Deutsche Verfassungsrichter, hier bei einer Urteilsverkündung 2016.

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Karlsruhe – Rund acht Milliarden Euro pro Jahr bezahlen Deutsche pro Jahr für ARD, ZDF und Deutschlandfunk, seit 2013 als Abgabe für alle Haushalte. Ab Mittwoch verhandelt das deutsche Höchstgericht das Pendant zur österreichischen GIS.

140 Beschwerden – 380 nicht angenommen

Update 16.5.: Drei Deutsche und Autoverleiher Sixt gehen nach bisherigen Angaben deutschen Medien zum Mittwoch beginnenden Verfahren gegen diese Abgabe bis zum Bundesverfassungsgericht vor. Insgesamt sind bei dem deutschen Höchstgericht aber laut einem Gerichtssprecher noch 140 Beschwerden gegen den Rundfunkbeitrag noch offen. Weitere rund 380 seien "durch Nichtannahme ohne Begründung" erledigt.

Vor den unteren Instanzen wehren sich ebenfalls viele Beitragskritiker gegen die Abgabe. Nach jüngsten verfügbaren Zahlen waren im Jahr 2016 gut 4000 "rundfunkbeitragsrechtliche Verfahren" vor Gerichten anhängig, teilte ein Sprecher des Beitragsservice der Öffentlich-Rechtlichen mit.

Der Beitragsservice verwaltete nach eigenen Angaben im Jahr 2016 rund 44,9 Millionen Beitragskonten, mehr als zehn Prozent (4,56 Millionen) befinden sich im Mahnverfahren. In rund 1,5 Millionen Fällen sei Vollstreckung eingeleitet worden.

Es handle sich bei den säumigen Zahlern aber keineswegs durchweg um Menschen, die den Rundfunkbeitrag von derzeit 17,50 Euro im Monat pro Wohnung aus Prinzip ablehnten, sagte der Sprecher: "Es ist davon auszugehen, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle finanzielle Gründe Ursache für einen Zahlungsrückstand sind".

Steuer oder Beitrag?

Zentraler Angelpunkt der Beschwerdeführer gegen die deutsche Haushaltsabgabe in dem Mittwoch beginnenden Verhandlungen vor dem Höchstgericht: In Deutschland sind die Bundesländer zuständig für Rundfunk. Sie dürfen aber keine Steuern einheben – und die Beschwerdeführer argumentieren, die "Beitrag" genannte Abgabe sei im Grunde eine Steuer. Nun geht es um die Frage, ob die Länder darüber Gesetze beschließen dürfen. ARD, ZDF und Co operieren auf der rechtlichen Basis von Rundfunkstaatsverträgen unter den 16 deutschen Bundesländern.

Alle Haushalte – im Gegensatz zur GIS

Die deutschen Beschwerdeführer kritisieren etwa, dass Haushalte seit 2013 den Rundfunkbeitrag unabhängig vom tatsächlichen Empfang bezahlen müssen. Singles seien bei der Abrechnung pro Haushalt benachteiligt.

In Österreich sind die GIS-Gebühren an stationäre TV- und Radiogeräte sowie die Empfangsmöglichkeit von terrestrischen Signalen im jeweiligen Gebiet gebunden. Erst 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof deshalb festgestellt, dass Streaming-Nutzung von ORF-Programmen nicht gebührenpflichtig ist – weil kein Rundfunkempfang.

Auf dem Weg zum österreichischen Verfassungsgericht

Kronehit-Chef Ernst Swoboda begann 2015 den langen Weg zum österreichischen Verfassungsgerichtshof. Er moniert nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Ungleichbehandlung von Menschen, die über klassischen Rundfunk hören und sehen, und jenen, die streamen.

Die deutschen Beschwerdeführer verweisen zudem auf aus ihrer Sicht hohe Kosten der deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihr umfangreiches Programmangebot, ihre aus ihrer Sicht zu wenig unabhängige Berichterstattung. Autovermieter Sixt wiederum prozessiert seit 2013 gegen die Rundfunkbeiträge für seine zehntausenden Leihfahrzeuge – von jeweils 5,80 Euro pro Monat.

17,50 Euro pro Monat

In Deutschland bezahlen Haushalte 17,50 Euro Rundfunkbeitrag pro Monat. In Österreich bekommt der ORF nach Angaben der GIS "nach allen Abzügen" 16,78 Euro pro Monat. Bund und sieben von neun Bundesländern schlagen auf diesen Betrag noch Abgaben und Steuern auf.

In Vorarlberg und Oberösterreich (ohne Landesabgaben) zahlen die Haushalte pro Monat 20,93 Euro, im Burgenland 23,73, in Tirol 24,63, in Salzburg 25,63, in Kärnten 26,03, in Wien und Niederösterreich 26,33 und in der Steiermark 26,73 Euro. Die Bundesländer verwenden die Abgaben für Community-Sender, aber auch für Altstadterhaltung (Wien), Musikschulen (Kärnten) und andere eher medienfremde Zwecke.

ÖVP und FPÖ planen Budgetfinanzierung

In Österreich ist die Regierung von ÖVP und FPÖ gerade dabei, den GIS-Gebühren ein Ablaufdatum zu verpassen. Statt Rundfunkgebühren soll der ORF künftig aus dem Bundesbudget finanziert werden. Das bedeutet einerseits: Öffentliche (und damit ihre) Beiträge für den Rundfunk sind für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr so offensichtlich wie durch den zweimonatlichen Erlagschein oder die Abbuchung der GIS. Der ORF, Medienwissenschafter und Branchenkenner warnen vor höherer Abhängigkeit durch womöglich jährliche Budgetverhandlungen mit der Regierung. (fid, dpa 15.5.2018, aktualisiert)