat ein Drehmoment von 28 Nm.
Foto: Christian Hlinak

Bei der kleinen GS geht es um Styling, geschmeidiges Vorankommen, spielerisches Handling und einen Hauch Abenteuer. Sie wiegt nicht einmal 170 Kilogramm, und mit ihrer geringen Sitzhöhe fühlt man sich auch als ungeübte Fahrerin oder ungeübter Fahrer sicher.

Schifferlfahren ist noch sanfter als die kleinste GS, aber nicht viel.
Foto: Christian Hlinak

Für die Andruckerinnen und Andrucker ist die kleine GS nicht ideal, und man braucht eine längere Phase der Gewöhnung, wenn man an jeder Ampel Erster sein will und sich notfalls auch Duelle mit stärkeren Maschinen liefern würde, nur damit die Zeit vergeht. Da kann nämlich schon passieren, dass einem die kleine GS kurzerhand an der Kreuzung abstirbt, weil man mit mehr Kraft aus dem kleinen Motor gerechnet hat und den Einzylinder zu wenig hochdrehte in Relation dazu, wie rasch man die Kupplung schloss.

Fesch ist sie, das war die einhellige Meinung während der Testphase.
Foto: Christian Hlinak

Ähnliches auf der Bremse. Wer bei jedem Griff in die Zange fürchten will, dass es ihn gleich übers Vorderrad katapultiert, ist hier sicher so falsch aufgehoben wie ein Sack Zement auf dem Kreuz. Wenn es aber um Fahrspaß geht statt um die Rundenzeit, den Genuss am Motorradfahren statt ums Schleifen am Asphalt mit den Ohren, dann ist man hier genau richtig. Einsteiger etwa, die den jugendlichen Leichtsinn gegen zwei Katzen, Kinder und ein erfülltes Leben getauscht haben. Oder aber auch jene, die zwar um die Gefahren des Motorradfahrens wissen, es aber trotzdem nicht übers Herz bringen, endgültig damit aufzuhören, weil es einfach eines der schönsten Hobbys der Welt ist. Und weil ein Roller halt in Wirklichkeit doch nur so lange schön ist, solange er nicht neben einem echten Motorrad steht. (Guido Gluschitsch, 16.5.2018)

Die Pilotenansicht zum Schluss.
Foto: Christian Hlinak