Bereits vor der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem kam es zu Ausschreitungen entlang des Sicherheitszauns zwischen dem Gazastreifen und Israel.

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Schwarzer Rauch stieg auch am Dienstag nach der Verbrennung zahlreicher Autoreifen auf.

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Seit Ende März und bis zum heutigen Tag der "Nakba" sollten die Proteste anhalten.

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Ramallah/Gaza – Nach den tödlichen Konfrontationen von Palästinensern und israelischen Soldaten an der Gaza-Grenze kam es auch am Dienstag zu Ausschreitungen. Bei Zusammenstößen im Westjordanland wurden bereits mindestens drei Palästinenser durch Schüsse verletzt, berichtete "Haaretz" unter Berufung auf das Gesundheitsministerium in Ramallah. In Gaza ist eine Person erschossen worden. Nahe der Stadt Bethlehem seien zudem 45 Menschen verwundet worden, teilweise durch Gummigeschoße und teilweise durch das Einatmen von Tränengas.

Die Vereinten Nationen und Russland warnten vor weiterer Gewalt: "Wir sind extrem besorgt über das, was im Verlauf des Tages noch passieren könnte", sagte ein Sprecher des Uno-Menschenrechtsbeauftragten in Genf.

Nach den tödlichen Konfrontationen von Palästinensern und israelischen Soldaten an der Gaza-Grenze nahmen am Dienstag tausende Menschen im Gazastreifen Abschied von ihren Toten, es begannen drei Tage der Trauer. Für Dienstag hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zudem einen Generalstreik ausgerufen, alle Geschäfte, Schulen, Universitäten und Regierungseinrichtungen in den Palästinensergebieten und Ostjerusalem blieben geschlossen.

Im "ZiB 2"-Interview verteidigt Außenministerin Karin Kneissel die Teilnahme am Empfang in der neuen US-Botschaft in Jerusalem – Österreich war durch Botschafter Martin Weiss vertreten –, während viele EU-Staaten darauf verzichteten.
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Die Lage war auch in Israel angespannt: Im Süden des Landes gab das Militär am Dienstagmorgen Raketenwarnung, sprach kurz darauf aber von einem falschen Alarm.

"Nakba" und Botschaftseröffnung

Am Tag der "Nakba" (Katastrophe) erinnern die Palästinenser traditionell an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender im Zuge der israelischen Staatsgründung vor 70 Jahren. Dabei kam es bereits in der Vergangenheit zu Unruhen. Die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem sorgt diesmal für zusätzliche Spannungen.

Die Zahl der bei den Auseinandersetzungen im Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg in der Nacht auf 59, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit. Bei den Massenprotesten am Montag seien 2.771 Palästinenser verletzt worden, etwa die Hälfte von ihnen habe Schussverletzungen erlitten. Der Hilfsorganisation Save the Children zufolge wurden mehr als tausend palästinensische Kinder verletzt, von denen mindestens 600 im Krankenhaus behandelt wurden.

Wie schlimm es noch werden könnte, erläutert ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary aus Kairo.
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Das Uno-Menschenrechtsbüro hat Israel wegen seines Vorgehens scharf kritisiert. Tödliche Gewalt dürfe nur angewendet werden, wenn die Angegriffenen in Lebensgefahr seien. Das sei hier nicht der Fall gewesen, sagte der Sprecher des Büros, Rupert Colville, am Dienstag. "Es sieht so aus, als laufe jeder Gefahr, durch Schüsse getötet oder verletzt zu werden: Frauen, Kinder, Pressevertreter, Nothelferinnen, Unbeteiligte – und das, auch wenn sie sich 700 Meter vom Zaun entfernt aufhalten."

Israels Botschafter zur Ausreise aufgefordert

Der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım forderte die muslimischen Länder angesichts der Gewalt auf, ihre Beziehungen zu Israel zu überdenken. Das Außenministerium habe dem israelischen Botschafter Eitan Naeh übermittelt, dass es "angemessen ist, wenn er für einige Zeit in sein Land zurückkehrt", meldeten die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag.

Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan hatte das Vorgehen der israelischen Soldaten bereits am Vortag als "Genozid" bezeichnet. Israels Premier Benjamin Netanjahu wies das am Dienstag zurück: "Erdoğan ist einer der größten Unterstützer der Hamas, daher gibt es keinen Zweifel, dass er sich gut auskennt mit Terror und Massakern", sagte Netanjahu. "Ich rate ihm, uns keine Moral zu predigen."

Berlin mahnte zur Zurückhaltung: "Die israelische Regierung hat das Recht und sie hat die Pflicht, sowohl (...) die Sicherheit ihrer Bürger als auch die Sicherheit ihrer Grenzen zu schützen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag in Berlin. "Aber dabei muss Verhältnismäßigkeit eingehalten werden, und das gilt insbesondere für den Einsatz von scharfer Munition."

USA blockieren Untersuchung

Israel wirft der im Gazastreifen herrschenden Hamas vor, Zivilisten in dem Konflikt als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Die USA blockierten Diplomatenangaben zufolge im Uno-Sicherheitsrat eine Erklärung, in der eine unabhängige Untersuchung der Gewalt an der Grenze zum Gazastreifen gefordert wurde. Vertreter Deutschlands und Großbritannien forderten am Dienstag erneut eine unabhängige Untersuchung.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) verteidigte indes die Teilnahme des österreichischen Botschafters in Israel, Martin Weiss, an einem Empfang des israelischen Außenministeriums vor der Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem. "Aus unserer Teilnahme am Empfang sind keinerlei völkerrechtliche Implikationen herauszulesen", sagte Kneissl im "ZiB 2"-Interview am Montag. Fast alle EU-Staaten hatten den Empfang boykottiert. An der österreichischen Position im Konflikt zwischen Israel und Palästina ändere sich nichts, sagte Kneissl, die die Annexion Ostjerusalems durch Israel im Jahr 1980 als "völkerrechtswidrigen Akt" bezeichnete.

Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder fragte sich, warum der österreichische Botschafter an den Feierlichkeiten teilnahm. Schieder vermutet, dass das offensichtlich als "innenpolitisch determinierter Wunsch" aus Österreich an den Botschafter herangetragen worden sei. Von den USA wünschte sich Schieder "mehr Besonnenheit". Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem bezeichnete er als "unsensible, unausgewogene amerikanische Außenpolitik". (APA, red, 15.5.2018)